Bonaire

Was für ein Ritt. Stell‘ dir einfach vor, dass du in dein Auto steigst und zweieinhalb Tage Vollgas fährst. Oder nahezu Vollgas. Das haben wir hinter uns. Der Wind hat zugenommen und uns mit 25 kn in Richtung der ABC-Inseln geblasen. Zum Glück fährt Sissi ganz alleine, wir müssen uns dabei nur um wenig kümmern. So hat Jens zum Beispiel Zeit für einen Thriller.

Thriller bei Höchstgeschwindigkeit

Am Abend präsentiert sich das Wetter noch einmal von seiner schönsten Seite. Die Wolken und die untergehende Sonne sorgen für eine feine Kitschstimmung. Ungezählte Sonnenuntergänge auf See werden doch nicht langweilig. Jens geht schon etwas früher ins Bett als sonst, weil die Nacht heute kurz wird. Wir sind zu schnell.

Feinster Kitsch

Wir können kein ganzes Etmal mehr ausfahren, denn am Morgen sind wir schon um 8 Uhr am Leuchtturm von Bonaire. Wir halsen seit vier Tagen das erste Mal um die Südspitze der Insel, dann halten wir auf den Hauptort Kralendijk zu. Hier ist der einzige Hafen zum Einklarieren.

Okay, Hafen ist etwas dick aufgetragen. Es handelt sich um zwei Betonstege, an denen sogar große Frachtschiffe festmachen können. Nur wir können da nicht festmachen. Ich rufe auf allen möglichen mir sinnvoll erscheinenden Funkkanälen den Hafen, nur leider schweigt sich das Funkgerät aus. Und so stehen wir etwas dumm vor den Stegen herum, auf denen ein Dutzend Leute die Angeln ausgeworfen haben.

Gerade wollen wir all unseren Mut zusammen nehmen und doch an einen der Betonstege gehen, da kommt mit hoher Geschwindigkeit ein Zollboot auf uns zugefahren. Wir winken sie zu uns. Sie erklären uns, dass wir dort nirgendwo anlegen können. Wir sollen eine Mooringboje nehmen und dann mit dem Dinghi zum Einklarieren fahren. Okay, das können wir natürlich tun. Um 11:30 Uhr sind wir fest, also eine halbe Stunde vor dem Etmal sozusagen.

Das Einklarieren selbst ist dann in einer Viertelstunde und kostenfrei erledigt. Im Gegensatz zu anderen Ländern wollen sie hier allerdings die gesamte Crew sehen. Dabei habe ich Jens auf dem Boot gelassen, denn in fast allen Ländern geht nur der Skipper zu den Behörden. Ich muss Jens hinterher aber nicht mehr holen, ich soll ihn aber zum Ausklarieren mitbringen. Mache ich doch gerne.

Anschließend kommt noch ein Schlauchboot zu uns an die Boje gefahren und bringt uns die Regeln für die Bojenbenutzung vorbei. Die Boje wird in der Marina im Voraus bezahlt, gehört aber nicht zur Marina. Es herrscht auf der ganzen Insel ein Ankerverbot, deswegen wurde von der Naturschutzbehörde ein riesiges Bojenfeld angelegt. So wird die Unterwasserwelt vor uns Seglern geschützt. Ich finde das gut. Die Leute springen direkt an der Boje ins Wasser, um dort zu Schnorcheln, denn alle Bojen sind irgendwie ziemlich direkt an der Riffkante platziert.

Der Bojenwärter sprach von einer halben Stunde Fußweg bis zur Marina. Also schnappe ich mir das Dinghi und fahre lieber. Auf dem Weg zur Marina finde ich noch die Daphne, die wir zuletzt in Portugal gesehen haben. Schön, mal wieder alte Bekannte zu sehen.

Marinaschildkröte

Ich komme dann aus dem Marinabüro heraus und gehe zurück zum Dinghi, da fallen mir fast die Augen aus dem Gesicht. Eine Meeresschildkröte paddelt gemächlich durch das klare Wasser des Hafenbeckens. Zwar habe ich nur das Smartphone dabei, das ist aber besser als gar keine Kamera. Ich halte drauf und freue mich. Endlich mal eine ordentliche Schildkrötenaufnahme.

In dreiundzwanzigeinhalb Stunden haben wir dann zuletzt also 138 Meilen zurückgelegt. Jetzt wird der Wind erst einmal ungünstig für uns, deswegen bleiben wir wenigstens bis Montag auf Bonaire. Anschließend gucken wir mal, wie es passt. Ich will noch nach Aruba, denn dort gibt es eine Straßenbahn. Vielleicht können wir auch noch Curacao mitnehmen, das liegt so in der Mitte. Zwischen diesen drei Inselchen sind es keine richtigen Entfernungen.

Sissi speeded, Sonne scheint!

Sanft schaukelt Sissi in den langen Wellen, das Segel steht sicher im stetigen Passat. Sechs Windstärken sehen wir nicht selten, mit sechseinhalb Seemeilen pro Stunde sausen wir durch die südliche karibische See. Die Sonne scheint, sechs Solarpaneele schicken den Strom in unser System, der Superwind-Generator surrt sonor und sammelt Amperestunde um Amperestunde. Seevögel schweben schreiend neben uns her, sammeln fliegende Fische, verspeisen sie und sehen dabei stark und elegant aus. Schwimmend und springend sehen wir Delphine bei ihrem Mittagsmahl. Ein Super-Segeltag, der schöner nicht sein könnte. Der starke Wind schiebt uns in Richtung der niederländischen Antillen und singt dabei sein Lied in der Takelage. Sagenhaft!

Siegen sahen wir unsere Eintracht gestern zwar nicht, aber der Sport kam dennoch nicht zu kurz. Andreas hat uns in Frankfurt den Liveticker zum Pokalspiel gegen Bremen in Emails gepackt und über Satellit auf Sissi gesendet. So sprangen wir dann auf, als die Tore fielen. Wir bejubelten den Sieg und das Nebelhorn durfte sprechen. Jubelrufe über den Funk haben wir uns gespart, es ist sowieso niemand hier in der Einsamkeit.

Die ABC-Inseln werden sie genannt und gehören irgendwie noch zu den Niederlanden. Eigentlich wollten wir gleich nach Aruba fahren, haben aber vor ein paar Minuten entschieden, dass wir zuerst Bonaire anlaufen. Die Abstände zwischen Aruba, Curacao und Bonaire sind so klein, wir können jederzeit an einem Tag ohne Nachtfahrt zur nächsten Insel weiterfahren.

Der dritte Tag auf See ist immer der Tag, an dem sich die meisten Spannungen lösen. Wir sind wieder auf die Bordroutine eingestellt, wir konnten uns entspannen und jetzt plötzlich haben wir auch wieder Gespräche miteinander. Das Programm für die nächsten Wochen steht. Jeder Plan übersteht nicht den ersten Feindkontakt und der Plan, irgendwie einen Besuch von Kuba noch in die Welttournee mit hinein zu quetschen, war irgendwie nicht richtig.

Wir sind so schnell und die Strecke zum neuen Ziel ist so viel kürzer, wir werden wohl nicht am Samstag, sondern schon am Freitag eintreffen.

Position um 12 Uhr: N12°52‘ W66°20‘
3. Etmal: 129 nm
Reststrecke bis Bonaire: 120 nm

Seevögel speisen fliegende Fische

Jippie!!! Wir wissen, wie das Wasser in die Bilge kommt!

Manchmal muss es eben mit Gewalt gehen. Auf Martinique haben wir am Abend vor der Abfahrt den Watermaker nochmal für ein paar Stunden laufen gelassen und das Wasser quasi in den Tank gepresst. Außerdem gab es noch einen tropischen Starkregenschauer und dann war kurze Zeit später wieder ziemlich viel Wasser in der Bilge. Auch nach der Abfahrt haben wir regelmäßig die Bilge ausgepumpt und die Zahl der Pumpenhiebe notiert. Es war zwar immer Wasser in der Bilge, es wurde aber immer weniger. Uns so haben wir ein weiteres Mal die Bodenbretter im Salon angehoben und nach einem Leck im Wassertank gesucht – siehe da, plötzlich sahen wir im Licht der Taschenlampe Wasser unter dem ersten der drei Tanks glitzernd in die Bilge laufen. Hmmpf. Das hatte ich vorher ausgeschlossen.

Von dort aus läuft das Wasser ziemlich direkt in die tiefe Bilge. Jetzt stehen wir vor der Frage, ob das ein gewollter Überlauf der übervollen Tanks ist oder ob das ein Defekt ist. Wenn wir wieder Telefonnetz haben, werde ich zuerst mal den Vorbesitzer anrufen und fragen. Der hat mir damals so viel über das Boot erzählt, wovon ich schon sehr viel wieder vergessen habe. Bei den ganzen Erklärungen und Handreichungen war auch einiges zum Thema Wassertank dabei. Immerhin hatte Harald das Boot für 17 Jahre, dabei kommt schon ein reicher Erfahrungsschatz zusammen.

Auf jeden Fall sind jetzt viele ungeklärte Fälle aus der Vergangenheit geklärt, in denen plötzlich Wasser in der Bilge stand. Nach der Abfahrt in Porto, daran kann ich mich erinnern, stand das Wasser bis zur Propellerwelle. Allerdings haben wir in Porto auch den Watermaker sehr lange laufen lassen. Es stand sehr oft nach der Abfahrt zu größeren Etappen Wasser in der Bilge. Jetzt erklärt es sich, denn mit dem Hafenstrom konnten wir den Watermaker immer ordentlich lange laufen lassen. Das haben wir auch gemacht und es wohl mit der Menge übertrieben.

Während meiner Wache ist es mir gelungen, eine Aufnahme bei Mondlicht zu machen, auf der man sogar noch etwas erkennen kann und die meiner Meinung nach die Stimmung ganz schön rüberbringt. Ich liebe die Nächte auf See, wenn nichts repariert werden muss und ich die Fahrt genießen darf.

Position um 12 Uhr: N13°20‘ W64°13‘
2. Etmal: 107 nm
Reststrecke bis zum nächsten Ziel: 346 nm

Mondnacht in der karibischen See