Die Bilge

Vorgestern haben wir Sissi seeklar gemacht. Vorgestern habe ich die Marinarechnung bezahlt. Vorgestern haben wir die Sonnenschutzplane verpackt und beim Zoll ausklariert. Wir haben Martinique offiziell verlassen.

Kurz vor der Abfahrt habe ich noch die Bilge kontrolliert. Dort waren ca. 25 Liter Wasser drin, die da nicht hinein gehören. Wer nicht weiß, das die Bilge ist, kann das bei Wikipedia nachlesen. Wir wollten nach Kuba fahren. Wir wollten aber nicht nach Kuba fahren mit einem Schiff, in dem sich ungeklärt Wasser sammelt.

Das Wochenende haben wir damit verbracht, die Stelle zu suchen, an der das Boot undicht ist. Es gibt viele Löcher im Schiff, durch die theoretisch und auch praktisch Wasser eindringen kann. Diese Borddurchbrüche für etwa das Motorkühlwasser, das Echolot, den Abfluss der Spüle oder der Toilette mussten alle untersucht werden. Dort kommt kein Wasser rein.

Das ganze Wochenende war die Bilge dann aber trocken. Es dringt also kein Wasser von unten ein. Dann hätte der Pegel steigen müssen.

Es hat das ganze Wochenende nicht geregnet. Wir haben Sissi mit dem Wasserschlauch total abgespritzt in der Hoffnung, dass wir irgendwo eindringendes Wasser finden können. Fehlanzeige. Hier dringt kein Wasser ein.

Heute habe ich ausklariert, die Marinarechnung bezahlt und wir haben Sissi seeklar gemacht. Wir fahren heute, auch wenn wir die Ursache für das Wasser in der Bilge noch nicht gefunden haben. Heute hat es wieder geregnet. Heute war wieder Wasser in der Bilge. Wir finden aber nirgendwo eine Spur, wie es dorthin gelangt ist. Ein großes Rätsel. Wir beobachten das.

Leider reicht der Wind nun nicht mehr für einen direkten Schlag nach Kuba. Also haben wir uns ein interessantes Ausweichziel ausgesucht. Wir werden vier bis fünf Tage unterwegs sein. Und vielleicht finden wir unterwegs die Ursache für das Wasser in der Bilge.

Opfer

Seit einigen Tagen liegen wir bequem in der Rodney Bay Marina. Das tut echt gut, wir haben Zugang zu Landduschen, Supermärkten und der Bushaltestelle. Nachher werden wir mit einem Mietauto die Insel erkunden. So weit, so gut.

Leider trifft die alte Langfahrer-Regel wieder zu. “Das Boot an den schönsten Plätzen der Welt reparieren.” Ein Taucher hat das Schiff von unten geputzt, solche Dienstleistungen sind hier echt bezahlbar. Obwohl… aber sie sind bequem.

Man sollte sich nur vorher mit dem Dienstleister über die Währung einig werden. Dollar sind nicht gleich Dollar. Ich bin der Meinung, der Preis wäre in XCD (Ostkaribischen Dollar) genannt worden, der Taucher will aber USD (US Dollar) haben. Die USD haben aber den dreifachen Wert… Wir sind uns dann noch einmal einig geworden.

Als der Taucher wieder an die Oberfläche kommt und zu mir sagt, dass die Opferanode getauscht werden muss, kann ich das erst einmal gar nicht glauben. Möchte mich der Kerl etwa bescheißen? Will er sich einen weiteren Auftrag an Land ziehen?

Opferanode am Propeller

Ich drücke ihm die GoPro in die Hand und lasse ihn ein Foto machen. Das will ich mir selbst ansehen. Immerhin ist die Anode kein Jahr alt und erst im letzten Winterlager getauscht worden. Das Bild sagt jedoch, dass die Anode definitiv fällig ist.

In der örtlichen Chandlery gibt es alles. Die ist gut sortiert und hat ein großes Sortiment. Die Preise sehen gut aus, bis ich an der Kasse erfahre, dass alles in USD ausgezeichnet ist. Pffft. 25€ für eine Opferanode. Ich kaufe vier. Immerhin gibt es die hier und unser Verschleiß ist hoch. Und das alles ist duty free, wenn ich das Schiff dort registriere. Ich registriere. Und kaufe. Die Kreditkarte opfert sich an der Kasse.

Sie hat sich geopfert für unseren Propeller

Die Wäsche kommt in die Wäscherei. Die leere Gasflasche auch. Dort wird sie allerdings gefüllt und nicht gewaschen. Der Watermaker bekommt eine Wartung. Unser Parasailor ist beim Segelmacher. Das Boot wird gereinigt. Alles wird entsalzen, wir haben einen Wasserschlauch. Schrauben werden nachgezogen. Irgendwann wird die Hitze zu groß. Wir haben genug Opfer gebracht und verholen unsere glühenden Körper in den Schatten. Morgen ist auch noch ein Tag.

Hinweis: Wenn du mit deinem Boot mal in der Rodney Bay Marina bist und einen Taucher brauchst bzw. haben willst, schaue nach den freiberuflichen Tauchern. Die kommen hier quasi als registrierte Tagelöhner in die Marina. Es gibt auch bei den Vercharterern fest angestellte Taucher, die Aufträge von Privatleuten nebenher übernehmen. Das wiederum kostet den Freiberuflern Einnahmen und wird als unfreundlich empfunden. Ich habe diesen Fehler leider gemacht. Und bei den Preisverhandlungen musst du unbedingt wissen, in welcher Währung man spricht.

Gold, Platin und viel Arbeit

Auf dem Weg nach Mindelo ist uns das Spifall gebrochen. Mitten in der Nacht. Wir haben uns dann eineinhalb Stunden damit beschäftigt, den Parasailor wieder aus dem Wasser zu bekommen.

Am nächsten Morgen sah ich eine weitere Bescherung, die uns diese Aktion eingebracht hat:

Unterwant, Steuerbord achtern. Leicht defekt.

Auf der Steuerbordseite an der achteren Unterwant waren zwei Drähte gebrochen. Das war nicht gut, gar nicht gut. Damit kann man nicht weiterfahren, jedenfalls nicht mit gutem Gewissen. Ich habe weder Jens noch Jakob etwas davon erzählt, es reicht, wenn ich nicht gut schlafen kann. Komischerweise ist es keinem der beiden aufgefallen. Das hat in der Nacht wirklich einen großen Knall gegeben.

Für mich war in der Situation klar, dass wir auf die Kapverden müssen. In Mindelo gibt es die einzige Firma im Umkreis von 800 Meilen, die neue Wanten herstellen kann. Sie heißt boatCV und hat ihren Sitz praktischerweise direkt in der Marina.

Ein neues Spifall war schnell gekauft. Sie hatten das entsprechende Seil zunächst nicht in der richtigen Länge vorrätig. Da klingelten bei mir innerlich schon die Alarmglocken, aber die Dame am Tresen meinte, dass in einer Stunde eine neue Rolle Seil da wäre. So war es dann auch. Das neue Spifall wurde abgemessen und abgerechnet. Wir haben es mit Hilfe einer Angelschnur problemlos in den Mast einziehen können.

Spifall mit Goldfäden

Aufgrund der verbesserten Haltbarkeit und Reißfestigkeit werden auf den Kapverden in die Fallen dicke Goldfäden eingewoben. Aus 24-karätigem Gold. Das muss man dann als Segler mitbezahlen. Wenn man die vergoldeten Seile nicht möchte, kann man es ja 2000 Meilen weiter in der Karibik noch einmal probieren.

Die Unterwanten bestehen zu 25% aus reinem Platin. Auch das dient der Verbesserung der Stabilität. Der Mann im Bootsladen wollte mir zuerst erklären, dass er vor dem 15. Januar keine Zeit für uns und die Unterwanten hat. Als ich ihm jedoch sagte, dass wir die alten Wanten selbst abmachen und die neuen auch selbst montieren, war er auf eine Stunde herunter zu handeln. Er kam dann am Morgen vorbei, holte die kaputte Want ab und brachte zwei Stunden später schon die beiden neuen. Man muss ja immer beide Seiten tauschen, auch wenn nur eine Seite kaputt ist.

Hoffentlich kommen jetzt keine Piraten, die das Edelmetall von Sissi wieder herunterrupfen wollen. Der ganze Spaß hat zusammen 100.000$ gekostet.

Blick von oben auf Sissi. Man sieht auf dem Steg eine Unterwant liegen.

Als die Mastleiter hochgezogen war, ist Jakob ganz nach oben geklettert und hat ein paar Bilder gemacht. So sieht Sissi von oben aus.