Akzeptieren. Annehmen. Anpassen.

Jetzt bin ich also wieder auf Aruba und erwarte eine weitere Hurrikansaison. Das kann ich inzwischen akzeptieren. Die Alternativen sind überschaubar, ich könnte das Boot an Land stellen und nach Deutschland fliegen. Davon wird Sissi aber nicht besser. Also nehme ich die Herausforderung an und stelle mich der neuen Situation. Die neue Situation hat natürlich nicht nur Nachteile. Ich kann Soraida besuchen und sie mich, wir können gemeinsam etwas unternehmen und die junge Pflanze unserer Beziehung pflegen.

Bei Soraidas Nachbarn ist der Garten voller Ziegen

Einen wichtigen Punkt auf meiner Liste kann ich ziemlich schnell abhaken. Ich kaufe gerade einen Gebrauchtwagen. Der kostet etwa so viel wie ein Mietwagen für zehn Wochen und ist sehr nützlich, denn ich habe in diesem Jahr einen vollkommen anderen Mobilitätsbedarf als im vergangenen Jahr. Mit dem eigenen Auto kann ich Sissi auch in die andere Marina verlegen, die im Monat wesentlich günstiger ist. Die Marina in Varadero liegt auf der Rückseite des Flughafens und befindet sich praktisch am Ende der Welt, ich habe den Liegeplatz zum 1. Juni reserviert.

Esel?!

Was werde ich in den kommenden Monaten machen? Neben dem Austausch der elektrischen Bilgepumpe und der Reparatur des Achterstags habe ich mir weitere Arbeiten an Sissi vorgenommen. Insbesondere der Innenraum des Salons und dort speziell die Holzdecke haben unter dem vielen Salzwasser gelitten, das uns auf dem Rückweg aus Kuba hineingelaufen ist. Ich werde das komplett neu machen.

Leider geht es nicht mehr, dass ich bei den Eseln mitarbeite. Zwischen Desiree und mir herrscht seit dem vergangenen Herbst Eiszeit. Sonntags fahre ich trotzdem hin und mache mir mit Anneke, den Katzen und den Eseln einen schönen Nachmittag.

Swa beaufsichtigt die Esel

Brauche ich noch mehr tierische Nähe, kann ich auch im Tierheim mithelfen – bei den Katzen oder bei den Hunden. Ich würde zu den Katzen gehen.

Wenn ich an der Bilgepumpe arbeite, werde ich auch gleich Vorkehrungen treffen, dass ein Wassereinbruch wie bei unserem letzten Versuch der Atlantiküberquerung nicht mehr vorkommen kann. Der Schwanenhals am oberen Ende des Schlauchs muss so verlegt werden, dass er immer über der Wasserlinie ist.

So können nur Katzen entspannen

Nicht zuletzt ist da noch die gemeinsame Zeit mit Soraida. Ich denke nicht, dass es mir in den kommenden Monaten langweilig wird. Ich glaube, die Zeit wird sehr sehr schön.

Kurz nachdem ich die Ziegen auf dem Nachbargrundstück fotografiert habe, sind sie zügig aber ohne besondere Eile weggegangen. Die Hunde der Nachbarn haben die Ziegen entdeckt und mit ihrer Arbeit begonnen. Auch die Hunde haben keine Besondere Eile, zu den Ziegen zu kommen. Vieles geht langsamer in der Karibik.

Abmarsch, die Hunde kommen

Außerdem habe ich vor, eine neue Sprache zu lernen – Papiamento. Eigentlich wäre Holländisch nützlicher, damit kann man auch in Holland etwas anfangen, doch die Umgangssprache in Aruba ist nun einmal Papiamento. Das macht sich später bestimmt gut in Bewerbungsschreiben, wenn ich mit einer Sprache aufwarten kann, von der der Personaler nicht einmal weiß, dass es sie gibt.

Wenn Sissi so weit ist, dass ich eine Testfahrt unternehmen kann, werde ich eine kleine Tour nach Bonaire machen. Oder nach Curacao. Dann bekomme ich bei der Wiedereinreise nach Aruba einen weiteren Stempel in den Pass. Irgendwann bin ich der Deutsche mit den meisten Aruba-Einreisestempeln. Im Moment hat Jens die Nase vorn, da er Aruba einmal mehr verlassen hat als ich. Eine Testfahrt in ein anderes Land mache ich aber nicht, bevor ich geimpft bin. Wenn ich illegal im Land bin, hole mich mir den Schuss. Danach werde ich wieder reisen.

Der letzte Sonnenuntergang auf dem Atlantik vor unserer dritten Rückkehr nach Aruba.

Jens wird Aruba am 26. Mai verlassen und im kommenden Jahr für die Atlantiküberquerung zurückkehren.

Glückliche Menschen auf einer glücklichen Insel

Wie beginne ich diesen Beitrag am besten? Am besten fange ich mit meinen neuen Gewohnheiten an. Nach dem Morgenkaffee gehe ich zumeist an die Bushaltestelle und fahre ein paar Runden mit Soraida mit, bis sie Feierabend macht. Auf jeder Runde kommen wir am Impfzentrum in Santa Cruz vorbei und sehen die langen Schlangen derer, die auf ihre Impfung warten. An der nächstgelegenen Bushaltestelle warten dann fast immer Fahrgäste, die gleich beim Einsteigen stolz erzählen, dass sie ihre Impfung jetzt bekommen haben. Was mir besonders auffällt, dass diese Menschen alle mit einem Lächeln unter ihrer Maske in den Bus einsteigen, dass sie sich besonders fröhlich unterhalten. Manchmal laufen Menschen auch einfach nur am Bus vorbei und zeigen stolz auf das Pflaster an ihrem Oberarm. Inzwischen sind etwa 30 Prozent der hiesigen Bevölkerung geimpft.

Bushaltestelle in Santa Cruz. Der Hund ist nicht geimpft.

Vor knapp zwei Wochen war ich unterwegs auf der Suche nach einem neuen Keilriemen und konnte diesen bei Napa bestellen. Obwohl ich die Zusage hatte, dass die Lieferung bis Ende kommender Woche erfolgt, habe ich noch zusätzlich einen in Deutschland bestellt, den Barbara mitbringen wird. Ich bin schon zu lange in Aruba, als dass ich auf Terminzusagen hier auch nur einen Euro wetten würde. Es ist Freitag und damit ist es das Ende der Woche, als ich mit Soraida an Napa vorbeifahre. Vor der Tür steht tatsächlich ein Lieferwagen mit Teilen, ich gehe rein und frage nach. Sie müssen die Lieferung noch überprüfen und rufen mich an, wenn meine beiden Keilriemen mitgekommen sind.

Der Lieferwagen steht vor der Tür. Ist der Keilriemen mit dabei?

Ich bin schnell wieder auf der Straße und nach wenigen Minuten sammelt mich Soraida wieder ein. Die Spannung steigt. Gewinnt Deutschland oder Aruba? Der Liefertermin für den Keilriemen aus Deutschland ist Montag, 17:30 Uhr, wenn KLM aus Amsterdam landet.

Während ich eine weitere Runde im Bus mitfahre, bringt sich auf dem Parkplatz ein Gabelstapler in Position und lädt den Lieferwagen ab.

Die Lieferung wird abgeladen.

Soraida macht Feierabend. Ich spaziere noch ein wenig die Main Street entlang, dann schlendere ich zum Boot. Kaum habe ich Jens den Stand der Dinge mitgeteilt, klingelt mein Aruba-Telefon. Napa ist am Apparat. Die beiden bestellten Keilriemen seien in der Lieferung drin gewesen. Nach kurzem Nachdenken spaziere ich zur Bushaltestelle und lasse mich zu Napa fahren. Jetzt sind die Dinger da, jetzt kann ich einen davon auch einbauen.

Der neue Keilriemen. Hergestellt in Mexiko.

Ich gehöre jetzt auch zu den glücklichen Menschen in Aruba. Zwar habe ich keine Impfung bekommen, dafür aber ein wichtiges Ersatzteil. Ich stehe an der Bushaltestelle und starre ein wenig in den Himmel. Es fühlt sich für mich unwirklich an, dass ich nach so langer Zeit Aruba für eine ganze Weile verlassen werde. Alles hier fühlt sich so vertraut an, derweil ist Frankfurt sehr weit von mir entfernt. Segeln, einige Wochen auf dem Wasser verbringen, auch das fühlt sich fremd an. Es wird hoffentlich nicht lange dauern, bis ich mich daran wieder gewöhnt haben werde. Wie wird es sich anfühlen, Aruba weit entfernt im Kielwasser zu haben?

Strommast karibischen Typs

Der neue Keilriemen ist jedenfalls nach wenigen Minuten eingebaut. Nach dem Motorstart sieht es viel besser aus, es sieht so aus wie es aussehen muss. Mir fällt noch eine kleine Undichtigkeit im äußeren Kühlwasserkreislauf auf, also ziehe ich alle Schlauchschellen noch einmal nach. Dann ist auch diese Undichtigkeit beseitigt und der Motor ist bereit für die Rückfahrt.

Ostersegeln

Die Wettervorhersage passt perfekt. Am Ostersonntag soll der Wind um ca. fünf Knoten abflauen. Außerdem hat Soraida zwei Tage frei, deswegen verabreden wir uns zu einem gemütlichen Tagestörn. Am Samstag machen Jens und ich Sissi klar zum Segeln. Es ist viel weniger Arbeit als von uns erwartet. Wir waren in den letzten Wochen ziemlich ordentlich, die Werkzeuge und anderen Kram haben wir immer wieder brav dahin zurückgelegt, wo wir die Sachen hergenommen haben. So profitieren wir immer noch von der Ordnung, die wir eigentlich für die Überfahrt nach Guadeloupe hergestellt hatten.

Am Sonntag stehen wir früh auf. Jens kümmert sich um die Plane, die unserem Cockpit den Schatten spendet. Ich will nur kurz den Motor checken. Ölstand, Kühlwasser, Keilriemen – eben der übliche Check, bevor wir den Hafen verlassen. Der geübte Leser dieses Blogs weiß, dass jetzt ein Unglück geschehen wird, welches uns am Verlassen des Hafens hindert.

Kürzlich hatten wir diesen kleinen Wasserschaden. Aus den unter Druck stehenden Wasserleitungen sprühte ein feiner Wasserstrahl lustig gegen den Motor. Wie lange das schon so war, kann ich nicht sagen. Beim letzten Motorcheck vor gut einem Monat, als wir in Varadero den Mast abgenommen haben, ist mir das Problem nicht aufgefallen. Wahrscheinlich hat es aber schon vorher bestanden, ich war nicht gründlich genug. Auf einigen der Riemenscheiben blüht jedenfalls der Rost.

Rost. Kann man nirgendwo brauchen.

Schei*e. Das muss jetzt mal so gesagt werden, denn der Rost hat seine Spuren im Keilriemen hinterlassen. Hier müssen wir erst einmal Arbeit hineinstecken. Wir brauchen einen neuen Keilriemen und die Riemenscheiben müssen entrostet werden, sonst ist dieser sofort wieder zerstört.

Beschädigungen. Nicht vollständig. Es gibt noch mehr kaputte Stellen.

Zum Glück haben wir Ersatz an Bord, denn die Autoteilehändler haben über die Osterfeiertage geschlossen. Schnell schreibe ich eine Nachricht an Soraida, dass wir eine Stunde später starten. Das Handbuch muss her.

Motor Reparaturhandbuch

Ich habe den Keilriemen noch nicht wechseln müssen, deswegen fehlt mir die nötige Ahnung. Der Vorgang selbst ist sehr, sehr einfach und schnell erledigt. Eine Schraube lösen, den Spanner vorsichtig entlasten und dann den alten Keilriemen abnehmen. Wir haben übrigens die Ausführung mit Servolenkung. Was normalerweise die Servolenkung antreibt, bewegt unseren Impeller.

Dann entroste ich mit einer Zahnbürste und Rostentferner die Riemenscheiben, bis sie wieder schön glatt sind und den nächsten Keilriemen nicht mehr zerstören können. Anschließend kommt der neue Riemen an die Stelle des alten, mit dem Spanner wird er nun unter Spannung gesetzt und anschließend startet Jens den Motor. Es wird spannend. War die Reparatur erfolgreich? Können wir jetzt raus fahren? Der Motor kommt in sofort im ersten Startversuch in Gang.

Der kurze Film gibt die Antwort sehr deutlich, wir können nicht losfahren. Der Keilriemen ist einfach zu locker. Er lässt sich bei stehendem Motor eine Handbreit bewegen. Das ist zu viel.

Kommen wir einmal zum schmutzigen Geheimnis des Harald B. aus Aurich, von dem ich Sissi erworben habe. Er hat mir beim Verkauf des Bootes auch die vielen Ersatzteile gezeigt, die er noch an Bord hat. Von Luft-, Öl- und Dieselfilter über Bilgepumpe bis hin zu dem bewussten Keilriemen. Das Geheimnis ist, dass viele der „neuen“ Ersatzteile gar nicht neu sind, sondern ihr Leben schon hinter sich gelassen haben. Warum hat er das gemacht? Natürlich darf ich die Schuld nicht einzig und allein auf Harald schieben, ich habe nicht in die Herstellerverpackungen hineingesehen. Meine Unterlassung.

Hinsichtlich der gebrauchten Ersatzteile besteht inzwischen keine Gefahr mehr, denn wir haben sie bis zum heutigen Tag alle verbraucht. Die „neue“ elektrische Bilgepumpe hat nach ihrem Einbau sofort den Dienst mit Rauchzeichen quittiert. Dank Charly von der Chapo konnte ich im vergangenen Jahr schnell eine weitere Pumpe bekommen, die jetzt auch zuverlässig ihren Dienst verrichtet. Der „neue“ Luftfilter für den Motor war zwar schon gebraucht, sah aber besser aus als der, der seinen Dienst von Holland bis Aruba verrichtet hat. Barbara wird uns aus Deutschland noch einen mitbringen, denn in Aruba war ich bislang vergeblich auf der Suche. Der „neue“ Keilriemen kommt gleich in die Tonne. Ich bin zuversichtlich, in Aruba zwei Exemplare kaufen zu können, Soraida kennt alle Autoteile-Händler. Ansonsten müssen wir auf Barbara warten. Die „neue“ Ankerlaterne hat beim ersten Ausprobieren einen knallenden Kurzschluss verursacht und flog in den Müll. Der „neue“ Impeller war porös und die Flügel ließen sich leicht abbrechen.

Frohe Ostern!

Ich verbringe den Tag mit Soraida im Cockpit. Wir genießen die Snacks, die sie mitgebracht hat. Im Lauf der Zeit vergeht mein Zorn auf mich selbst. Auch wenn Ostern in Deutschland beinahe schon vorbei ist – frohe Ostern aus der Karibik!