Quarantäne und Ausgangssperre

Die Chapo ist in Quarantäne. Oder auch nicht. Bei der Einreise haben sie von den Offiziellen nichts über eine Quarantäne gehört, nur die Mitarbeiterin eines Sicherheitsdienstes sprach von zwei Wochen. Es kommt niemand beim Schiff vorbei um etwa die Temperatur zu messen oder die Anwesenheit zu kontrollieren. Aber irgendwie wissen wir nicht Bescheid. Von den Offiziellen ist bisher niemand zu erreichen. Das ist alles etwas unverständlich, haben sie doch drei Wochen Quarantäne auf See hinter sich.

Es ist alles in allem erträglich. Die Regeln sind “keiner verlässt das Boot” und “keiner geht auf das Boot”. Also helfen wir etwas beim Einkaufen oder dem Transport der Schmutzwäsche zur Wäscherei. Wenn es dunkel ist, gehen sie heimlich duschen.

Brotteig rühren in Quarantäne

Jutta fragt mich, ob ich ihr zeigen kann, wie wir unseren Brotteig machen. Ich darf mich auf dem Steg neben die Chapo setzen. Jutta setzt sich neben mich und so rühren wir gemeinsam einen neuen Brotteig.

Das Backergebnis ist am Ende sehr lecker und wird von allen gelobt. Jetzt hat Jutta ein Problem weniger, denn sie weiß nun, wo sie gutes Brot bekommt.

Jens telefoniert nach Hause

Jens entdeckt Google Duo und telefoniert nach Hause. Das Produkt ermöglicht Videotelefonate mit bis zu acht Teilnehmern und läuft sogar im Marina-WLAN sehr stabil. Ich glaube, ich werde mir das auch installieren. Jens verabredet sich mit seinen Freunden zu einem virtuellen Stammtisch. Eine schöne Idee.

Dann muss ich nur noch Leute in Deutschland finden, mit denen ich mich darüber unterhalten kann. Inzwischen kann ich mich vor lauter Messengern und Telefonieprogrammen auf meinem Smartphone kaum noch retten.

Pizza

Zum Abendessen gibt es Pizza. Ein tolles Gericht. Es dauert ewig, bis der Teig gegangen ist. Es dauert ewig, bis alle Zutaten geschnibbelt sind. Es dauert ewig, bis endlich die erste Pizza aus dem Ofen kommt. Und dann dauert es wieder ewig, bis die zweite Pizza fertig geworden ist. Der Backofen ist leider so klein, dass zwei Personen so ein Backblech in fünf Minuten leer fressen. Und dann dauert es ewig, die ganze Sauerei hinterher wieder wegzuputzen. Lecker ist es sowieso.

Hotel bei Ausgangssperre

Seit ein paar Tagen gilt auf Aruba eine nächtliche Ausgangssperre. Alle Läden, Restaurants und Bars müssen um 20 Uhr schließen, ab 21 Uhr bis um 6 Uhr morgens darf niemand mehr auf die Straße. Das kontrolliert die Polizei auch gründlich, Strafen bis zu 10000 Florin (1 US$ = 1,75 Florin) oder Gefängnis drohen.

Etwas subversiv sind sie also, meine Fotos, die während des genannten Zeitraums entstanden sind.

Hauptstraße

Ich bin nur ein paar Meter vom Hotelgelände heruntergegangen. Und es war niemand da, der mich gesehen hat. Surreal ist wohl das richtige Wort.

Dem Mann auf dem Foto ist es offenbar sehr wichtig, noch einmal im Internet zu surfen. An der Stelle gibt es nämlich kostenloses Wlan. Die Strafe, die er riskiert, ist für hiesige Verhältnisse sehr, sehr hoch.

Apfelwein auf Aruba!

Heute ist ein Freudentag. Gestern kam die Chapo nach Oranjestad und es war ein Freudentag. Heute ist schon wieder ein Freudentag! Und heute geschah das Ende einer langen Geschichte.

Die Geschichte beginnt in Frankfurt. Vor fast einem halben Jahr fragte mich Stefan, ein ehemaliger Arbeitskollege, ob er uns nicht mit einer Lieferung aus der Heimat unterstützen kann. Ich habe mich darüber sehr gefreut und bat ihn um den Versand einer Palette Apfelwein. Zu diesem Zeitpunkt sind wir in Portugal gewesen und haben alle möglichen Getränke probiert, die aus Äpfeln hergestellt werden. Keines davon war nur ansatzweise vergleichbar mit einem echten, leckeren Apfelwein.

Charly übergibt den Apfelwein an mich

Als wir wieder eine gesicherte Versandadresse hatten, weil wir auf unser neues Segel gewartet haben, hat Stefan das Paket mit unserem Lieblings-Paketdienst auf den Weg geschickt. Derweil hat sich in Stade der Segelmacher an seine Nähmaschine gesetzt und eine frische Genua für uns genäht. Die Genua wurde verpackt und in unsere Marina gesendet. Irgendwann konnten wir sie in den Händen halten. In der Zwischenzeit musste DHL lediglich eine Palette Apfelwein nach Lanzarote bringen.

Wir waren dann soweit, dass wir Lanzarote verlassen haben. Leider war der Apfelwein noch nicht da, laut Tracking hat er es sich in dieser Zeit in verschiedenen schönen Lagerhallen in Spanien bequem gemacht. Jutta und Charly von der Chapo haben sich bedankenswerterweise bereit erklärt, den Apfelwein für uns abzuholen, falls er irgendwann in der Marina eintrifft, und über den Atlantik zu segeln.

Vierundzwanzig neue Freunde!

Charly konnte den Schoppen gleich am folgenden Tag im Marinabüro abholen. Wie es der Herr Murphy so wollte, kam der Äppler gleich am Tag nach unserer Abfahrt in der Marina Rubicon an. Der Äppler verschwand in den Tiefen des Ankerkastens der Chapo.

Während wir uns schon in der Karibik vergnügten, war die Chapo immer noch auf den Kanaren. Innerlich hatten wir den Äppler schon abgeschrieben, denn wir fuhren von Barbados nach St. Lucia, die Chapos von Las Palmas nach Mindelo. Sie waren tausende von Meilen hinter uns zurück. Den Karneval verbrachten Jens und ich auf Martinique. Unser Apfelwein überlebte den Karneval in Mindelo. Es ist vielleicht auch besser, transozeanische Apfelweintransporte mit Hilfe von Bayern oder Franken durchzuführen, der Apfelwein überlebt dann leichter die lange Überfahrt.

Die Chapo verließ Mindelo, wir irgendwann Martinique. Wir bummelten in Richtung Bonaire, der Insel mit den tollen Korallen unter Wasser. Unser Apfelwein war in guten Händen.

Jetzt ist wieder Apfelwein an Bord!

Dann kam die Seuche. Es wurde immer klarer, dass die Chapo nicht ihrem ursprünglichen Plan folgen könnte, ihre Anhalter auf Barbados rauszulassen und sich dann mit uns in Jamaica zu treffen. Das war nämlich Gegenstand unserer Verabredung. Wir hätten uns bei plangemäßer Fortsetzung unserer Reise auf Jamaica mit großer Wahrscheinlichkeit verfehlt.

Grenzen wurden geschlossen und Segler hatten und haben damit große Probleme. Wo einreisen, wenn das Boot in einem Hafen außerhalb der Hurrikanzone liegen soll. Welches Land nimmt noch Segelboote an. Ich witterte die Gunst der Stunde (sagen böse Zungen) und wir konnten mit Hilfe von Frau Rodrigues (Honorarkonsulin) eine Einreiseerlaubnis für die Chapo über die ansonsten geschlossene Grenze bewirken. Im Vordergrund unserer Hilfe stand selbstverständlich nur der Apfelwein. Es lag überhaupt nicht daran, dass wir innerhalb des letzten Dreivierteljahres eine gemeinsame Freundschaft entwickelt haben.

Keine Quarantäne für den Äppler. Willkommen an Bord!

Danke Stefan, dass du den Apfelwein auf die lange Reise geschickt hast. Danke Jutta und Charly dafür, dass ihr ihn auf eurer Odyssee nicht ausgetrunken habt. Danke Frau Rodriguez, dass der Äppler einreisen durfte. Zwei Dosen stehen jetzt im Kühlschrank. Wir trinken nachher auf euch alle!

24 Stunden auf Adrenalin

Wir schreiben den 21. März 2020. Es ist früher Nachmittag. Wir bekommen eine Nachricht von der Chapo, dass sie sich quasi im Landeanflug auf Aruba befindet und irgendwann in der Nacht eintreffen wird. Klasse, denke ich mir, in der Nacht zum Sonntag wird die Einreise garantiert nicht leichter. Die Sonne geht langsam unter.

Abendstimmung in Oranjestad

Wir rechnen mit einer Ankunft irgendwann zwischen Mitternacht und drei Uhr in der Früh und schalten den Funk an. Nach ein paar Stunden können wir hören, wie die Küstenwache ein unbekanntes Segelboot anspricht. Eine Antwort können wir zunächst nicht vernehmen, aber das unbekannte Segelboot kann nur die Chapo sein. Der Puls geht nach oben. Adrenalin macht sich breit.

Am 22. März um 0:30 Uhr klingelt mein Telefon. Charly ist am anderen Ende von der Leitung. Sie sind vor der Hafeneinfahrt von Barcadera, dem Einklarierungshafen, doch zwischen ihnen und dem Steg ist ein Boot der Grenzpolizei. Ich versuche sofort, den Kontakt zur Honorarkonsulin zu aktivieren, die bei den Behörden dafür gesorgt hat, dass die Chapo einreisen kann. Nur leider weiß die Nachtschicht auf dem Polizeiboot nichts davon. Während ich noch versuche zu telefonieren, wird die Chapo der arubanischen Territorialgewässer verwiesen. Sie sollen am nächsten Morgen noch einmal wieder kommen, wenn Zoll und Einwanderungsbehörde geöffnet haben. Ich gehe wieder ins Bett, an einen guten Schlaf ist nicht zu denken. Unsere Freunde sind seit dem 27. Februar auf dem Atlantik, sie müssen jetzt langsam mal in einen Hafen.

Geweckt werde ich am Morgen um halb Neun. Die Honorarkonsulin, Frau Rodriguez, ruft zurück. Sie entschuldigt sich dafür, dass sie schon im Bett war. Im Hintergrund ist ein plärrendes Kind zu hören.

Frau Rodriguez versorgt mich mit Telefonnummern, die die Chapo an die Grenzpolizei weitergeben kann. In den nächsten zwei Stunden klärt sich langsam, dass dieses Boot die Grenze übertreten und einreisen darf. Wir sehen der Küstenwache zu, wie ein Schnellboot zu Wasser gelassen wird. Es verschwindet mit hoher Geschwindigkeit in Richtung der letzten und bekannten Position der Chapo.

Frau Rodriguez möchte von mir die Ausweisnummern der Ankommenden haben. Jutta schickt sie mir per SMS. Das reicht aber nicht, jetzt sollen noch Fotos der Ausweise dazu. Das können die Chapos nicht liefern, das Datenvolumen reicht nicht aus. Deutsche Handyverträge sind ein Graus. Irgendwie muss es ohne gehen, Frau Rodriguez versteht das und kümmert sich.

Mein Telefon klingelt wieder, am anderen Ende der Leitung ist der Secretary of Foreign Affairs von Aruba. Ich darf noch einmal die ganze Geschichte vom Start auf den Kapverden bis zur Ankunft auf Aruba erzählen. Zwei dänische Anhalter haben wohl außerdem über Kopenhagen die hiesige Diplomatie verrückt gemacht, konnten aber nicht viel bewirken. Ich werde ausgefragt über die Pläne. Die Dänen haben noch für den 22. März einen Rückflug nach Amsterdam gebucht. Die Deutschen wollen in den Hafen und dort die Hurrikansaison verbringen. So weit, so klar.

Es ist 12:30 Uhr. Ich bekomme von der Chapo die Nachricht, dass sie nun von der Küstenwache in den Einklarierungshafen Barcadera eskortiert werden. Wir sind erleichtert. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern.

Die Prozedur beim Einklarieren ist anders als bei uns. Diesmal wird bei den Einreisenden noch Fieber gemessen. Ansonsten dauert es auch nur eine gute Stunde, dann werden wir informiert, dass alles in Ordnung ist und dass sie nun nach Oranjestad rüberkommen. Die Dänen sind inzwischen mit dem Polizeitaxi in Richtung Flughafen unterwegs.

Chapo in der Einfahrt von Oranjestad

Jens und ich gehen an den Strand. Wir nehmen die Kameras mit und wollen die Anfahrt der Chapo fotografieren. Die Sonne lacht auf das Wasser, das in allen möglichen Blautönen leuchtet. Es ist alles wie gemalt.

Die Chapo fährt in den Hafen von Oranjestad ein

Wir feiern die Einfahrt in den Hafen um etwa 14 Uhr mit Rufen, Winken, Singen, Hüpfen und Tanzen. Die Stimmung ist ausgelassen. Charly touchiert beim Einparken erst einmal einen Holzpoller, der in Splittern wegfliegt. Das ist halt so, wenn man wochenlang nicht mehr am Steg festgemacht hat. Im zweiten Versuch können wir die Chapo dann an die Tankstelle lotsen und festmachen.

Ausgelassene Stimmung – it’s so wonderful!

Leider dürfen die drei nicht von Bord, sie haben noch Quarantäne. Wir hoffen, dass die bald aufgehoben wird. Wir dürfen auch nicht an Bord.

Also sitzen Jens und ich am Steg. Wir haben frisches Bier aus dem Kühlschrank der Sissi mitgebracht. Wir feiern die Ankunft. Hoffentlich wird die Quarantäne bald aufgehoben. Immerhin waren die drei schon seit Ende Februar unter sich.

Mit jedem Bier fällt Anspannung von Jutta, Ute und Charly ab. Wir hören laute Musik. Es kommen immer wieder Sicherheitsleute vorbei, denen das neue Segelboot im Hafen verdächtig vorkommt. Wir können das klären. Alles ist gut. Wir geben noch eine große Dose Gulasch an Bord, damit sie endlich mal wieder eine frisch gekochte Mahlzeit zu sich nehmen können.

Ausgelassene Stimmung

Nach dem Abendessen ist die Feier dann schnell vorbei. Alle drei Chapos sind müde. Sie haben sich ihren Schlaf jedenfalls verdient. Auch wir gehen früh ins Bett. Das Adrenalin ist nun verbraucht. Wir sind müde.

An dieser Stelle noch einmal den allerherzlichsten Dank an Frau Rodriguez. Sie hat sich richtig ins Zeug gelegt und mehr für die Chapo getan, als man eigentlich erwarten könnte.