Wahlkämpfer

Vorvergangenes Wochenende bin ich zu Soraida gefahren. Bei der Ankunft wundere ich mich über die große Zahl von Autos, die vor ihrer Haustür stehen. Es scheint sich ein Konvoi zu bilden. Ganz vorne in der ersten Reihe steht ein Pickup-Truck mit einer der größten Lautsprecheranlagen, die man sich eben so vorstellen kann. Die Menschen tragen gelbe T-Shirts, werfen den Anwohnern Zettel in die Briefkästen und scheinen glücklich zu sein. Glücklich? Es sind Wahlkämpfer für die MEP, deren Regierung kürzlich aufgrund eines Korruptionsskandals zurücktreten musste. Ich parke den Wagen vor dem Haus, bemerke Soraida im Garten hinter dem Haus und gehe zu ihr. Sie ist gerade damit beschäftigt, ihren Bus in Fluchtrichtung zu drehen. Sie will dem Wahlkampf entfliehen. Wir entfliehen dem immer größer werdenden Getöse mit meinem Wagen. Der ist unauffälliger und steht schon vor dem Grundstück. Wahlkampf in Aruba ist laut. Wahlkampf in Aruba macht den Beteiligten einen großen Spaß. Mich nervt der Wahlkampf, der hier seit Wochen tobt, eigentlich nur noch.

Werbung für die MEP. Das Plakat steht wenigstens nur herum und macht keinen Lärm. Es steht auch nicht im Weg. Dafür aber auf vielen Grundstücken, deren Besitzer ihre politische Einstellung öffentlich machen.

Bei uns ist es eher selten, dass ein normaler Bürger seine politische Einstellung öffentlich macht – etwa durch Wahlplakate, Fahnen oder Aufkleber auf dem eigenen Auto. Hier ist es beinahe normal. Der Teil des Wahlkampfs geht für mich in Ordnung. Auch Informationsstände in der Fußgängerzone sind ja normal. Dann gibt es noch den Teil des Wahlkampfs, der kaum erträglich ist. Glücklicherweise bin ich jetzt mit Sissi in Varadero, dort ist es ruhig. Solange ich noch in der Renaissance Marina gelegen habe, konnte ich die Autokonvois der Parteianhänger im Halbstundentakt genießen. Unterstützt von lauter Musik und Hupen fuhren sie die Uferpromenade ab. Das machen sie wahrscheinlich immer noch, ich höre es jedoch nicht mehr.

Werbung von der AVP. Und es werden noch Unterschriften gesammelt, während sich der Verkehr auf der Hauptstraße ewig weit um die halbe Insel zurück staut.

Insbesondere an den Wochenenden muss man jetzt immer wieder damit rechnen, in eine Partei-Werbeaktion zu geraten. Das ist mir in Noord so gegangen, wo die AVP wohl Unterschriften gesammelt und Aufkleber verkauft hat. Aus vollkommen heiterem Himmel stehe ich in einem Stau auf der Hauptstraße, es geht nur noch zentimeterweise voran. Manchmal stockt es auch minutenlang. Die Musik vom Werbestand übertönt das eigene Autoradio bei weitem.

Es muss nicht immer die AVP sein, die andere Partei kann ebenfalls zu jeder Zeit an jeder Ecke eine kleine „Straßensperre“ aufbauen. Manchmal fahren sie aber auch nur an einem der Kreisverkehre mit ihrem Konvoi im Kreis. Das führt unweigerlich zu Verkehrsstau.

Die POR. Es sind nur wenige Anhänger der kleinen Partei unterwegs. Die stören praktisch nicht.

Neben der MEP und der AVP gibt es noch eine Reihe kleinerer Parteien. Die haben nicht so viele Anhänger und sind damit im Straßenbild nicht so präsent. Und es scheint ihnen das Geld für die Miete der großen Lautsprecheranlagen zu fehlen. Diese kleine Gruppe von der POR stört nicht weiter. Ich bin froh, wenn die Wahlen diesen Monat gelaufen sind.

Mein „neues“ Auto. Es passt sich perfekt an die Umgebung an.

Um überhaupt im Stau stehen zu können, braucht man ein Auto. Ich habe mir einen Toyota Yaris aus soundsovielter Hand zugelegt. Angemeldet ist der Wagen auf Soraida, die mir sogar ihre 70% Rabatt auf den Versicherungsbeitrag weitergeben konnte. Morgen hat er einen Termin für die Hauptuntersuchung. Ich bin gespannt, sehr gespannt. Die Sitzpolster sind ziemlich abgerockt, deswegen musste ich neue Schonbezüge aufziehen, ohne die es hier wohl keinen TÜV gibt. Mal schauen, was die Brüder zu den ziemlich dünnen Bremsscheiben sagen. Nach Angabe der Einheimischen kein Problem. Die vier verschiedenen Reifen sind auch lustig. Dafür fährt der Wagen prima.

Vor dem Kauf habe ich mir noch andere Fahrzeuge angesehen. Spannend, wie wenig die Menschen hier Wert auf eine anständig funktionierende Motorkühlung legen. Der Nissan Almera, den ich mir zuerst angesehen habe, hatte nicht einmal mehr einen Kühlwasserbehälter. Das funktioniert wahrscheinlich nur, weil hier immer Kurzstrecken gefahren werden. Auch der BYD (Modell unbekannt), den ich Probefahren konnte, hatte kein Kühlwasser. Bemerkenswert – der Chinese ist viel jünger als die beiden Japaner, rostet aber an wirklich allen Teilen.

Jens macht bei seinem letzten Eselbesuch in 2021 eine Aufnahme von Shrimp.

Nur wenige Tage nach seiner ersten Impfung hat Jens Aruba verlassen. Er ist pünktlich nach Amsterdam geflogen und der Zug nach Frankfurt hatte auch nur wenige Stunden Verspätung. Ich fange langsam mit den Reparaturarbeiten bzw. deren Vorbereitungen an. Wir haben in der Vergangenheit nicht die besten Erfahrungen mit der Planung der Zukunft gemacht, etwa 100% unserer Pläne sind gescheitert. Deswegen wird heute nicht mehr geplant, im kommenden Jahr agieren wir spontan.

Mangobaum in Soraidas Garten

Ich bin schon sehr neugierig, wie die Mangos schmecken werden, die gerade in Soraidas Garten reifen. Bei uns stehen Apfelbäume und Kirschbäume hinter den Häusern, hier sind es Mango, Papaya oder Banane. Soraida sammelt das Spülwasser von der Waschmaschine, um ihre Pflanzen zu bewässern.

Bananen

Dass die Saison für Papayas nun zu Ende ist, ist mir recht egal. Mit diesen Früchten kann ich nicht so viel anfangen. Wobei auf Aruba eine scharfe Sauce zum Würzen aus Papayas hergestellt wird, deren Geschmack ich wiederum sehr gerne mag.

Diese stachelige Frucht soll gegen alle möglichen Arten von Krebs und Bluthochdruck helfen. Auch hier bin ich auf den Geschmack gespannt.

Die Wassermelonen, die gestern geerntet wurden, haben sich geschmacklich jedenfalls als Granaten entpuppt. Kein Vergleich mit dem wässrigen Zeug, was wir in unseren Supermärkten kaufen können, sondern zuckersüß und lecker. Die Melonen bekommen übrigens das Kondenswasser der Klimaanlage, nicht das Wasser aus der Waschmaschine.

Leckere Wassermelonen

In Kürze werde ich wieder regelmäßiger schreiben, insbesondere um den Fortschritt beim Bootsbau zu dokumentieren. Noch ist hier an Bord nicht viel zu sehen.

Inkompatibel

Ein schöner Tag. Auf der Suche nach einem neuen Platz für Sissi habe ich in der vergangenen Woche verschiedene Orte besucht. Es gibt den Aruba Nautical Club (ANC), einen privaten Yachtclub, der nur für Mitglieder zugänglich ist. Er wurde mir empfohlen, weil er schön und ruhig gelegen ist. Die Öffnungszeiten des Büros sind im Internet nicht auffindbar, die Öffnungszeiten des angegliederten Restaurants schon. Ich fahre also zu den inselüblichen Bürozeiten hin und stelle fest, dass ich den falschen Tag erwischt habe. Es ist Donnerstag und am Donnerstag schließt das Büro um 12 Uhr. An allen anderen Tagen hat es von 11 Uhr bis 19 Uhr geöffnet. Alles klar, den Sprit habe ich umsonst verbrannt. Ich fahre am Freitag wieder hin.

Am Freitag bin ich gegen 11:30 Uhr am Büro des ANC. Dort ist niemand zu sehen. Ich rufe die Telefonnummer an, die auf dem Schild mit den Öffnungszeiten steht. Im Restaurant klingelt das Telefon. Natürlich nimmt niemand ab, das Restaurant öffnet erst um 17 Uhr. Außer mir ist eine weitere Person vergeblich gekommen. Pech. Ich verlasse das Gelände. Ein paar Minuten später treffe ich (natürlich rein zufällig) Soraida auf der Straße, denn ich stelle das Auto auf ihrem Wendeplatz ab. Soraida möchte später am Tag zum Impfzentrum gehen und ihre zweite Impfung abholen. Etwas später rufe ich wieder beim ANC an. Das Büro ist nun geöffnet und ich kann vorbeikommen und mich informieren. Fein.

Der private Club hat eine Aufnahmegebühr, eine monatliche Gebühr und Gebühren für den Liegeplatz. Dafür gibt es im clubeigenen Restaurant einen Rabatt von 20%. Auf ein Jahr gerechnet würden mich die Mitgliedschaft und der Liegeplatz für Sissi im Monat etwa 400 US$ kosten. Für diesen Preis gibt es auch einen Liegeplatz in der Marina Varadero, allerdings ohne die Formalitäten der Mitgliedschaft und der Wartezeit, bis ich als Mitglied aufgenommen werde. Damit ist die Entscheidung klar. Der Liegeplatz in Oranjestad für 800 US$ wird aufgegeben und Sissi zieht nächste Woche nach Varadero um.

Impfzentrum in Santa Cruz

Soraida ruft mich an. Wenn ich sofort kommen würde, könnte ich im Impfzentrum die Impfung bekommen. Sie ist gerade in der Schlange und wartet auf ihre zweite Spritze. Leider habe ich weder meinen Reisepass noch meinen Impfpass dabei. Soraida teilt mir mit, dass ich lediglich irgendwie nachweisen muss, dass ich länger in Aruba bleibe. Ich gebe dem Auto die Sporen und komme fünf Minuten vor Büroschluss in Varadero an. Bürokraft Judith freut sich über meine Reservierung und über meine Kreditkarte. Für den folgenden Tag verspricht sie mir eine schriftliche Bestätigung der Reservierung. Toll! Schon beim letzten Besuch waren die Leute in Varadero sehr freundlich, sind sie diesmal auch. Allerdings trifft das auf fast alle Menschen in Aruba zu.

Am Samstag nehmen Jens und ich unsere Reisepässe, unsere Impfpässe und zur Sicherheit auch die ganzen Bootspapiere mit. Wir fahren zum offenen Impftermin und sind bestens ausgerüstet. Die Reservierungsbestätigung bringt uns am ersten Wachmann vorbei, der für das Aussortieren der Touristen zuständig ist. Der zweite Wachmann begleitet uns bis zum Tisch für die Registrierung. Es wird kurz diskutiert, dann ist klar, dass Jens und ich die Impfung bekommen können. Wir dürfen den Fragebogen ausfüllen. Super!

Fragebogen. Nur in Papiamento erhältlich.

Eine Sporthalle ist zum Impfzentrum umfunktioniert worden. Musik spielt. Es ist ruhig aber geschäftig. Zwischen den Stuhlreihen fahren immer wieder die Impfwagen durch. Jens und ich sitzen noch keine fünf Minuten auf dem Stuhl, dann kommt schon der Wagen zu uns.

Jens ist frisch geimpft.

Die letzte offene Frage ist noch, ob es in den linken oder den rechten Arm gespritzt werden soll. Anschließend müssen wir noch 15 Minuten warten, dann können wir wieder gehen. So leicht geht das, so schnell geht das. Den zweiten Termin haben wir auch schon, den wird Jens allerdings leider nicht wahrnehmen können. Er muss sich für den zweiten Schuss einen Termin in Deutschland suchen. Zumindest der Impfstoff passt, in Aruba wird auch mit dem Biontech Impfstoff geimpft.

Mein erster Schuss

Zur Feier des Tages fahren wir noch zum Lionfish Snack und essen eine Portion Kibbeling. Lecker. Anschließend lassen wir uns zwei Stunden lang im natürlichen Pool herumtreiben.

Ein Problem habe ich allerdings mit der Impfung. Mein Smartphone (Android) kann keine Verbindung zu dem Chip aufnehmen, der mir nun gespritzt wurde. Haben die mir etwa einen Apple-Chip gegeben? Oder ist es gar so, dass die weltweite Chipknappheit dafür sorgt, dass in meinem Impfstoff gar kein Chip enthalten ist? Ich kann den Chip jedenfalls nicht mit WLAN, Bluetooth oder NFC erreichen. Auch das UKW-Radio im Auto kann ihn nicht empfangen. Oder er ist schlichtweg inkompatibel zu allem… Jedenfalls bin ich sehr froh, dass ich endlich geimpft bin.

Offiziell. Inklusive zweitem Impftermin.

Akzeptieren. Annehmen. Anpassen.

Jetzt bin ich also wieder auf Aruba und erwarte eine weitere Hurrikansaison. Das kann ich inzwischen akzeptieren. Die Alternativen sind überschaubar, ich könnte das Boot an Land stellen und nach Deutschland fliegen. Davon wird Sissi aber nicht besser. Also nehme ich die Herausforderung an und stelle mich der neuen Situation. Die neue Situation hat natürlich nicht nur Nachteile. Ich kann Soraida besuchen und sie mich, wir können gemeinsam etwas unternehmen und die junge Pflanze unserer Beziehung pflegen.

Bei Soraidas Nachbarn ist der Garten voller Ziegen

Einen wichtigen Punkt auf meiner Liste kann ich ziemlich schnell abhaken. Ich kaufe gerade einen Gebrauchtwagen. Der kostet etwa so viel wie ein Mietwagen für zehn Wochen und ist sehr nützlich, denn ich habe in diesem Jahr einen vollkommen anderen Mobilitätsbedarf als im vergangenen Jahr. Mit dem eigenen Auto kann ich Sissi auch in die andere Marina verlegen, die im Monat wesentlich günstiger ist. Die Marina in Varadero liegt auf der Rückseite des Flughafens und befindet sich praktisch am Ende der Welt, ich habe den Liegeplatz zum 1. Juni reserviert.

Esel?!

Was werde ich in den kommenden Monaten machen? Neben dem Austausch der elektrischen Bilgepumpe und der Reparatur des Achterstags habe ich mir weitere Arbeiten an Sissi vorgenommen. Insbesondere der Innenraum des Salons und dort speziell die Holzdecke haben unter dem vielen Salzwasser gelitten, das uns auf dem Rückweg aus Kuba hineingelaufen ist. Ich werde das komplett neu machen.

Leider geht es nicht mehr, dass ich bei den Eseln mitarbeite. Zwischen Desiree und mir herrscht seit dem vergangenen Herbst Eiszeit. Sonntags fahre ich trotzdem hin und mache mir mit Anneke, den Katzen und den Eseln einen schönen Nachmittag.

Swa beaufsichtigt die Esel

Brauche ich noch mehr tierische Nähe, kann ich auch im Tierheim mithelfen – bei den Katzen oder bei den Hunden. Ich würde zu den Katzen gehen.

Wenn ich an der Bilgepumpe arbeite, werde ich auch gleich Vorkehrungen treffen, dass ein Wassereinbruch wie bei unserem letzten Versuch der Atlantiküberquerung nicht mehr vorkommen kann. Der Schwanenhals am oberen Ende des Schlauchs muss so verlegt werden, dass er immer über der Wasserlinie ist.

So können nur Katzen entspannen

Nicht zuletzt ist da noch die gemeinsame Zeit mit Soraida. Ich denke nicht, dass es mir in den kommenden Monaten langweilig wird. Ich glaube, die Zeit wird sehr sehr schön.

Kurz nachdem ich die Ziegen auf dem Nachbargrundstück fotografiert habe, sind sie zügig aber ohne besondere Eile weggegangen. Die Hunde der Nachbarn haben die Ziegen entdeckt und mit ihrer Arbeit begonnen. Auch die Hunde haben keine Besondere Eile, zu den Ziegen zu kommen. Vieles geht langsamer in der Karibik.

Abmarsch, die Hunde kommen

Außerdem habe ich vor, eine neue Sprache zu lernen – Papiamento. Eigentlich wäre Holländisch nützlicher, damit kann man auch in Holland etwas anfangen, doch die Umgangssprache in Aruba ist nun einmal Papiamento. Das macht sich später bestimmt gut in Bewerbungsschreiben, wenn ich mit einer Sprache aufwarten kann, von der der Personaler nicht einmal weiß, dass es sie gibt.

Wenn Sissi so weit ist, dass ich eine Testfahrt unternehmen kann, werde ich eine kleine Tour nach Bonaire machen. Oder nach Curacao. Dann bekomme ich bei der Wiedereinreise nach Aruba einen weiteren Stempel in den Pass. Irgendwann bin ich der Deutsche mit den meisten Aruba-Einreisestempeln. Im Moment hat Jens die Nase vorn, da er Aruba einmal mehr verlassen hat als ich. Eine Testfahrt in ein anderes Land mache ich aber nicht, bevor ich geimpft bin. Wenn ich illegal im Land bin, hole mich mir den Schuss. Danach werde ich wieder reisen.

Der letzte Sonnenuntergang auf dem Atlantik vor unserer dritten Rückkehr nach Aruba.

Jens wird Aruba am 26. Mai verlassen und im kommenden Jahr für die Atlantiküberquerung zurückkehren.