Wir haben nicht besonders viel Wind, aber wir haben jetzt so eine Art Wind. Er hat gerade mal auf 15 bis 18 kn zugelegt, aber das genügt für eine Verbesserung des Reisekomforts um mehrere Zehnerpotenzen. Das Segel hat so viel Druck, dass es bei keiner Schiffsbewegung mehr schlägt. Außerdem sind die Schiffsbewegungen insgesamt wesentlich angenehmer. Und es kehrt Ruhe ein. Durch die geringeren Schiffsbewegungen knarzt die Inneneinrichtung nicht mehr so viel und das Geschirr im Schank klirrt auch nicht mehr.
Auch heute beißt während unserer Skatrunde ein Fisch an, auch heute verlieren wir ihn. Diesmal durften wir den Köder aber behalten. Immerhin nähern wir uns einem erfolgreichen Fang. Unser Kühlschrank ist sowieso fast leer, da drin würde sich ein Thunfisch sehr gut machen.
Einen guten Teil des Nachmittags sitzen wir einfach nur im Cockpit herum und schauen heraus. Die ruhige Fahrt ist ein sanftes Gleiten durch die Wellen. Es schaukelt fast gar nicht mehr. Unten im Salon fühlt es sich an, als wäre Sissi fest vertäut am Steg. Man hört nichts, außer dem Zischen und Gluckern des Wassers. Eine Delfinschule oder ein kleiner Wal wären der perfekte Rahmen für dieses Bild aus einem Segelbootprospekt gewesen, hatten aber gerade andere Pläne. Wir genießen die Zeit und die Ruhe, die sich bis zum Horizont ausbreitet.
Am Abend starten wir den Motor für eine Stunde. Wenn man seinen Strom normalerweise aus Windkraft und Sonnenenergie bezieht, sind fünf Segeltage mit mäßigem bis geringem Wind und teilweise stark bedecktem Himmel der absolute Killer für die Stromversorgung. Nach einer Stunde vermeldet der Batteriemonitor, dass wieder 70 Ah mehr in den Akkus stecken. Endlich ist wieder Ruhe.
Meine Wache wird dann alles andere als ruhig. Plötzlich schieben über 30 kn Wind Sissi von hinten an. Ich denke zuerst an einen Squall, aber da ist nichts. Das Radar zeigt nichts an. Aber von einer Minute auf die andere hat sich der Wind von einem schönen, gutmütigen Schiebewind zu einem garstigen, böigen und unfreundlichen Wind geändert. Ich muss das Segel reffen, dabei sind nur 15 kn dauerhafter Wind. Die Böen gehen aber bis knapp 30 kn rauf.
In der Nacht werde ich von den Wellen immer wieder im Bett herumgeschleudert. Trotzdem schlafe ich ziemlich gut, der Körper gewöhnt sich an alles. Am Morgen danach finde ich Jens und Jakob im Cockpit, wie sie debil auf die Logge starren und dabei grinsen. Jens hat wieder ausgerefft und der Wind schiebt Sissi mit 6,5 bis 7,5 kn voran. Es fehlt nur noch, dass sie beide auf die Instrumente sabbern. Die Welle ist zwar stärker als gestern, aber die Geschwindigkeit macht den Komfortverlust mehr als wett. Es ist schön hier.
6. Etmal: 120 nm
Position um 12 Uhr: N15°49′ W34°49′
Noch 1449 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 621 Meilen hinter uns.
Bei dem Kurs seit ihr morgen bei Pedros Hochseekiosk, schöne Grüße von Apfelwein Hehl. Grüße Antje, WOM, Marius, Jörg (18er), Peter und mir!