Diesen Beitrag habe ich vorproduziert, damit während unserer Atlantiküberquerung noch das eine oder andere Bild erscheinen kann, welches nicht den langweiligen Ozean zeigt.
An der unteren Endhaltestelle befindet sich ein großer Busbahnhof, von wo aus sowohl Stadtbusse als auch Überlandbusse fahren. Ich beginne meinen Spaziergang entlang der Strecke.
Die Straßenbahn fährt von der Küste quer durch die Stadt, immer höher und höher. Die Steilheit der Gleise ist beeindruckend. Das obige Bild ist kurz vor der oberen Endstation „La Trinidad“ entstanden.
In der Innenstadt, kurz vor dem unteren Ende und nah bei unserer Marina, sind die beiden folgenden Aufnahmen entstanden.
Was mir sehr gut gefallen hat, ist die wirklich gut funktionierende Vorrangschaltung für die Züge an allen Ampeln. Wir haben nirgendwo warten müssen, statt dessen muss der Autoverkehr warten. So muss das sein. Aus Frankfurt kenne ich das anders da warten die Züge oft an den Ampeln, bis die Räder eckig werden.
Überall hat die Straßenbahn einen eigenen Gleiskörper. So ist sicher gestellt, dass sie nicht von falsch parkenden Autos blockiert wird.
Teilweise sind die Gleise einbetoniert, teilweise wurde schönes Rasengleis gelegt. Der Bau dieser Straßenbahn zeigt den Willen, ein leistungfähiges Verkehrsmittel für die Stadt Santa Cruz zu installieren. Ich finde es gut gelungen.
Immer weiter und immer höher klettert die Straßenbahn. Ich auch. Allerdings zu Fuß. Vor dieser Aufnahme musste ich mich durch einen Pulk Menschen durcharbeiten, die vor einer Art Ladenlokal standen. Zuerst dachte ich, das wäre eine der vielen Spielhöllen. Es war aber das lokale Arbeitsamt.
In der Dorada Brauerei wird das meiner Meinung nach leckerste Bier der Kanaren hergestellt. Ich bevorzuge das Dorada Especial.
Nach meinem Spaziergang auf die Hügel von Santa Cruz bin ich mit der Tram wieder zurück gefahren.
Der Innenraum der Fahrzeuge ist modern und hell gestaltet. An den Griffstangen gibt es dort, wo sich in anderen Städten die Haltewunschtasten befinden, jeweils zwei USB-Ladesteckdosen für Handys.
Schwarzfahren lohnt sich nie, schon gar nicht hier in Santa Cruz. Die Tarife sind geringfügig höher, als ich es aus Deutschland gewohnt bin.
Es gibt Tage, an denen ich etwas unnötige Anstrengung brauche. Eine masochistische Stimme in mir verlangt danach, dass mein Körper Schmerzen leidet. Muskelkater kann so schön sein. Montag ist unser Abfahrtstag, also plane ich für Sonntag einen Wandertag im Anaga Nationalpark. Es soll der Sonntag sein, denn die Busse dorthin fahren Wochentags am Vormittag nur um 05:30 ab, und so sehr möchte ich mich dann doch nicht quälen. Im Fahrplan steht, dass die Abfahrt an „Sabados“ um 07:30 ist. Immerhin zwei Stunden länger schlafen. Ich hätte mich schon lange um ein paar Spanisch Stunden bemühen sollen. Freitag Abend, vor dem Schlafengehen, schauen Jörg und ich nochmals in den Fahrplan, um eine Tour am Samstag zu planen. Andere Buslinien haben auch „Domingos“ als Tage im Fahrplan stehen. Scheiße! Sabados sind Samstage. Ich muss die Wanderung gleich morgen starten, denn Sonntags fährt dieser Bus gar nicht.
Um 06:00 klingelt mein Wecker. Ich packe eine Flasche Wasser und ein paar andere Dinge in meinen Rucksack und mache mich auf den Weg zum Intercambiador, der zentralen Busstation.
Brot ist leider aus. Ich kann mir ja unterwegs etwas kaufen. Denkste! Die Stadt ist zu dieser Zeit stockfinster. Keine Menschen auf der Straße und keine Geschäfte geöffnet. In der Busstation gibt es außer einem Kaffee auch nichts zum Frühstück. Dann kaufe ich mir halt in Chamorga, der Endhaltestelle, etwas. Vor dort starten viele Wanderungen, also können sich hungrige Wanderer dort sicherlich auch verpflegen.
Ich bin der einzige Fahrgast im Bus. Laut Fahrplan dauert die Fahrt ca. eine Stunde. 1,25€ finde ich dafür einen fairen Fahrpreis. Der Bus schlängelt sich durch die engen Straßen in die Berge. Die aufgehende Sonne färbt die tief hängenden Wolken rosarot. Spanische Fiesta Musik tönt aus dem Radio und der Fahrer quält den Bus mit manueller Schaltung langsam immer weiter die Berge hinauf. Nach etwa 2 Stunden werde ich dann in Chamorga abgesetzt.
Der Ort ist sehr übersichtlich. Nach 10 Minuten habe ich alles gesehen. Auch das Gebäude, das wohl irgendwann mal eine Bar oder Imbiss war. Kein Mensch weit und breit. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als mit leerem Magen und ohne Verpflegung loszulaufen. Ein 10 Kilometer langer Wanderweg in Richtung Küste verspricht laut Infotafel einen Supermarkt im nächsten Ort. Prima.
Nebel hängt in den Bergen. Die Wälder im Anaga sind so eine Art Regenwald. Es ist auch die feuchteste Region der Insel. Die Wege sind nass und glitschig.
Legenden über Hexen, die in den Wäldern und Höhlen der Berge ihr Unwesen treiben, werden erzählt. Ich kann mir das gut vorstellen. Die Landschaft wirkt märchenhaft verwunschen.
Ich lasse mir Zeit und genieße die frische Luft. Schnell kann ich mich auf dem glitschigen Untergrund ohnehin nicht bewegen. Der Anstieg nach La Cumbrilla ist steil und schon bald meldet sich mein Magen. Das Thunfischsteak vom Vorabend gibt mir Kraft und der nahe Supermarkt motiviert mich. Nach etwa einer Stunde sehe ein paar kleine Steinhäuser. Ich freue mich auf ein Baguette und leckeren Serrano Schinken.
Eine schwarze Katze begrüßt mich auf dem Weg in den Ort. Ist das die Katze von einer der Hexen? Aus einem der Häuser dringt leckerer Küchengeruch und eine Frau singt bei der Arbeit. Das ist Folter! Und dass Hexen hier ihr Unheil treiben, glaube ich langsam wirklich. Sie haben nämlich den Supermarkt weggehext. Der nächste Bus fährt erst in etwa 6 Stunden. Ich muss schnell weiter, sonst lande ich am Ende selbst in einem Kochtopf.
Es geht steil weiter. Am Wegesrand stehen Kakteen, die reife Kaktusfeigen tragen. Wird diese Wanderung zum Überlebenskampf, könnte ich die essen, um nicht zu verhungern. Ich hab‘ die Dinger aber eigentlich lieber in Form von Tequila.
Der Weg wird immer steiler, steiniger und ist kaum noch zu erkennen. Nach ein paar Ausrutschern klettere ich auf allen Vieren weiter. Bin ich noch auf dem richtigen Weg? Eine Markierung habe ich schon seit einer Weile nicht mehr gesehen. Mir kommt das spanisch vor und ich kehre um. Nach etwa 20 Minuten finde ich die letzte Markierung. Ich hätte tatsächlich abbiegen müssen. Das Ding war aber auch schwer zu erkennen. Waren sicher die Hexen, um mich in die Falle zu locken. Zumindest wird der Weg wieder etwas leichter. In Lehm gegrabene Treppenstufen erleichtern den Aufstieg. Meine Laune bessert sich und der Hunger ist vorerst vergessen.
Auf dem Gipfel angekommen kreuzt der Weg eine Straße. Ich könnte mich ja auch an den Straßenrand setzen und per Anhalter zurück fahren. Die Leute auf den Inseln sind normalerweise sehr nett und die Chancen, dass jemand anhält, sind groß. Die kleine masochistische Stimme meldet sich allerdings wieder und zwingt mich weiter zu laufen. Der Pfad wird wieder kleiner und führt mich durch ein Tal in den nächsten verwunschenen Wald. An einer Gabelung vermisse ich die Wegmarkierung. Links oder Rechts? Falsch! Zurück. Ich habe mich schon wieder verlaufen. Und ich habe nicht mal ein Brot, um den Weg zu markieren. Oder Schinken, oder… Schnauze Magen!
Der richtige Abzweig war diesmal zum Glück nicht ganz so weit weg. Die weiß-gelbe Markierung zeigt mir den Weg.
Es geht immer weiter hinauf und die Vegetation wird karger. Aus Bäumen werden kleine Büsche, aus Palmen werden Kakteen. Ich erreiche den höchsten Punkt der Tour und werde mit einem atemberaubenden Ausblick auf die Küste belohnt. Das war es wert.
Unten im Tal sehe ich Igueste. Da muss ich hin. Dort fährt der Bus alle zwei Stunden und an der Küste gibt es immer Restaurants. Das Ziel ist in Sicht. Vorbei an ein paar Ziegen steige ich über den Berg und beginne mit dem Abstieg.
Ich habe es geschafft. Ich bin dem Hexenwald entkommen. Hier gibt es keinen Nebel und keine düsteren Pfade. Auf dieser Seite der Berge wachsen fast nur noch Kakteen. Jeder meiner Schritte wird von einem Rascheln im Unterholz begleitet. Tausende kleine Eidechsen flitzen durch die Gegend und verstecken sich vor meinen großen Füßen.
Irgendwann erreiche ich wieder eine Straße. Es sind nur noch ein paar hundert Meter bis in den Ort. Meine Schritte beschleunigen sich. Ich kann es riechen. Was zum Essen. Wieder werde ich von Katzen begrüßt. Doch diesmal sind es weiße Katzen. Sissi war eine schwarze Katze und eigentlich bringen uns schwarze Katzen immer Glück. In einem verhexten Wald gelten wohl andere Gesetze. Jedenfalls finde ich kurz hinter den Katzen eine Tapas Bar und stopfe mir den Wanst voll.
Für die 10 Kilometer habe ich etwa 5 Stunden gebraucht. Bei diesem Schnitt rechne ich mir beste Chancen aus, sollte ich mich mal bei DHL bewerben.
Unsere Zeit auf Teneriffa geht dem Ende zu. Deswegen haben wir uns mit den Crews der Roede Orm und der Grace zu einem gemeinsamen Abschiedsessen im Restaurant verabredet. Erfahrungsgemäß ist es besser, wenn man die Feierlichkeiten zum letzten Abend am vorletzten Abend laufen lässt. Dann startet man ausgeschlafen und ausgeruht in den Segeltag.
Ich spaziere also am Nachmittag durch die Stadt und versuche, ein Restaurant wieder zu finden, das mir vor ein paar Tagen schon aufgefallen ist. Wenn man zur besten Essenszeit mit sieben Personen irgendwo einfällt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie einen wieder davon schicken.
Der Kellner, der meinen Reservierungswunsch in das dicke Buch einträgt, meint zu mir, dass es ein hässlicher Abend sei. Es sei viel los, weil ein Festival stattfindet. Tatsächlich bauen sie schon seit Tagen das Konzertgelände direkt neben der Marina auf.
Jens und ich machen uns langsam ausgehfertig und gehen noch einmal unter die Dusche. Beinahe wollen wir schon von Bord gehen, da klopft es an die Bordwand. Drei einigermaßen abgerissene Gestalten stehen dort und mein erster Gedanke ist, dass da schon wieder Anhalter über den Atlantik mitgenommen werden wollen.
Spanish Customs Der erste der drei hält mir einen offiziellen Ausweis unter die Nase und wenige Minuten später sitzt der spanische Zoll bei uns im Cockpit. Wir werden ausgefragt über unsere Reiseroute, müssen alle möglichen Schiffsdokumente hervorzaubern und anschließend wird Sissi noch fotografiert. Gleich nach der Ankunft meint der Oberzöllner zu uns: „I apologize in the name of the Spanish Kingdom for the man that is going to sing!“ Auf gut Deutsch: Der Zöllner hat sich für den Kerl entschuldigt, für den sie die Bühne aufgebaut haben. Noch hören wir nichts. Der Zöllner bemerkt außerdem, dass seine Großmutter ein großer Fan des Sängers sei.
Wir treffen uns also mit der Roede Orm und der Grace vor den Marinatoren. Dabei sehen wir zu, wie die Schlange am Einlass langsam vorrückt. Wir hoffen, dass wir beim Abendessen das Konzert verpassen.
Meine Nase hat mich nicht betrogen. Das Restaurant ist gut. Das Restaurant ist richtig gut. Wir schlemmen ordentlich. Als dumme Deutsche haben wir uns pro Person eine Vorspeise bestellt, davon eine Vorspeise drei Mal. Das war Blödsinn, denn die Spanier sind es gewohnt, ihre Vorspeisen am Tisch zu teilen. Ein Teller wäre auch genug gewesen, da hätten wir besser noch eine andere Vorspeise dazu bestellt. Auch der Hauptgang ist lecker, ein Dessert passt bei keinem mehr rein.
Mit prall gefülltem Magen rollen wir uns wieder zurück an Bord. Schon mehrere hundert Meter vor der Marina ist das Konzert zu hören. Es bringt nichts, dass einige der Protagonisten noch an verschiedenen Geldautomaten Zeit schinden, wir hören das Konzert auch an den Geldautomaten.
Also setzen wir uns noch gemeinsam ins Cockpit der Sissi und feiern weiter, denn man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Bei dem Gejodel aus dem Konzert ist an Schlaf nicht zu denken. Ach ja, wir haben den Hauptdarsteller auf Youtube gefunden:
Am Mittag des folgenden Tages gehe ich zur Hafenpolizei. Ich habe alle Papiere von Sissi und der Crew dabei.
Das Ausklarieren ist in 10 Minuten erledigt, viel länger hat es gedauert, den Polizisten vor dem Gebäude zu erklären, was ich von ihnen haben möchte.
Nun haben wir mit Sissi offiziell die Europäische Union verlassen und müssen innerhalb der nächsten 24 Stunden (oder so ähnlich) den Hafen verlassen. Nichts anderes haben wir vor. Adios Espana. Tschüß Europa. Karibik, wir sind fast schon unterwegs.