Schnell segelt sich Sissi so schön smooth

Der Motor dröhnt, Sissi stampft durch die Wellen. Immer noch ist kein segelbarer Wind zu finden. Eike und ich sind fertig mit der Welt. In der Nacht hatten wir beide nicht viel Schlaf, auch heute bei Tageslicht ist daran nicht zu denken. Es ist heiß im Salon, der Motor heizt in den Tropen wie ein Kaminofen auf einer Skihütte. Eike lässt sich in seiner Koje umher schleudern. Um wenigstens dem Lärm zu entfliehen, stecke ich mir Ohrenstöpsel in die Ohren. Das hilft mir für ein paar Stunden. Ich lege mich noch einmal in meine Koje und lasse mich durch die Gegend werfen. Um kurz vor 16 Uhr ruft mich Eike, der Wind ist wieder da.

Angetan mit Rettungsweste und Sicherheitsgurt klettere ich zum Mast, das Großsegel geht nach oben. Jetzt sehen wir wieder aus wie ein Segelboot. Zurück im Cockpit nehme ich das Gas raus, der Motor geht aus, wir stellen den Kurs ein. Die Genua kommt ebenfalls raus, jetzt machen wir Geschwindigkeit. Noch ein Blick auf die Wettervorhersage, dann fahren wir eine Wende in die Richtung, wo ich den Wind erwarte. In den nächsten Stunden wird sich zeigen, ob meine Ahnung richtig ist.

Eine herrliche Stille ist im Boot und wir fahren auf dem gemütlicheren Backbordbug. Fahren wir auf dem Steuerbordbug, sind Eikes und meine Koje unbequem. Auf dem Backbordbug sind es Leekojen, in die man sich schön hineinkuscheln kann. Eike fragt, wie lange wir auf diesem Bug bleiben und ich kann ihn beruhigen. Wenden werden wir frühestens, wenn er seine Nachtwache beginnt. Möglicherweise auch erst am folgenden Tag. Das letzte Fleisch kommt aus dem Gefrierschrank, wandert durch den Fleischwolf und verwandelt sich in ein leckeres Chili con Carne.

Eike ist so müde, dass er sein Essen kaum herunter bekommt. Das Essen weckt jedoch wieder die Lebensgeister, nun ist er fit genug, um Schlafen zu gehen. Ich muss ihn immer wieder animieren, genug zu trinken. Das ist ein Teufelskreis. Wer in den Tropen nicht genug trinkt, wird ziemlich schnell ziemlich unfit. Irgendwann ist man zu schlapp, um noch an die Flüssigkeitsaufnahme zu denken. So beginnt meine Hälfte der Nacht, der satt schwarze Ozean wird von der schmalen Mondsichel beleuchtet. Um uns herum kann ich immer wieder Blitze vom Himmel zucken sehen. Zum Glück findet das alles weitestgehend im Lee von uns statt, diese Gewitter können uns nicht erreichen. Auf die Seekarte schauend frage ich mich, ob wir die Saba-Bank lieber leewärts oder luvwärts passieren sollen, meine Entscheidung festigt sich. Die Wassertiefe steigt dort von mehreren tausend Metern auf unter 30 Meter an. Luvwärts werden sicherlich ordentliche Wellen stehen. Also müssen wir auf der Leeseite vorbei
. Also
werden wir die Wende fahren, wenn Eike zu seiner Wache antritt.

Wir machen ein gutes Tempo. Mit vier bis fünf Knoten zischen wir durch die See. Herrlich. Ich bin auch gar nicht mehr müde, über diesen Punkt bin ich hinweg. Ich genieße die Zeit alleine im Cockpit, alleine mit dem Mond, mit den Sternen und…. es zappelt plötzlich an meinen Füßen und wird glitschig. Ein fliegender Fisch hat sich unfreiwillig zu mir gesellt. Mit den Händen kann ich das glitschige Tier, das um sein Leben kämpft, nicht einfangen. Erst mit dem Kehrblech kann ich den kleinen Kerl wieder ins Wasser beförden. Ich hoffe, es hat für ihn noch gereicht. Die nächste Gewitterwolke ist wohl für uns gedacht, ich sehe ein schwarzes Loch inmitten der leuchtenden Sterne. Natürlich gilt da für mich das St.-Florians-Prinzip. Lass‘ es nicht auf meiner Wache herunter krachen, lass‘ es bitte bei Eike regnen.

Gemeinsam fahren wir die Wende, dann ist es Zeit für meinen Nachtschlaf. Der ist wirklich erholsam. Ich höre nicht, wie Eike sich das Chili noch einmal aufwärmt. Ich höre nicht, wie er das Geschirr wegspült. Ich höre nicht, dass Sissi zwei- oder dreimal in den Wind dreht und die Genua flattert. Ich höre das Gewitter nicht, dass uns endlich erreicht. Eike bekommt alles geregelt und muss mich nicht zum Helfen rufen. So langsam wachsen ihm Seebeine. Dass Segeln so anstrengend ist, hätte er vorher nicht geglaubt. Die Entscheidung, leeseitig an der Saba-Bank vorbeizufahren, war eine gute Entscheidung. Als ich am Morgen aufstehe, sehe ich auf dem Bordcomputer, dass wir gut Strecke gemacht haben. Jetzt sind es nur noch ca. 80 Meilen bis Basseterre, der Hauptstadt von St. Kitts. Da sind dann schon die Zacken mit eingepreist, die wir noch fahren müssen. Somit wird unsere Ankunft irgendwann zwischen Mitternacht und Montagmorgen sein. Zwei Tage später als von mir erwartet, doc
h das
ist Segeln.

Der Motor ist wieder abgekühlt, wir haben keinen Kachelofen mehr im Salon. Jetzt müssen wir ihn nur wieder zum Laufen bekommen. Ich habe absolut keine Ahnung, warum er ausgegangen ist. Normalerweise geht er nicht aus, wenn man das Gas wegnimmt, sondern er pockert im Leerlauf vor sich hin. Das gefällt mir nicht, ich kann es aber nicht ändern. Es fehlt ihm an nichts. Er hat genug Öl, Kühlwasser und Diesel, das habe ich gerade geprüft. Der Luftfilter ist neu. Falls er nicht mehr startet, werden wir Plan B aktivieren müssen. Im Moment bin ich aber zufrieden, das Segeln ist gut und die Geschwindigkeit ebenso.

7. Etmal: 82 nm
Entfernung nach St. Kitts: 50 nm