Ein Jahr Aruba

Heute vor einem Jahr sind wir in Aruba erstmals angekommen. Seit drei Wochen wollen wir Aruba verlassen. Es ist wie verhext.

Aruba im März 2020 vor dem Lockdown.

Jens bringt heute den Windsensor an die Mastspitze. Beim Test der Instrumente stellen sich alle tot. Die Sicherung ist geschmolzen. Nach dem Austausch läuft der Datenbus wieder (NMEA 2000), liefert aber nur Strom und keine Daten. Wenn ich den Windmesser abklemme ist alles normal.

Also ist entweder der Sensor defekt oder nicht richtig angeschlossen. Oder das Kabel im Mast wurde beim Abnehmen desselben beschädigt. Das müssen wir jetzt herausfinden.

Wir sind auf dem Sprung, wollen endlich weiter. Doch Aruba klebt.

Positiv: Gestern hat die Zahnärztin meinen Zahn repariert. Für unter 200€ habe ich die Untersuchung, ein Röntgenbild und die Reparatur bekommen. Wenn ich da an die Preise in Deutschland denke… Gehen kann ich auch schon wieder. Langsam aber schmerzfrei.

Was ist vor der Abfahrt noch zu tun? Nicht viel. Windsensor reparieren. Segel anschlagen. Vorräte auffüllen. Abfahren.

Der erste Punkt kann fatal sein. Im schlimmsten Fall muss der Mast noch einmal runter. Ärgerlich, langwierig und teuer.

Negativ: In dem Datenkabel ist ein Kurzschluss. Um das Kabel zu ersetzen, muss der Mast noch einmal runter. Das machen wir aber nicht mehr in Aruba.

Wir werden ab sofort die Windstärke über den Ladestrom des Windgenerators ermitteln.

Runter und rauf

Wir schreiben den 1. März, es ist ein Montag. Am späten Vormittag haben wir immer noch keine Nachricht von der Marina Varadero, wo wir den Mast legen wollen. Also planen wir einen Besuch bei den Eseln ein. Ich wechsle einige Textnachrichten mit meiner Lieblingsbusfahrerin Shoraia. Natürlich möchte ich mich von ihr ins Donkey Sanctuary fahren lassen.

Kaum weiß ich ihre nächste Abfahrtszeit gibt mein Telefon wieder einmal das Geräusch einer eingehenden Nachricht von sich. Judith von der Marina Varadero meldet sich und kündigt den Krantermin für 8 Uhr am kommenden Morgen an. Das passt mir überhaupt nicht. Entweder müssen wir um 7 Uhr losfahren, damit wir rechtzeitig dort sind, oder wir fahren heute noch nach Varadero, verbringen die Nacht in der Einöde und sind dafür aber rechtzeitig vor Ort. Schweren Herzens sage ich die Busfahrt ab.

Das war vollkommen blinder Aktionismus. Kurze Zeit später kommt der endgültige Krantermin für 13:30 Uhr. Das gibt uns Zeit für den Besuch bei den Eseln, das Abnehmen des Baums und eine gemütliche Überfahrt am Dienstagmittag. Shoraia dreht mit ihrem Bus noch eine Runde, dann sitzen wir bei ihr und lassen uns kutschieren.

Ein Foto an der Wand. Das bleibt von Sweety.

Sweety ist nicht mehr da. Der süße, plüschige, weiche, verschmuste Sweety fehlt mir. Er lebt jetzt in einem Stall in Holland.

Dafür kommen Swa und Socks von ihrem Dach wieder herunter. Die beiden konnten sich nie mit Sweety arrangieren.

Swa ist wieder auf dem Tresen

Socks hat ein riesiges Streicheldefizit. Eine Stunde lang wechseln Jens und ich uns ab. Wir streicheln den ebenfalls kuschelweichen Kater fachgerecht durch, bis ihm am Ende die Puste ausgeht und er sich schlafen legen muss.

Socks fühlt sich wohl.

Die kleine Tiger wird immer größer. Sie verliert inzwischen ihr Babyfell und die kurzen Haare einer großen Eselin kommen zum Vorschein. Außerdem ist sie total zutraulich geworden. Man kann sie streicheln wie eine Katze.

Tiger

Wir verbringen einen total entspannten Nachmittag bei den Eseln und wissen, dass wir am folgenden Tag tierisch arbeiten müssen. Die Vereinbarung mit der Marina sieht vor, dass wir den Kran zweimal für bis zu vier Stunden haben. Einmal kommt er, um den Mast abzunehmen und einmal, um ihn wieder an Ort und Stelle zu bringen.

Sissi – mal wieder in Varadero

Wir verlassen Oranjestad gegen 11 Uhr und sind nach einer knappen halben Stunde in der Slipanlage in Varadero. Dort darf meine Kreditkarte erst einmal bluten, die Hälfte der veranschlagten Summe ist sofort fällig. Für arubanische Verhältnisse pünktlich kommt der Kran um 13:35 Uhr am Boot an. Der Kranfahrer ist entspannt und macht diesen Job nicht zum ersten Mal.

Der Kran ist aufgebaut

Wenn ich arbeite kann ich nicht fotografieren. Wenn ich fotografiere, arbeite ich nicht. Also gibt es keine Fotos davon, wie wir den Mast abnehmen. Es gibt keine Fotos vom Mast, der am Haken hängt. Warum? Weil ich während der Zeit den Mastfuß in den Händen hatte und Jens das Vorstag getragen hat. Deswegen konnte auch er keine Bilder machen.

Die Umlenkrollen

Nach einer guten halben Stunde liegt der Mast auf dem Boden und der Kranfahrer macht sich daran, seinen Kran wieder abzubauen. Da ich den Kran aber für bis zu vier Stunden bezahlen muss und sich dieser Preis nicht ändert, bitte ich den Fahrer, noch ein paar Minuten bei uns zu bleiben. Wir müssen feststellen, ob sich das Problem in 10 Minuten oder in 10 Tagen beheben lässt. Brauchen wir ein Ersatzteil? Muss ein Ersatzteil womöglich aus Europa eingeflogen werden?

Achse

Es stellt sich jedoch heraus, dass die Achse, auf der die beiden Umlenkrollen sitzen, sich lediglich in ihrer Position verschoben hat. An beiden Enden gehören Sicherungssplinte hinein, von denen einer gebrochen ist. Dadurch konnte sich die Achse verschieben und aus ihrer Position verrutschen. Ich ersetze die beiden Splinte durch kräftigere. Dann bringen wir alles wieder an Ort und Stelle, verschließen die Mastspitze wieder und sind froh, dass der Kran noch da ist.

Der Kranfahrer murmelt irgendwas in seinen nicht vorhandenen Bart, dass es für ihn das erste Mal ist, am selben Tag den Mast zu legen und wieder zu stellen, hat aber noch genug Zeitreserven auf seiner Uhr. Insgesamt brauchen wir dreieinhalb Stunden für den Spaß. Abnehmen, reparieren, stellen. Yess. Das spart uns etwa 800 Dollar.

Der Mast muss runter

Wir warten auf Nachrichten. Der einzige Rigger in Aruba meldet sich am späten Vormittag. Er kann uns nicht helfen, so lange der Mast steht. Also muss der Mast runter. Jens nimmt die Mastleiter ab, bringt gleich den Windmesser mit und macht noch ein Foto von den blockierten Umlenkrollen.

Blockierte Umlenkrollen an der Mastspitze

Wir müssen die Segel runter nehmen, alle beide. Das Großsegel ist schnell runter geholt, wir legen es nach einer knappen halben Stunde fein säuberlich zusammengelegt in die Vorschiffskoje. Die Genua wehrt sich zunächst. Wir können sie nicht ausrollen, weil unsere tolle Reffwinsch mal wieder blockiert ist. Ich nehme sie auseinander. Alle Teile sind irgendwie fest miteinander zusammen gebacken. Es ist mir schleierhaft, wie ich diese Winsch jemals wieder gängig machen kann. Zum Glück ist direkt daneben eine weitere Winsch, die wir statt dessen benutzen werden.

Genua Reffwinsch. Die innere Scheibe sollte sich eigentlich drehen lassen. Sie ist fest mit dem äußeren Ring, der Bremse, zusammen gebacken.

Wir nehmen die Reffleine von der Seiltrommel und können die Genua in einem Windstillen Augenblick ausrollen. Dann weigert sie sich, nach unten zu kommen. Dann setzt der Wind wieder ein. Dann fällt uns das Segel fast ins Wasser. Wir kämpfen ein paar Minuten, dann endlich haben wir das Tuch auf dem Vordeck liegen. Wir sind nass geschwitzt.

Geschafft. Die Genua ist unten.

Den Baum werden wir später ab, wir brauchen ihn noch, damit er unser Sonnensegel hält. Außerdem muss ich die Stromkabel abmachen, die die einzelnen Lampen versorgen.

Wenn der Mast dann später am Kran hängt, werden alle Wanten, Vorstag und Achterstag abgemacht. Jetzt endlich kann der Kran den Mast auf den Boden legen. Nach der Reparatur läuft alles in umgekehrter Reihenfolge ab und wir sind wieder segelklar. So weit der Plan. So weit sind wir aber noch nicht.

Hard Grooves Jazz Bar

Wir belohnen uns für die harte Arbeit mit einem Besuch der Hard Grooves Jazz Bar. Nicht dass wir auf den Jazz stehen würden, der aus dem Inneren ertönt. Es ist das Abendessen, das uns hierher treibt. Ich hoffe, das Bild erzeugt in Deutschland nicht zu viel Neid. Dass das Essen gut ist, meinen auch die Katzen, die eigentlich zum benachbarten Restaurant gehören, sehr streichelbar sind und mit stummen, bohrenden Blicken die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich ziehen möchten.

Stumm bettelnd

Nun warten wir auf Nachrichten von der Marina Varadero. Die müssen einen Autokran organisieren. Wenn das geklärt ist, werden wir Sissi dorthin verlegen. So lange müssen wir uns die Zeit vertreiben.

Richtig glücklich bin ich nicht.