Es ist weg

Wir haben es geschafft. Endlich liegen wir an der Mauer, wenn auch nur indirekt. Hier werden die Boote auf Anweisung des Hafenmeisters in Dreierreihe geparkt. Wir haben Glück und sind das mittlere Boot in der Reihe. Außen liegt ein Regattaboot mit Schweizer Flagge, das jedoch von amerikanischen Schweizern bewohnt wird. Das Boot wiegt nur vier Tonnen. Eigentlich hätten wir da ganz draußen dran gehen sollen, doch die alte Dame Sissi mit ihren 12 Tonnen ist etwas schwer für den Schweizer. Innen an der Mauer liegt ein Franzose, der sich unterwegs auch so einige Schäden am Boot eingefangen hat.

Die Mastleiter ist oben, das Achterstag unten.

Noch am selben Tag schläft der Wind ein. Das ist für uns die ideale Gelegenheit, die Mastleiter nach oben zu ziehen. Dank genauer Planung der einzelnen Arbeitsschritte muss Jens auch nur einmal an die Mastspitze klettern. Er hat die nötigen Werkzeuge dabei, wir können nach nur zwei Stunden das Achterstag an Bord zusammenrollen. Dann gehe ich zum Yacht Service und der Rigger nimmt mich sogar im Auto mit zu Sissi, um die gebrauchten Drahtseile abzuholen. Ich drücke ihm außerdem noch unsere leere Gasflasche in die Hand, denn sein Geschäft bietet auch den Wiederbefüll-Service an. Ich soll am nächsten Tag für eine Anzahlung vorbei kommen, doch als ich die Flasche abhole, ist leider noch kein Preis aus Portugal auf den Azoren angekommen.

Wandmalereien im Hafen

Überall im Hafen stoßen wir auf bemalte Wände. Der Mensch scheint das Bedürfnis zu haben, sich zu verewigen. Das betrifft offenbar insbesondere die Segler, die es über den weiten Ozean nach Horta geschafft haben.

Bodenmalereien auf dem Steg

Mehrere hundert wenn nicht gar tausend Bilder schmücken jede freie Stelle Beton. Mit einer Ausnahme. Es hat sich noch niemand getraut, die weißen Wände des Hafenmeistergebäudes anzumalen. Dabei ist dort der Untergrund schon vorbereitet. Ansonsten findet man die Bilder überall.

Hier wird gemalt.

Eigentlich hatte Jens vor, uns auch irgendwo ein Denkmal zu malen. Ich fand den Gedanken auch lustig. Wir machen aber nicht das, was alle machen, deswegen lassen wir es einfach sein. Wir werden Horta spurlos verlassen, die Erinnerung in unseren Köpfen wird bleiben.

Deutsches Boot mit Motorschaden wird hineingeschleppt

Wir haben auch kein Monopol auf Schäden am Boot. Dieser deutsche Segler wird vom Hafenmeister an die Kaimauer geschleppt, er hat offensichtlich einen Motorschaden. Ich wünsche ihm von Herzen, dass es für ihn nicht so lange dauert wie für mich in Guadeloupe.

C’est la vie mit frisch erneuertem Ruder

In der Trockenmarina finde ich die „C’est la vie“. Noch am Tag, an dem wir an die Mauer durften, sind mir ein paar Französinnen begegnet, die ich aus Guadeloupe kenne. Sie reisen mit der „C’est la vie“ und lagen in Pointe-à-Pitre für ein paar Tage längsseits an Sissi. Ins Auge sticht das frisch erneuerte Ruder. Das ist sowas wie der Supergau auf einem Boot, wenn das Ruder einen Schaden hat. Wenn ich die Französinnen noch einmal sehe, werde ich sie fragen, was ihnen zugestoßen ist.

An der Supermarktkasse

An der Supermarktkasse wird meine Geduld auf die Probe gestellt. Mit voller Absicht habe ich mich hinter der Segelcrew angestellt. Die kaufen zwar viel ein, müssen aber nur einmal bezahlen. Das ist besser, als in der Schlange hinter fünf Portugiesen zu warten, die zwar jeder nur wenig einkaufen, dafür aber jeder einzeln zahlen müssen. Das Zahlen dauert oft sehr lange. Gestern ist der Kunde, der vor mir kassiert wurde, erst einmal zum Geldautomaten gelaufen, hat dort Bargeld gezogen und dann an der Kasse gezahlt. Warum er den Einkauf nicht mit der Karte zahlen wollte, erschließt sich mir nicht. Vielleicht zahlt er aus Prinzip immer nur mit Bargeld. Die Kassiererin hat es gefreut, sie bekam eine bezahlte Pause. Die vier Franzosen vor mir treiben den Bezahlvorgang allerdings auf die Spitze. Sie erklären der Kassiererin, dass jeder von ihnen jeweils ein Viertel des Einkaufs zahlen möchte. Nun muss erst einmal die Chefin kommen, die Kasse entsprechend programmieren und dann tritt jedes Crewmitglied einzeln an, schiebt die Karte ins Lesegerät und zahlt sein Viertel. Toll.

Salamander

Dann ist da noch die Salamander. Der Besitzer ist wohl ein ARC-Teilnehmer aus vollster Überzeugung. Er hat es offenbar nötig, betreutes Segeln über den Atlantik zu machen. ARC-Flaggen aus den vergangenen fünf Jahren schmücken sein Boot. Dass er zu viel Geld hat und dass er jedes Jahr zweimal über den Atlantik fährt, kann er auf diese Weise an jedermann kommunizieren.

Ich weiß, dass es auch viele nette Menschen gibt, die an der ARC teilnehmen oder teilgenommen haben. Zum Beispiel meine Freunde von der Milena Bonatti, mit denen ich zusammen vor drei Jahren meinen 49. Geburtstag in Spanien gefeiert habe. Die sind eher aus Unsicherheit mitgefahren, nicht weil sie unbedingt das Geld ausgeben wollten. Nach zwei Atlantiküberquerungen sollte man als Segler aber so weit sein, dass man das auch alleine schafft. Das ist meine Meinung, dazu stehe ich, auch wenn ich die zweite Querung noch nicht abgeschlossen habe.

Warten auf den Liegeplatz

Wir sind ja daran gewöhnt, auf Ereignisse zu warten. Diesmal warten wir an unserem Ankerplatz darauf, einen Platz im Hafen zu bekommen. Den Hafenplatz brauchen wir, damit wir unser Achterstag entfernen können. Das würde zwar theoretisch auch mitten im Hafen gehen, doch der Rigger kommt nicht rausgefahren und Jens fühlt sich nicht wohl dabei, mitten im Hafen an die Mastspitze zu klettern.

Das Achterstag dröselt sich auf

Auf dem Weg von Guadeloupe nach Horta ist eines schönen Morgens am Achterstag zu sehen, dass es gewisse Verschleißerscheinungen aufweist. Mindestens einer der Drähte ist gebrochen. Das ist blöd, denn das Achterstag hält den Mast. Auf jeden Fall war auf der Fahrt dieser Defekt ein Grund, nicht so viele Segel zu setzen, wie wir es eigentlich hätten machen können. Während wir auf unseren Hafenplatz warten, haben wir die Gelegenheit, uns in Horta ein wenig umzusehen.

Touristen werden gewaschen und geschleudert

Mehrmals täglich kommt die Touristenschleuder an uns vorbeigefahren. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Die Touristen werden in Regenklamotten gesteckt, dann gibt das Boot Gas und geht mit ihnen in den Schleudergang. Also werden sie gewaschen und geschleudert.

Ufos landen auf der Nachbarinsel Pico

Beim Blick über die Marina fällt uns auf, dass auf der Nachbarinsel Pico ein Ufo landet. Warum auch nicht? Der Berg ist immerhin der höchste Berg Portugals, irgendwo müssen sie ja landen. Es sieht faszinierend aus.

Rua José Azevedo

Wenn es zum Reiseführer „Lonely Planet“ eine Alternative gibt, heißt diese wohl „Crowded Planet“. Es ist wohl irgendwie so, dass jeder Segler, der Horta besucht, irgendwann einmal oder mehrmals in Peters Cafe Sport zu einer Mahlzeit oder mehreren Getränken einkehrt. Bei unseren Spaziergängen fällt mir auf, dass Peter eine ganze Industrie ist. Entweder haben sie die Straße nach den ganzen Peter-Läden benannt oder Peter ist gar keine Person, sondern die Straße gibt den ganzen Läden den Namen. Da sich aber alle Läden irgendwie dasselbe Logo teilen, gehe ich davon aus, dass sie auch alle irgendwie zusammen gehören.

Blick die Peter-Straße entlang

Kommt man von der Marina die Peter-Straße entlang, schreitet man zunächst am Laden Base Peter Zee vorbei. Dort kann man die Touren mit dem Whale Watching Boot buchen. Das Boot ist gut beschäftigt und fährt jeden Tag ein bis zwei Touren.

Whale Watching Peter

Ich persönlich habe mich sehr an den Walen erfreuen können, die wir unterwegs auf unserer Reise gesehen haben. Auf keinen Fall würde ich mich in die oben gezeigte Touristenschleuder setzen, auch in dieses Boot würde ich nicht einsteigen. Woher wissen die eigentlich, wo sich die Wale befinden? Wir haben unsere Wale immer nur zufällig entdeckt. Eine Walgarantie gibt es sicherlich nicht.

Base Peter Zee

Ein Haus weiter ist Sala Peter. Gerade fällt mir nicht mehr ein, was sie dort verkaufen. Der Wal über der Tür zeigt deutlich, dass es der gleiche Konzern ist. Noch ein Stück weiter die Straße herunter ist dann das Flaggschiff der Peter-Läden:

Peter Cafe Sport

Peter Cafe Sport ist der Laden, der Seglertreffpunkt, der im Crowded Planet Reiseführer sicherlich beschrieben ist. Es ist schwer, hier am Abend einen Tisch zu bekommen. Reservierungen für zwei Personen nehmen sie überhaupt nicht an, da muss man schon mit einer größeren Gruppe kommen. Als ich diese Information beschafft habe, musste ich in das Restaurant hineingehen. Ein wohlbekannter Geruch hat sich mir um die Nase gelegt. Es riecht innen nach altem Frittenfett, als würde man einen britischen Pub betreten. Mir hat es den Magen fast nach außen gekehrt und für mich war klar, dass wir bei unserem Besuch auf jeden Fall im Außenbereich sitzen müssen.

Peter Souvenirladen

Der letzte Peter-Laden in der Reihe ist ein Souvenirladen, in dem es jede Menge Segelnippes zu kaufen gibt. Für Christine werde ich noch einen Kühlschrankmagneten kaufen, das habe ich bisher überall gemacht. Den besorge ich aber woanders, es gibt noch ein paar wenige Läden, auf denen nicht Peter drauf steht und kein Peter-Logo drauf ist.

Vulkan mit Ruderboot

Zurück an Bord sehen wir zu, wie ein Ruderboot seine Kreise um die ankernden Boote zieht. Sie hängen sich ordentlich in die Riemen. Wir machen uns fein für das Abendessen, schließlich sind wir mit der Crew der Cassie verabredet – bei Peter. Mein Steak ist einigermaßen okay, wenn auch nicht richtig warm. Das liegt nicht daran, dass wir draußen sitzen. Jens‘ Burger ist einigermaßen okay, aber nicht mit den Händen essbar. Er verteilt sich auf dem ganzen Teller. Vielen Dank an dieser Stelle an den Skipper der Cassie, denn er hat uns diesen Abend zum Essen eingeladen.

Am nächsten Tag besuche ich wieder einmal das Hafenmeisterbüro, um nach einem Liegeplatz zu fragen. Derweil wundere ich mich, was Jens da fotografiert. Klar, natürlich. Die Aliens, die mit ihren Ufos auf Pico gelandet sind, müssen auch einklarieren. Das geht natürlich nur in Horta, auf Pico hat der Zoll kein Büro.

Die Außerirdischen müssen auch einklarieren

Wimmelbild

Dieser Beitrag wird ein wenig länger, jetzt im Hafen dafür aber auch mit vielen, vielen Bildern und ein paar Videos. Und so möchte ich auch beginnen, ein wenig Nachlese unserer Reise von Guadeloupe nach Horta. Unterwegs hatten wir teilweise sehr viel Wind, ich habe ein kleines Video geschnitten, als es mit sechs bis sieben Windstärken geblasen hat. An jenem Tag fiel die Entscheidung, so schnell wie möglich Faial anzusteuern und sich dort vor dem aufziehenden Sturm zu verstecken.

Starkwind auf dem Atlantik. Warnung: Man kann vom Zusehen schon seekrank werden!

Das letzte Bild von unserer Reise war der Vulkan Ponta do Pico, mit 2351m Höhe der höchste Berg Portugals. Dementsprechend konnte ich ihn auch schon aus 30 Meilen Entfernung sehen. Kurz vor unserer Ankunft in Horta bin ich mal wieder in den zweifelhaften Genuss eines Sonnenaufgangs gekommen. Ich genieße normalerweise viel lieber die Sonnenuntergänge, dieser Sonnenaufgang jedoch war etwas ganz besonderes. Wir haben unsere Windwette gewonnen und sind auf Faial angekommen, bevor der große Ventilator seinen Betrieb aufgenommen hat.

Blick auf die Insel Faial im Morgengrauen

Jetzt haben wir es nicht mehr eilig, die Hafeneinfahrt ist nur noch zwei Meilen entfernt und wir wollen dann doch lieber bei Tageslicht einlaufen. Ein Kontaktversuch mit der Marina auf Kanal 10 scheitert, obwohl dieser Kanal im Hafenhandbuch steht. Etwas später kann ich den Hafen auf Kanal 16 erreichen und werde sofort auf Kanal 9 geschickt, da hat sich das Hafenhandbuch geirrt. Fakt ist: Der Hafen ist voll, wir bekommen keinen Platz und werden zum Ankern verdonnert.

Nur noch wenige Meter bis Horta

Letzten Endes ist das aber gar nicht schlimm. In einer geschützten Umgebung zu ankern kann in bestimmten Situationen sogar sicherer sein, als wenn man im Hafen festgemacht ist.

Nach 25 Tagen, 19 Stunden und 2831 Seemeilen Fahrt kommen wir in Horta an.

Es ist viel los im Hafen. Natürlich ist viel los. In der Nacht haben uns noch einige Segelboote überholt, die wollten alle nach Horta. Die Boote, die schon in Horta sind, bleiben angesichts der Wettervorhersage auch dort und hüten sich davor, in den Sturm zu fahren. Außerdem ist da noch die ARC Europe, eine sogenannte Rallye für „normale Segler“. ARC steht für Atlantic Rallye for Cruisers. Die Leute zahlen einen Haufen Geld dafür, dass sie die ARC-Flagge an ihrem Boot befestigen dürfen. Die normale ARC läuft im November von den Kanaren in die Karibik. Für die Teilnehmer ist ein Platz in der Marina reserviert. Die ARC-Europe geht im Mai von St. Martin über die Azoren nach Europa.

Ein ARC-Teilnehmer setzt seinen Anker neben Sissi. Man sieht die große Flagge an seinem Mast

Jens macht den Anker klar, ich drehe eine kleine Runde durch den Hafen und sehe Cassie, den Katamaran, mit dem wir uns seit Tagen Emails schreiben. In der Nähe ist noch ein freier Spot auf 10 Metern Wassertiefe. Eigentlich etwas viel, aber an der Tiefe des Hafenbeckens ist nun einmal nichts zu ändern. Ich hätte gerne flacheres Wasser zum Ankern, dann brauchen wir nicht so viel Kette geben. Egal, wir haben 70 Meter Kette an Bord, ein nicht unerheblicher Teil davon wird geworfen. So 30 bis 40 Meter lassen wir raus, mehr geht nicht aufgrund des Schwoikreises. Das ist der Bereich, in dem sich die Boote vor Anker drehen. Zum Glück drehen sich die Boote immer alle in dieselbe Richtung, man hat also etwas mehr Platz. Der Ankerplatz scheint gut geschützt, ich fahre den Anker trotzdem mit 2500 Umdrehungen im Rückwärtsgang ein. Dadurch gräbt er sich besser in den Grund und hält viel besser. Nicht jeder macht das… später dazu mehr.

Ankergetränk

Jens hat am Vortag noch zwei Dosen Apfelwein aus seiner atlantikfeuchten Kleidung hervorgezaubert, die in unserem perfekt funktionierenden Kühlschrank so kalt geworden sind, dass ich fast die Befürchtung habe, wir könnten Apfelweineis genießen. Es ist soooo lecker. Im Funk hören wir immer wieder andere Boote, dich noch nach Horta hineinkommen, die Marina nach einem Liegeplatz fragen und dann zum Ankern geschickt werden.

Es ist viel los, außerdem kommt Wind auf.

Plötzlich ist auch der Wind da. Es wird ungemütlich. Andererseits bietet das Szenario auch eine sehr, sehr gute Unterhaltung. Hafenkino in 3D, wir liegen mittendrin und sehen uns den Film an. Es ist wie ein Wimmelbild. Wir wissen gar nicht, wohin wir zuerst schauen sollen. Direkt neben uns liegt die Mona aus Dänemark. Irgendwo habe ich das Boot schon einmal gesehen, der Schiffsname ist mit roten Herzchen eingerahmt. Während wir den Apfelwein schlürfen, entfernt sich die Mona nach und nach langsam von uns. Offenbar hält ihr Anker nicht. Wir sind gespannt, wann der Skipper das merkt.

Die gelbe Spur ist von uns. Auf dem gelben Fleck bewegen wir uns hin und her. Die lila Spuren sind von den anderen Booten. Man sieht den Schwoikreis sehr gut.

Unsere direkten Nachbarn sind nun ein Boot aus Australien, die Confidence, und ein Boot aus der Schweiz, dessen Name so klein am Heck geschrieben ist, dass wir ihn nicht ablesen können. Die Confidence wiederum liegt in einer Reihe mit der Cassie. Die nächsten Stunden peilen wir immer wieder die Nachbarn. Unser Anker sitzt, deren Anker sitzen auch. Viele andere Boote müssen ihren Anker immer wieder neu setzen.

Dieser Anker hat nicht gehalten.

Der Nachbar aus der Schweiz hat ein Problem. Ein anderes Boot, dessen Anker nicht gehalten hat, ist an seiner Ankerkette entlang gerutscht. Jetzt müssen die beiden Ankerketten voneinander getrennt werden. In der Ferne sehen wir zwei Boote, die immer wieder gegeneinander schlagen. Die Crews haben wohl schon alle Fender herausgehängt, offenbar will aber keiner umparken und seinen Anker neu setzen.

Diese beiden Boote fahren immer wieder ineinander

Derweil holen wir uns holländisches Bier in grünen Dosen, das in Frankreich in einem chinesischen Supermarkt erworben wurde, aus unserem Kühlschrank. Richtig lecker ist es nicht, doch es ist irgendwie eine Art Bier. Wir können beide nicht einfach schlafen gehen, sondern müssen die Action um uns herum beobachten. Derweil nimmt der Wind immer mehr zu.

18,4 Ampere Windstrom. So viel haben wir selten, im Hafen sowieso nicht.

An der Kaimauer liegt das Frachtschiff „Dicle Deniz“, das bald ablegen soll. Der Hafenmeister fährt mit seinem Schlauchboot von Segler zu Segler, alle Boote in der Nähe müssen ihren Anker heben und umparken. Sonst kann das Frachtschiff nicht sicher aus dem Hafen fahren. So bekommen Jens und ich noch mehr zu sehen, denn die Zahl der freien Ankerplätze wird knapp und knapper. Der Wind nimmt immer noch zu. Wir nehmen uns noch ein paar grüne Dosen aus dem Kühlschrank. Warum kein ordentlicher Frühschoppen nach knapp 3000 Seemeilen? Nach dem Frühschoppen geht Jens ins Bett, ich halte Ankerwache.

Sturm im Hafen von Horta

Im Funk hören wir Mona, unseren ehemaligen dänischen Nachbarn. Die Marina wird um Hilfe gebeten, weil das Boot durch den Hafen driftet und der Motor nicht gestartet werden kann. Das ist eine blöde Situation, der Skipper tut uns leid. Mit einem Knall öffnet sich die Fock eines der ganz großen Segelboote und flattert im Sturm. Die Crew bekommt die Situation mit viel Mühe geklärt, die Fock ist hinüber.

Situation später am Tag. Man sieht schön, wie sich die Boote bewegen, wenn der Anker hält.

Auch bei uns deutet sich ein Problem an. Die Solarzellen drohen wegzufliegen. Eine Mutter hat sich gelöst und ist schwimmen gegangen, der zugehörige Bolzen kurze Zeit später ebenfalls. Ich greife nach Werkzeug und Ersatzbolzen, schraube wieder alles gut fest und wecke durch die Arbeiten Jens aus seinem Schönheitsschlaf. Er schaut kurz was ich mache, dann geht er wieder schlafen. Jetzt bin ich hin und hergerissen. Soll ich ihn nach der Reparatur wecken oder lieber selbst die Ankerwache weiter machen. Es ist noch eine Flasche Rotwein da, ein Chianti, den ich in Aruba erworben habe. Damit geht meine Ankerwache erst einmal weiter, obwohl ich mich schon gerne hingelegt hätte. Müde bin ich durchaus. Nach dem Wachwechsel am Abend um 21 Uhr schlafe ich gut.

Nach dem Sturm ist wieder Ruhe.

Am nächsten Tag gehe ich zum Hafenmeister, um uns anzumelden. Ich erfahre nebenbei, dass es im Hafen mit 49 kn geblasen hat. Das ist ein Haufen Wind. Mona konnte gerettet werden, es ist nirgendwo größerer Schaden entstanden. Ich habe Glück, hinter mir bildet sich eine Warteschlange. Eine deutsche Frau fragt mich, ob sie vor mich kann, sie hätte nur eine kurze Frage. Dann sitzt sie am Schreibtisch des Hafenmeisters und fragt, ob sie nicht einen Liegeplatz in der Marina bekommen kann. Was für eine blöde Kuh. Diese kurze Frage hat hier jeder.

Ein Regenbogen nach dem Sturm

Dann endlich sitze ich im Büro, das sich übrigens heftig in den Wellen bewegt. Einer der beiden Hafenmeister telefoniert mit einer ankommenden Jacht. „We don’t do reservations. Come in, call us on channel 9, we’ll see if we have space.“ Ich bewundere die beiden für ihre Freundlichkeit. Die Leute kommen alle rein und müssen sofort einen Liegeplatz haben. Was mir hier in Horta ganz besonders gut gefällt ist, dass die Teilnehmer der ARC hier genau so behandelt werden, wie alle normalen Segler auch. Dass obwohl jeder von ihnen ein paar tausend Euro Eintrittsgeld für den Atlantik bezahlt hat. Es ist mir jetzt klar, warum diese wunderschöne, junge Frau mit dem ARC-Orga-T-Shirt immer wieder von Teilnehmer zu Teilnehmer läuft und verspricht, sich um ihre Anliegen zu kümmern. Sie kann ihnen zwar keinen Platz am Steg herbeizaubern, sieht dabei aber bezaubernd aus.