Wie beginne ich diesen Beitrag am besten? Am besten fange ich mit meinen neuen Gewohnheiten an. Nach dem Morgenkaffee gehe ich zumeist an die Bushaltestelle und fahre ein paar Runden mit Soraida mit, bis sie Feierabend macht. Auf jeder Runde kommen wir am Impfzentrum in Santa Cruz vorbei und sehen die langen Schlangen derer, die auf ihre Impfung warten. An der nächstgelegenen Bushaltestelle warten dann fast immer Fahrgäste, die gleich beim Einsteigen stolz erzählen, dass sie ihre Impfung jetzt bekommen haben. Was mir besonders auffällt, dass diese Menschen alle mit einem Lächeln unter ihrer Maske in den Bus einsteigen, dass sie sich besonders fröhlich unterhalten. Manchmal laufen Menschen auch einfach nur am Bus vorbei und zeigen stolz auf das Pflaster an ihrem Oberarm. Inzwischen sind etwa 30 Prozent der hiesigen Bevölkerung geimpft.
Vor knapp zwei Wochen war ich unterwegs auf der Suche nach einem neuen Keilriemen und konnte diesen bei Napa bestellen. Obwohl ich die Zusage hatte, dass die Lieferung bis Ende kommender Woche erfolgt, habe ich noch zusätzlich einen in Deutschland bestellt, den Barbara mitbringen wird. Ich bin schon zu lange in Aruba, als dass ich auf Terminzusagen hier auch nur einen Euro wetten würde. Es ist Freitag und damit ist es das Ende der Woche, als ich mit Soraida an Napa vorbeifahre. Vor der Tür steht tatsächlich ein Lieferwagen mit Teilen, ich gehe rein und frage nach. Sie müssen die Lieferung noch überprüfen und rufen mich an, wenn meine beiden Keilriemen mitgekommen sind.
Ich bin schnell wieder auf der Straße und nach wenigen Minuten sammelt mich Soraida wieder ein. Die Spannung steigt. Gewinnt Deutschland oder Aruba? Der Liefertermin für den Keilriemen aus Deutschland ist Montag, 17:30 Uhr, wenn KLM aus Amsterdam landet.
Während ich eine weitere Runde im Bus mitfahre, bringt sich auf dem Parkplatz ein Gabelstapler in Position und lädt den Lieferwagen ab.
Soraida macht Feierabend. Ich spaziere noch ein wenig die Main Street entlang, dann schlendere ich zum Boot. Kaum habe ich Jens den Stand der Dinge mitgeteilt, klingelt mein Aruba-Telefon. Napa ist am Apparat. Die beiden bestellten Keilriemen seien in der Lieferung drin gewesen. Nach kurzem Nachdenken spaziere ich zur Bushaltestelle und lasse mich zu Napa fahren. Jetzt sind die Dinger da, jetzt kann ich einen davon auch einbauen.
Ich gehöre jetzt auch zu den glücklichen Menschen in Aruba. Zwar habe ich keine Impfung bekommen, dafür aber ein wichtiges Ersatzteil. Ich stehe an der Bushaltestelle und starre ein wenig in den Himmel. Es fühlt sich für mich unwirklich an, dass ich nach so langer Zeit Aruba für eine ganze Weile verlassen werde. Alles hier fühlt sich so vertraut an, derweil ist Frankfurt sehr weit von mir entfernt. Segeln, einige Wochen auf dem Wasser verbringen, auch das fühlt sich fremd an. Es wird hoffentlich nicht lange dauern, bis ich mich daran wieder gewöhnt haben werde. Wie wird es sich anfühlen, Aruba weit entfernt im Kielwasser zu haben?
Der neue Keilriemen ist jedenfalls nach wenigen Minuten eingebaut. Nach dem Motorstart sieht es viel besser aus, es sieht so aus wie es aussehen muss. Mir fällt noch eine kleine Undichtigkeit im äußeren Kühlwasserkreislauf auf, also ziehe ich alle Schlauchschellen noch einmal nach. Dann ist auch diese Undichtigkeit beseitigt und der Motor ist bereit für die Rückfahrt.
Alles ist relativ im Leben. Noch vor wenigen Wochen habe ich darüber lamentiert, dass uns verschiedene Defekte in Aruba festhalten, dass uns die Einreisebestimmungen anderer Länder an der Weiterreise hindern und dass die Zeit lang wird. In weniger als einer Woche wird Barbara hier eintreffen und die Crew ist komplett. Wir haben einen Mietwagen für eine Woche, werden Barbara Aruba zeigen, einen Großeinkauf machen und die Segel setzen. Das fällt mir schwerer denn je.
Regelmäßigen Lesern dieses Blogs wird aufgefallen sein, dass die Zahl der Beiträge drastisch gesunken ist. Das ist nur zu einem kleinen Teil darauf zurückzuführen, dass sich hier kaum Neuigkeiten ereignen, zum größeren Teil liegt es daran, dass die Neuigkeiten nicht für das Blog geeignet sind.
Am Dienstag nach Ostern mache ich mich auf den Weg, einen neuen Keilriemen zu besorgen. Soraida kennt alle Autoteile-Läden und fährt mich von einem zum nächsten. Leider genügt das nicht. Ich war ja sehr froh, als ich beim Kauf von Sissi den Mercedes-Automotor mitgekauft habe. Das Modell wurde auf der ganzen Welt millionenfach verkauft. So hatte ich die Hoffnung, dass ich auch überall auf der Welt Ersatzteile für diesen Motor bekommen kann, es gibt schließlich auf unserem Planeten viel mehr Autos als Boote.
Der erste Stopp ist bei Morgenster. Der Laden ist übrigens nach seiner Adresse benannt, denn die Straße an der er liegt heißt ebenfalls Morgenster. Ich habe den alten Keilriemen mit, der Angestellte schaut in seinem Computer und verschwindet dann im Lager. Ich bin optimistisch. Nach einer halben Ewigkeit kommt der junge Mann wieder zurück und meint, dass er eigentlich einen haben müsste, den aber nicht finden konnte. Okay, so gibt es die Dinger wohl in Aruba. Auf zum nächsten Laden, gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite.
Dieses Geschäft wird wie so viele andere auch von Chinesen betrieben. Hier gibt es keinen Computer. Der Chef ruft seine Frau und zeigt ihr den Keilriemen. Sie weiß sofort, dass sie dieses Modell nicht hat. Es dauert keine zwei Minuten. Ich warte auf Soraida, die mich nach wenigen Minuten wieder aufsammelt.
Im jR Autocenter benutzt der Angestellte auch keinen Computer. Er notiert sich die Nummer auf dem Keilriemen und misst ihn sicherheitshalber noch einmal nach. Das fängt doch schon einmal gut an, es kommt nicht gleich ein bedauerndes „nein“. Dennoch ist die Wartezeit bis zum „nein“ recht kurz. Soraida sammelt mich wieder ein und setzt mich gleich beim nächsten Laden wieder ab.
Bei NAPA kann ich den Keilriemen wenigstens bestellen. Er soll bis zum Ende der kommenden Woche kommen.
Zur Sicherheit bitte ich Barbara, noch einen in Deutschland zu besorgen. Der gute alte Mercedes 190 hat es nicht in einer so großen Stückzahl nach Aruba geschafft, dass jetzt noch eine nennenswerte Anzahl auf der Insel wäre. Aruba ist geprägt von japanischen Autos, Europäer sind die große Ausnahme. Wenn die Niederlande eine Automobilindustrie hätten, wäre es wohl anders, doch die Autotransporter, die hier regelmäßig ihre Waren entladen, haben zumeist die japanische Flagge im Wind wehen. Keilriemen für Volvo Penta oder Yanmar Motoren gibt es übrigens bei Budget Marine in großer Auswahl.
So habe ich in den letzten Tagen und Wochen viel Zeit im Bus verbracht und konnte das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Unterwegs gibt es manchmal kuriose Anblicke, wie diese Gruppe Ziegen, die einen Kreisverkehr überquert haben und nun auf der Schnellstraße laufen.
Oder diese Beerdigung: Hier sammeln sich die Mitglieder des Drag Clubs, haben ihre Rennautos auf Anhängern mitgebracht, um einem ihrer Clubmitglieder die letzte Ehre zu erweisen. Das geht nicht ohne eine gewisse Geräuschentwicklung vor sich, denn die Motoren der Drag-Racer sind in Betrieb und werden immer mal wieder hochgedreht.
Bei Jens und mir hat sich ein kleines Ritual eingebürgert. Etwa einmal in der Woche gehen wir in das Flor de Oriente, ein holländisches Restaurant in Oranjestad. Dort wird sehr lecker aus frischen Zutaten gekocht und es gibt nicht nur das übliche Fast-Food, das sonst auf Aruba sehr verbreitet ist. Der Geschmack der Speisen ist hier mehr an den europäischen Geschmack als an den amerikanischen Geschmack ausgerichtet.
Außerdem können wir im Flor immer mal wieder die niedlichen kleinen Kätzchen streicheln. Sie sind noch sehr jung, dafür haben sie ein superweiches Fell. Wenn sie sich nicht gerade von einem umfallenden Stuhl erschrecken lassen, kann man sie sogar auf den Schoß nehmen und streicheln. Manchmal kommt es auch zu einer Begegnung der besonderen Art.
Die Freewinds war schon des öfteren Thema des Blogs. Bei unserem letzten Besuch im Flor kommen plötzlich diese drei Gestalten die Straße entlang gelaufen. Innerlich denke ich, dass mich das gerade sehr nervt. Wenn ich die sonst bei ihrer „Arbeit“ sehe, desinfizieren sie zumeist die Tische in den Restaurants, dann gehen sie zum nächsten Restaurant weiter. Ich will nicht, dass sie unseren Tisch desinfizieren, ich bin am essen. Doch so weit kommt es nicht. Die drei stellen sich mit Laser-Entfernungsmessern auf und vermessen mal eben die Terrasse des Restaurants. Die Besitzerin schaut dabei zu. Sie wurde nicht um Erlaubnis gefragt, sie unterbindet das Treiben aber auch nicht. Der Abstand der Tische zueinander wird ebenfalls vermessen. Rein technisch ist das hier kein Problem, denn die Tische stehen noch weiter auseinander, als von den Regeln gefordert. Es fühlt sich aber komisch an.
Um mit Soraida einmal ein gemeinsames ungestörtes Wochenende verbringen zu können, habe ich über einen Esel-Bekannten ein Apartment bekommen können. Das Abendessen bereite ich an Bord vor und verpacke es so, dass es nur noch im Wasserbad aufgewärmt werden muss. Ich besorge uns eine Tarnkappe, denn der Bus ist auf der Insel bekannt wie ein bunter Hund.
Mit diesem kleinen, unauffälligen Mietwagen können wir uns unerkannt in Aruba bewegen. Für Soraida fühlt sich der Beifahrersitz etwas ungewohnt an. Doch die entgegenkommenden Busfahrer reagieren nicht auf ihre Grüße, die sie anscheinend vollautomatisch versendet. Wir sind unsichtbar.
Es wird ein wunderschönes Wochenende. Es ist toll, ein Wochenende mit einem Menschen zu verbringen, den man liebt.
Ich bin also zu meinem Vergnügen unterwegs. Und was macht Jens in dieser Zeit? Er fühlt sich wohl. Und er kümmert sich darum, dass unser Cockpit wieder einen schönen neuen Anstrich bekommt. Ansonsten fährt er mit den Bordfahrrad über die ganze Insel oder schnürt seine Laufschuhe für abendliche körperliche Ertüchtigung.
Vier Schichten Farbe und vier Schichten Lack sollten für längere Zeit genug sein. Der letzte Anstrich hat nur zwei Jahre gehalten und bestand aus zwei Schichten Farbe und zwei Schichten Lack.
In der letzten Nacht habe ich nicht gut geschlafen. Ein dickes amerikanisches Fischerboot hat am Nachmittag tausende Liter Diesel getankt und dann die ganze Nacht mit laufendem Motor neben uns geparkt. Die Klimaanlage muss laufen. Ich mag das nicht.
Die Wettervorhersage passt perfekt. Am Ostersonntag soll der Wind um ca. fünf Knoten abflauen. Außerdem hat Soraida zwei Tage frei, deswegen verabreden wir uns zu einem gemütlichen Tagestörn. Am Samstag machen Jens und ich Sissi klar zum Segeln. Es ist viel weniger Arbeit als von uns erwartet. Wir waren in den letzten Wochen ziemlich ordentlich, die Werkzeuge und anderen Kram haben wir immer wieder brav dahin zurückgelegt, wo wir die Sachen hergenommen haben. So profitieren wir immer noch von der Ordnung, die wir eigentlich für die Überfahrt nach Guadeloupe hergestellt hatten.
Am Sonntag stehen wir früh auf. Jens kümmert sich um die Plane, die unserem Cockpit den Schatten spendet. Ich will nur kurz den Motor checken. Ölstand, Kühlwasser, Keilriemen – eben der übliche Check, bevor wir den Hafen verlassen. Der geübte Leser dieses Blogs weiß, dass jetzt ein Unglück geschehen wird, welches uns am Verlassen des Hafens hindert.
Kürzlich hatten wir diesen kleinen Wasserschaden. Aus den unter Druck stehenden Wasserleitungen sprühte ein feiner Wasserstrahl lustig gegen den Motor. Wie lange das schon so war, kann ich nicht sagen. Beim letzten Motorcheck vor gut einem Monat, als wir in Varadero den Mast abgenommen haben, ist mir das Problem nicht aufgefallen. Wahrscheinlich hat es aber schon vorher bestanden, ich war nicht gründlich genug. Auf einigen der Riemenscheiben blüht jedenfalls der Rost.
Schei*e. Das muss jetzt mal so gesagt werden, denn der Rost hat seine Spuren im Keilriemen hinterlassen. Hier müssen wir erst einmal Arbeit hineinstecken. Wir brauchen einen neuen Keilriemen und die Riemenscheiben müssen entrostet werden, sonst ist dieser sofort wieder zerstört.
Zum Glück haben wir Ersatz an Bord, denn die Autoteilehändler haben über die Osterfeiertage geschlossen. Schnell schreibe ich eine Nachricht an Soraida, dass wir eine Stunde später starten. Das Handbuch muss her.
Ich habe den Keilriemen noch nicht wechseln müssen, deswegen fehlt mir die nötige Ahnung. Der Vorgang selbst ist sehr, sehr einfach und schnell erledigt. Eine Schraube lösen, den Spanner vorsichtig entlasten und dann den alten Keilriemen abnehmen. Wir haben übrigens die Ausführung mit Servolenkung. Was normalerweise die Servolenkung antreibt, bewegt unseren Impeller.
Dann entroste ich mit einer Zahnbürste und Rostentferner die Riemenscheiben, bis sie wieder schön glatt sind und den nächsten Keilriemen nicht mehr zerstören können. Anschließend kommt der neue Riemen an die Stelle des alten, mit dem Spanner wird er nun unter Spannung gesetzt und anschließend startet Jens den Motor. Es wird spannend. War die Reparatur erfolgreich? Können wir jetzt raus fahren? Der Motor kommt in sofort im ersten Startversuch in Gang.
Der kurze Film gibt die Antwort sehr deutlich, wir können nicht losfahren. Der Keilriemen ist einfach zu locker. Er lässt sich bei stehendem Motor eine Handbreit bewegen. Das ist zu viel.
Kommen wir einmal zum schmutzigen Geheimnis des Harald B. aus Aurich, von dem ich Sissi erworben habe. Er hat mir beim Verkauf des Bootes auch die vielen Ersatzteile gezeigt, die er noch an Bord hat. Von Luft-, Öl- und Dieselfilter über Bilgepumpe bis hin zu dem bewussten Keilriemen. Das Geheimnis ist, dass viele der „neuen“ Ersatzteile gar nicht neu sind, sondern ihr Leben schon hinter sich gelassen haben. Warum hat er das gemacht? Natürlich darf ich die Schuld nicht einzig und allein auf Harald schieben, ich habe nicht in die Herstellerverpackungen hineingesehen. Meine Unterlassung.
Hinsichtlich der gebrauchten Ersatzteile besteht inzwischen keine Gefahr mehr, denn wir haben sie bis zum heutigen Tag alle verbraucht. Die „neue“ elektrische Bilgepumpe hat nach ihrem Einbau sofort den Dienst mit Rauchzeichen quittiert. Dank Charly von der Chapo konnte ich im vergangenen Jahr schnell eine weitere Pumpe bekommen, die jetzt auch zuverlässig ihren Dienst verrichtet. Der „neue“ Luftfilter für den Motor war zwar schon gebraucht, sah aber besser aus als der, der seinen Dienst von Holland bis Aruba verrichtet hat. Barbara wird uns aus Deutschland noch einen mitbringen, denn in Aruba war ich bislang vergeblich auf der Suche. Der „neue“ Keilriemen kommt gleich in die Tonne. Ich bin zuversichtlich, in Aruba zwei Exemplare kaufen zu können, Soraida kennt alle Autoteile-Händler. Ansonsten müssen wir auf Barbara warten. Die „neue“ Ankerlaterne hat beim ersten Ausprobieren einen knallenden Kurzschluss verursacht und flog in den Müll. Der „neue“ Impeller war porös und die Flügel ließen sich leicht abbrechen.
Ich verbringe den Tag mit Soraida im Cockpit. Wir genießen die Snacks, die sie mitgebracht hat. Im Lauf der Zeit vergeht mein Zorn auf mich selbst. Auch wenn Ostern in Deutschland beinahe schon vorbei ist – frohe Ostern aus der Karibik!