Auf dem AIS beobachten wir die Samai. Sie ist ein paar Stunden vor uns abgefahren und sie wollten noch an eine Tauchmooring gehen, um das Boot endgültig seeklar zu machen und dabei noch etwas Freude am Wasser zu haben. Im Laufe der nächsten Stunden können wir sehen, dass wir etwa den gleichen Winkel zum Wind haben, allerdings ein wenig langsamer sind. Alle Stunde vergrößert sich der Abstand um eine Viertelmeile. Wir verlassen den Wellenschatten von Bonaire, die Bewegungen von Sissi werden stärker. Eike fühlt sich sauwohl.
Zum Abendessen treten wir leise. Ich brate uns zwar leckere Steaks und mache einen feinen Kartoffelstampf, dabei belasse ich es allerdings auch. Frisch angebratene Zwiebeln haben in meiner Seglervergangenheit schon oft Übelkeitsanfälle ausgelöst, sie sind ein starker Trigger. Die Schiffsbewegungen sind kein Vergleich zu der letzten Fahrt. Die Bedingungen sind perfekt. Wir genießen unser Essen und müssen dabei nicht einmal dafür sorgen, dass es auch auf dem Teller bleibt. Eike spült ab, setzt sich danach zu mir ins Cockpit und stellt fest, dass er sich pudelwohl fühlt.
Inzwischen habe ich die Hoffnung, dass es ihn diesmal nicht erwischt. Während er sich für seine Nachtschicht schon einmal ausschläft, kümmere ich mich noch um die Feinjustierung der Windfahnensteuerung und kann unseren Kurs um ein paar Grad verbessern. Die wird viel Arbeit werden und sich noch eine Weile hinziehen.
Wachwechsel um drei Uhr morgens. Eike ist quietschfidel, ich koche ihm einen Kaffee und wir setzen uns noch ein paar Minuten ins Cockpit. Ich checke das AIS und unsere Umgebung, dann schalte ich das komplette Schiff aus, alle Lichtquellen sind dunkel. Der bislang schon gigantische Sternenhimmel wird innerhalb der nächsten Minuten zu einer tollen Lichtquelle für unser Boot. Eike ist hin und weg. Noch nie in seinem Leben hat er einen solchen Sternenhimmel gesehen. Der Mond ist immer noch nicht aufgegangen, es ist eine wahre Pracht. Sissi wird wieder illuminiert und ich gehe schlafen.
Schlafen. Was man so Schlafen nennen kann. Ich gehe ins Bett. Was soll da schon passieren, es wacht ein Rookie im Cockpit. Klong, klong, das Großsegel klappt hin und her. Wuuuusch. Die Genua fällt ein. Klang, klang, klang, klang, die Leinen schlagen. Ich spüre, wie Sissi sich aufrichtet und parkt. Wahrscheinlich habe ich den Kurs zum Wind doch zu ambitioniert eingestellt. Zehn Minuten später läuft Sissi wieder, ich kann wieder ins Bett gehen. Eike klickt eine halbe Stunde auf dem Bordcomputer in die Seekarte und findet eine Warnmeldung „Caution“. Es ist eine allgemeine Warnmeldung zur Karibik. Ich erkläre es ihm und gehe wieder ins Bett. Während ich wegdämmere höre ich Stimmen. Ich kann nicht verstehen, was sie sagen, kann aber Männlein und Weiblein unterscheiden. Ich finde Eike mit seinem Handy im Cockpit, eine Serie schauen. Er versteht mein Problem und nimmt Kopfhörer. Meine Schuld. Ich gehe wieder ins Bett. In den frühen Morgendstunden alarmiert eine der beide
n
verbliebenen Batterien. Eike hört mit dem Kopfhörer den Alarm nicht, den ich dann ausschalte. Das ist okay, ein Neuling muss lernen. Die nächste Nacht wird ruhiger werden.
Meinen Morgendkaffee genieße ich sehr. Eike ist weiterhin munter, keine Spur von Seekrankheit. Gesundheit ist besser als Krankheit. Eine Seereise unter Segeln und angenehmer als unter Motor. Die Wellenhöhe ist teilweise ähnlich, wie auf der Reise nach Bonaire. Das fühlt sich unter Segeln aber viel ruhiger an. Eike erzählt, er habe in der Nacht stundenlang in die Sterne gestarrt. Das kenne ich gut, das mache ich auch immer wieder gerne. Einen solchen Sternenhimmel sieht man nur auf See. Ein paar Minuten sitzen wir noch in der Morgensonne und reden, dann legt sich Eike für ein paar Stunden hin. Wir gleiten durch den Vormittag. Segeln at its best!
1. Etmal: 105 nm
Entfernung nach St. Kitts: 380 nm