Er ist mitgefahren, als ich am ersten Segeltörn meines Lebens in Kroatien teilgenommen habe. Wir haben gemeinsam die Nordsee überquert und in Schottland die Hebriden ersegelt. Gemeinsam konnten wir Tiefpunkte und Höhepunkte des Fahrtensegelns erleben. Kennengelernt haben wir uns auf einem Motorradtreffen.
In 2019 war Christoph zuletzt bei uns an Bord, um einen Haken an einen wichtigen Eimer seiner persönlichen Bucket-Liste zu machen. Er wollte auf einem Segelboot die Biskaya überqueren. Diesen Wunsch konnten wir ihm erfüllen, Christoph hat uns von Guernsey bis nach Vigo in Spanien begleitet, mitten auf der Biskaya konnten wir sogar zwei Wale beobachten.
Heute haben wir die Nachricht erhalten, dass Christoph kürzlich verstorben ist. Unsere Gedanken sind bei seinen Angehörigen.
In der Nacht konnten wir nur schlecht schlafen. Der Motor dröhnte und das Schiff rollte in den Wellen. Wir wurden in den Kojen hin- und hergeworfen. Müde und unausgeschlafen begrüßen wir den Morgen mit viel Kaffee.
Die Motorfahrt geht noch ein paar Stunden weiter, gegen 10 Uhr können wir endlich ein Segel setzen. Das bringt Stabilität ins Schiff und dämpft die Rollbewegung. In den nächsten paar Stunden sind wir damit beschäftigt, den Parasailor am Fliegen zu halten, so schwach ist der Wind. Ansonsten geschieht nicht viel. Es sind nur noch 80 Meilen bis zum Ziel in Spanien, doch diese Meilen ziehen sich wie Kaugummi.
Gegen 14 Uhr können wir die Küste schemenhaft erkennen. Die Berge in Spanien sind hoch. Auch die ersten Fischerboote kreuzen wieder unseren Kurs. Das Wasser ist jetzt nicht mehr 4000 Meter tief, sondern nur noch 400 Meter. Mental schalten wir um auf „ankommen“ und freuen uns auf den Hafen.
Um 15:30 Uhr frischt der Wind so sehr auf, dass wir nicht mehr mit dem Parasailor weitersegeln können. Wir tauschen ihn gegen die Genua, dann geht es mit knapp sieben Knoten weiter. Leider kommen die Wellen von hinten, Sissi rollt fast wieder so stark, wie in der vergangenen Nacht. Trotzdem fühlt es sich leicht an, als würden wir über die Wellen fliegen.
Wir sind müde aber aufgekratzt, haben wir die Biskaya doch beinahe hinter uns. Dennoch ist nicht klar, ob wir noch vor Mitternacht ankommen werden. Wir waren in den vergangenen beiden Tagen zu langsam unterwegs.
Die Windstärke nimmt zu, es werden sieben bis acht Beaufort. Sissi wird schneller und schneller, als wüsste sie, dass wir bald anlegen wollen. Vor der Einfahrt in die Bucht von Camarinas sind noch einige gefährliche Felsen unter Wasser, die wir beachten müssen. Endlich sehen wir die Befeuerung der Einfahrt, die uns den sicheren Weg markiert. Während wir in die Bucht fahren, kommt uns ein kleines Fischerboot entgegen. Noch ein paar Meter, dann finden wir einen freien Platz. Es ist Montagmorgen, 0:05 Uhr.
Wir machen das Boot fest und genehmigen uns ein Anlegerbier und einen besonderen Whisky. Die Biskaya ist hinter uns. Wir haben es geschafft. Dann geht es ins Bett, wir schlafen uns endlich mal wieder richtig aus. Insgesamt waren es 407,9 Seemeilen.
Die letzte Nacht war neblig und feucht. Die Bänke im Cockpit sind klamm, als wir uns am Morgen nach oben setzen. Der Himmel ist wolkenverhangen und es ist relativ kühl. Mit dem wenigen Wind konnten wir nicht allzu viele Meilen machen, das neue Etmal liegt bei 95 Meilen. Dafür hat die Windsteueranlage dafür gesorgt, dass die Batterien nicht weiter geleert wurden. Ein Hoch auf die Physik! So langsam kommen wir mental in einen Modus, in dem wir auch den Atlantik überqueren können.
Schiffe haben wir nur wenige gesehen. Ein Tanker, der offenkundig ziellos mit fünf Knoten mal hierhin und mal dorthin fuhr. Ein Segelboot aus Madeira, das wir gerade noch am Horizont sehen konnten. Sonst war nichts los. Die Biskaya ist in dieser Ecke einigermaßen einsam. Wir sind fern von den Routen der Großschiffahrt.
Im Laufe des Tages verändert der Wind seine Richtung kaum, er variiert in der Stärke. Mal sind es nur drei Windstärken, dann schleichen wir mit knapp drei Knoten in Richtung unseres Ziels. Mal sind es vier Windstärken, dann beschleunigen wir auf sagenhafte fünf Knoten. Dennoch verspürt niemand in unserer Runde Lust, den Motor anzuwerfen, obwohl wir jetzt genug Diesel für die restliche Strecke im Tank haben. Wir genießen die besinnliche Fahrt über die angenehmen Wellen. Langsam leert sich der Kühlschrank. Wir machen aus den restlichen frischen Zutaten ein leckeres Gulasch. Wir haben nur für zwei Tage frische Sachen eingekauft. Dafür haben wir Konserven bis Amerika, wenn es sein muss
Leider gab es keine Wale oder Delphine mehr zu sehen. Manchmal denken wir, wir würden über einen Wal fahren, wenn der Tiefenmesser mal wieder von „unendlich“ auf 50 Meter springt, dort ein paar Sekunden verharrt und dann wieder „unendlich“ zeigt. Wahrscheinlich sind es nur Fischschwärme. An unserer Schleppangel mag trotz der langsamen Fahrt kein Fisch anbeißen. Schade. Frischen Fisch würden wir immer nehmen.
Gegen 22 Uhr verlässt uns der Wind komplett. Die Segel schlagen, während Sissi in der Dünung rollt. Der Inhalt von allen Schränken kracht an Schranktüren und Wände. Wir müssen die Segel runternehmen, damit sie nicht kaputt gehen. Wir laden eine aktuelle Wettervorhersage herunter und sehen uns mitten in einem Flauteloch. Der Lärm ist kaum auszuhalten, die Schiffsbewegungen sind unangenehm. Wir entscheiden uns für den Wind aus dem Tank. Ein paar Stunden motoren.
Die Windvorhersage für morgen verspricht wieder stärkeren Wind aus westlichen Richtungen. Damit könnten wir am Sonntagabend in Camarinas ankommen. Noch 113 Meilen.