Dinge verändern sich, andere Dinge bleiben gleich. Nach unserer Rückkehr nach Aruba fanden wir die Chapo an der Stelle im Hafen, an der sie die letzten zehn Monate gelegen hat. Es scheint alles wie immer zu sein, doch die Chapos sind in Aufbruchsstimmung. Sie wollen in die Dominikanische Republik fahren, in das einzige Land in der Umgebung, das geöffnet hat, gut erreichbar ist und keinen PCR-Test von den Einreisenden verlangt. Zum Glück reicht die Zeit noch, dass Charly uns mit dem Propeller helfen kann.
Lange ist es her, dass die Chapo angekommen ist. Das war in den unruhigen Tagen im März 2020, als die meisten Länder ihre Grenzen geschlossen hatten und Segler auf dem offenen Wasser das Problem hatten, dass ihre vor langer Zeit geplanten Ziele nicht mehr anlaufbar waren. Damals war die Freude über die gelungene Atlantiküberquerung und den sicheren Hafen groß. Auch Jutta und Charly hätten sich vergangenen März nicht vorstellen können, im kommenden Januar noch in Oranjestad zu liegen.
Nun sind sie nach vier Tagen Überfahrt in der Dominikanischen Republik angekommen. Auf ihrer Überfahrt mussten sie Wind bis 56 kn verarbeiten. So viel haben wir auf dem Weg von Kuba zurück nicht auf die Mütze bekommen.
Jetzt kommen wir mehrmals täglich am leeren Liegeplatz vorbei und fragen uns, wann dort wieder ein Boot liegen wird. Spätestens im Juni wird die Chapo hier wieder liegen, denn Jutta und Charly wollen die Hurrikansaison auf Aruba verbringen.
Im Donkey Sanctuary gibt es mehrere Esel, die in einer Art „Altersheim“ von den anderen getrennt sind und spezielles Futter bekommen. Diese Esel sind über 30 Jahre alt. Gepresste Strohwürfel werden mit Wasser zusammen angemischt und dann an diese Esel verfüttert. Weil sich am Lagerplatz für das Eselfutter auch Vogelfutter befindet, hängt dort immer ein aufdringlicher Pfau herum.
Zumeist zeigt er mir seine Rückseite, wenn ich ihn fotografieren möchte. Diesmal habe ich ihm aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. In der Hoffnung, dass er sein Gefieder nicht wieder zusammen klappt, scheuche ich ihn etwas durch das Gehege und vom Futter weg. Der Trick hat funktioniert. Kaum lasse ich ihn wieder in Ruhe, dreht er sich um und will wieder zum Futter laufen. Sehr schön, diesmal bin ich der Gewinner.
So schön diese Pfaue sind, so nervig ist ihr Geschrei. Sie machen einen Höllenlärm. Jetzt komme ich zu etwas ganz anderem. Einen freien Platz für ein Segelboot gab es bis gestern noch in der Marina. Ich wusste schon seit ein paar Tagen, wer diesen Platz bekommen wird. Deswegen habe ich mich sehr gefreut, als mir der Iguana verraten hat, dass ein Segelboot Kurs auf die Hafeneinfahrt genommen hat.
Jeder Segler freut sich über Bilder des eigenen Boots. Solche Bilder kann man selbst praktisch nicht anfertigen. Also schnappe ich mir die Kamera und feuere ein paar Schüsse auf die Lady Charlyette ab.
Das wird natürlich dem zunehmenden Babylon in meinem Kopf nicht gut tun. Seit ein paar Tagen merke ich, dass in meinem Kopf mehr und mehr die deutschen Worte von englischen verdrängt werden, selbst meine Träume laufen auf Englisch. Nebenbei deutsches Fernsehen schauen geht nicht mehr, ich muss mich darauf konzentrieren. Mit Ricarda und Stefan kann es mir passieren, dass das wieder zurück kippt. Ich werde es merken.
Marinachef Hans hilft selbst beim Anlegemanöver, danach kann ich die beiden endlich begrüßen. Nun ist unsere kleine Gemeinschaft komplett.
Zuletzt muss ich einen schweren Diebstahl verkünden. Wer sagt denn, dass nur die Chinesen unsere gute deutsche Ingenieurskunst kopieren. Die Amerikaner tun es auch. Wahrscheinlich war die CIA in der Nacht unterwegs und hat mein Boot ausspioniert. An der Aria befindet sich jetzt eine schlechte Kopie meiner Türglocke.
Manchmal gibt es sogar Neuigkeiten in Oranjestad. Vor einigen Tagen erwähnte ich die Ankunft dreier neuer Segelboote, jetzt möchte ich deren Bewohner vorstellen.
Der Anlass für diese Vorstellungsrunde ist die Abschiedsfeier für Vanita, die mit der Grenzöffnung zu den USA am 11. Juli die Möglichkeit hat, für ein paar Monate nach Hause zu fliegen. Sie plant ihre Rückkehr nach Aruba für Anfang September.
Auf der Island Lady ist Vanita mit ihrem Skipper Johnny unterwegs, auf der Aria leben Shelly, Brian und Moses (Riesenschnauzer), auf der Toes in the Water wohnen Karen und Dennis. Aus Platzgründen findet die Abschiedsfeier auf dem Katamaran statt. Wow! Mein erster Besuch auf einem Katamaran. Ein unglaubliches Platzangebot.
Alle drei Boote sind von den US Virgin Islands gekommen, wo sie die Zeit der Grenzschließungen verbracht haben. Nun bleiben sie für die Hurrikansaison in Aruba.
Angesagt war ein italienischer Abend. Brian hat eine unglaubliche Menge Nudeln mitgebracht, dazu gab es verschiedene Saucen von Dennis und echten Parmesan in beliebigen Mengen, vorher noch Appetizer. Ich habe unser Bordbrot gebacken. Moses kann den klassischen Bettel-Hundeblick sehr gut. Doch er muss sich mit etwas Eiswasser zufrieden geben.
Es war mir eine große Freude, dass die meisten aus der Gruppe das Donkey Sanctuary besucht haben. Dort hat sich Johnny in einen dreibeinigen Esel verliebt. Johnny hat bei einem Autounfall die Gebrauchsfähigkeit seines rechten Arms verloren, Kamino hat bei einem Autounfall sein rechtes Vorderbein verloren. Daraufhin hat Johnny Kamino gleich mal adoptiert. Das sollte in ein paar Tagen auch auf der Webseite zu sehen sein.
Ich schweife ab. Nach dem Essen kommt bei dieser Gruppe Segler die Musik. Brian spielt zumeist Banjo, Vanita Gitarre und von Zeit zu Zeit werden sie von Johnny auf der Mundharmonika begleitet.
Wer kein Instrument spielt, hat immer noch seine Stimme zur Verfügung. Auch ich beteilige mich dabei gerne. Zu Hause bin ich begeisterter Sänger im 51500 Kehlen starken Frankfurter Waldstadionchor. Laut singen kann ich übrigens besser als schön singen.
In den vergangenen Tagen saßen wir schon ein paar Mal zum Singen zusammen. Meist waren die Veranstaltungen recht früh beendet, diese Menschen gehen eher früher ins Bett und stehen auch früher auf. Diesmal dauert es länger, noch möchte niemand Schluss machen.
In dieser Besetzung war es bis September der letzte Auftritt, ich glaube aber nicht, dass es der letzte Auftritt überhaupt war. Dafür macht es uns allen zu viel Spaß. Eine echte alternative Abendgestaltung. Die Kehle lässt sich dabei natürlich auch gut befeuchten.
Brian meinte irgendwann am Abend, dass das hier auf Aruba die kleinste Cruiser-Community sei, die er jemals in seinem Leben gesehen hat. Ich persönlich empfinde die Gemeinschaft inzwischen schon als sehr groß, immerhin hat sich in kurzer Zeit die Zahl der von Langfahrtseglern bewohnten Boote von zwei auf sechs verdreifacht. Außerdem erwarte ich noch die Lady Charlyette, die wir in der Vor-Corona-Zeit auf Martinique getroffen haben.
Unter vielfachen Umarmungen verabschieden wir uns voneinander. Vanita hat die eine oder andere Träne in ihren Augen. Hauptsache, sie verliert ihren Humor nicht. Gute Heimreise!
Der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen, dass seit langer Zeit wieder zwei Kreuzfahrtschiffe vor Oranjestad liegen. DIe Freewinds hat lediglich umgeparkt, die Seven Seas Splendor reiste aus Los Angeles an. Natürlich ohne Passagiere.
Ich freue mich ungemein, dass hier neue Gesichter zu sehen sind, neue Geschichten zu hören sind und darüber, dass wir uns richtig gut verstehen. Wir werde gemeinsam eine schöne Zeit haben.