Leben auf der Baustelle

Schon wieder fällt mir auf, dass ich einige Tage nichts veröffentlicht habe. Dabei ist es nicht so, dass hier nichts passieren würde. Außer am vergangenen Freitag, da war nämlich der Wahltag in Aruba. Dank eines Verkaufs- und Ausschankverbots für Alkohol waren die Bars geschlossen. Auch der Genuss von Alkohol in der Öffentlichkeit war mit Geldbuße belegt.

Geschlossen am Wahltag

Das hält die Arubaner natürlich nicht davon ab, sich nicht trotzdem zu betrinken. Die Wartezeit ist lang, bis die Stimmen alle ausgezählt sind. Um halb drei Uhr in der Nacht steht das Ergebnis fest, gewonnen hat die MEP. Das ist die Partei, die schon vorher die Regierung geführt hat. Die Regierung, die wegen eines Korruptionsskandals zurücktreten musste.

Es gibt jedoch auch Stimmen die behaupten, dass die Konkurrenz (AVP) recht froh ist um den Wahlsieg des Gegners. Die Einwohner werden in nicht allzu ferner Zukunft Einschnitte hinnehmen müssen oder höhere Steuern bezahlen, da der Staatshaushalt aufgrund von Covid-19 ziemlich in Schieflage geraten ist. Wenn der Name der eigenen Partei damit verknüpft ist, schmälert das in der fernen Zukunft die Chancen auf Wahlsiege.

Schmücken für die Parade

Zunächst einmal ist die Freude bei den Siegern groß. Am Samstag bekomme ich davon gar nicht so viel mit, am Sonntag wird es jedoch überdeutlich. Überall schmücken die Anhänger der MEP ihre Grundstücke in den Farben der Partei. Auch Soraidas Nachbarn sind mit von der Partie. Traditionell findet am Sonntag nach der Wahl nämlich immer eine Parade statt, ein Autokorso der Sieger über die ganze Insel. Ein letztes Mal Verkehrsstau auf den Straßen. Die Parade kommt sogar durch die echt abgelegene Ecke, in der Soraidas Haus steht.

Warten auf die Parade

Das brauche ich mir nicht anzutun. Ich flüchte zu den Eseln, dort ist der Sonntag aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens eher ruhig, denn die Touristen kennen die Schleichwege nicht. Auch die Einheimischen kommen nicht zu Besuch. Ein Grund ist sicherlich, dass die Niederlande gerade ein Fußballspiel verlieren. Ein anderer Grund ist wohl, dass die MEP-Fans am Straßenrand auf die Parade warten.

Sunchi putzt Shrimp

Um eine ausreichende Zahl von Katzen um mich herum muss ich mir nun keine Sorgen mehr machen. Am Montag bin ich vormittags im Tierheim und kümmere mich um die Katzen. Nach getaner Arbeit (füttern und reinigen) kann ich die Spitzohren nach Lust und Laune streicheln. Sie sollen an Menschen gewöhnt werden. Das mache ich doch gerne. Nur mit den Namen habe ich es noch nicht so, zum Glück tragen die meisten von ihnen Halsbänder mit ihrem Namen und einer Nummer.

Wer möchte mich adoptieren?

Gesprochen wird Holländisch, das Tierheim ist ein holländischer Ort. Inzwischen bin ich so weit, dass ich einem Gespräch in dieser Sprache durchaus folgen kann, sprechen kann ich aber noch kein Wort.

Glückskatze

Den Katzen ist das reichlich egal, ihnen genügen Futter und ein paar Streicheleinheiten. Im Gegensatz zu manch anderen Einrichtungen dieser Art gibt es hier keine Höchstdauer, die die Tiere auf eine Vermittlung warten dürfen. Das könnte ich nicht – Katzen füttern, die nächste Woche eingeschläfert werden, weil sie zu lange warten. Elvis beispielsweise ist fünf Jahre alt und wird wohl nie adoptiert werden.

Schlafender Tiger

Nach dem Essen ist erst einmal ein Schläfchen angesagt. Nach dem Schläfchen kommt ein Nickerchen und anschließend möchte der Kater sicher noch etwas dösen. Ich habe ein kleines Video von der Raubtierfütterung. Der Käfig muss von Katzen befreit werden, damit er gereinigt werden kann. Dafür stellt man den Katzen das Futter vor die Tür.

Wenn ich nicht gerade Katzen bespaße oder Esel besuche, habe ich die Arbeiten an Bord. Das wird nicht langweilig und findet auch so schnell noch kein Ende. Um die Ursache für das in die Vorschiffskoje tropfende Wasser zu finden, räume ich den Raum erst einmal aus. Nur – wohin mit all den Sachen, die sich sonst auf den Kojen und in der Segellast tummeln. Erst einmal in den Salon. Der ist jetzt total gemütlich.

Der Salon als Lagerraum

Anschließend kommt die Deckenverkleidung runter. Ich klebe auf jedes einzelne Holzteil einen Streifen Krepp. Dann werden die Teile durchnummeriert. Anschließend fotografiere ich das. Das muss reichen, um es später wieder zusammen zu setzen.

Die Deckenverkleidung ist runter

Nach der Deckenverkleidung muss noch ein Stück von der Wandverkleidung herunter. Ich fange da an, wo es immer zuerst getropft hat. Das zahlt sich aus, schnell gelange ich an die Stelle. Der Decksdurchbruch für einen der Püttinge ist undicht. Es ist eindeutig zu sehen, wo das Wasser immer heruntergelaufen ist.

Hier kommt das Wasser rein

Von oben sieht man davon natürlich nichts. Solche Schäden entstehen nicht von heute auf morgen, die Abdichtung wird über die Jahre immer schlechter. Ich gehe davon aus, dass ich alle sechs Durchbrüche neu abdichten darf, schließlich sind sie alle gleich alt.

Nicht ganz dicht.

Und wieder einmal stehe ich vor der Frage, wie ich die Reparatur am besten angehe. Ich muss mich beraten und treffe mich mit einem anderen Segler, der mir gute Tipps gibt. Davon ist die Arbeit natürlich noch nicht getan. Ich brauche einen Tag mit bedecktem Himmel, wenn ich an Deck arbeiten möchte – außer ich mache das ganz früh am Morgen.

Heavy Metal

Vor einigen Tagen habe ich von der Zerstörung des Wandschranks und dem Ausbau des Beschlags geschrieben. Den gebrochenen Beschlag habe ich dann zu einem Fachmann gebracht und besprochen, wie das Ersatzteil aussehen soll. Anschließend ging eine Woche ins Land, ich habe nichts von dem guten Mann gehört. Selbst für Aruba ist das ungewöhnlich. Also rufe ich in der folgenden Woche an und siehe da, mir wird das Teil noch für Donnerstag oder Freitag versprochen. Am Freitagvormittag erreicht mich die Nachricht, dass der Beschlag nun abgeholt werden kann. Sehr schön.

Alt und neu nebeneinander im Vergleich

Der Samstag ist allerdings erst einmal dem Spiel der deutschen Mannschaft gewidmet. Soraida und ich fiebern dem Ergebnis entgegen. Diesmal profitieren wir von den Eigentoren und letztendlich ist es egal, wer sie für uns schießt. Ich erinnere mich gerne an ein Spiel unserer Eintracht gegen Mainz, in dem bei einem 2:2 Endstand die Eintracht nicht ein einziges Tor geschossen hat. Warum nicht auch bei der EM?

Am Sonntag fällt mir auf, dass ich keine vernünftige Dichtmasse für die Beschläge habe, am Montag bin ich im Tierheim und kaufe anschließend die Dichtmasse, so dass es bis zum Dienstag dauert, bis ich mit dem Einbau beginnen kann.

Morgendlicher Besucher auf Sissi

Ich stehe mit der Sonne auf. Die Arbeiten an Deck will ich so früh wie möglich erledigen. Während ich noch meinen Morgenkaffee genieße, bemerke ich einen vierbeinigen Besucher an Bord. Wie süß! Ich gebe ihm ein paar Naschereien. Dann mache ich mich an die Arbeit und schon nach einer knappen Stunde sitzt der Beschlag auf der Steuerbordseite an Ort und Stelle. Das ist richtiges Heavy Metal.

Steuerbordseite

Jetzt darf ich den Wandschrank wieder zusammensetzen. Zuvor wird noch der Geber des Autopiloten ordentlich angeschraubt. Selbstverständlich sind die längsten an Bord verfügbaren Schrauben ein paar Zentimeter zu kurz. Das bedeutet – natürlich – einen Abstecher in den nächsten Baumarkt. Auch eine Stromleitung verlege ich noch, dann kann ich endlich die Lampe an meinem Kopfkissen wieder leuchten lassen.

Der Geber es Autopiloten und die neue Lichtleitung

Das Schrankpuzzle geht nicht ganz korrekt wieder in den ursprünglichen Zustand. Ein paar Bretter, die ich mit zu grober Gewalt aus ihrer Verklebung befreit habe, weigern sich leider, mit mir zusammenzuarbeiten. Über kurz oder lang gewinne jedoch ich und nicht der Schrank. Es sieht fast wieder so aus, als wäre nichts gewesen. Falls ich noch einmal an diese Bolzen heran will, kann ich in fünf Minuten zu ihnen gelangen. Vielleicht 10 Minuten, weil der Geber des Autopiloten vorher zerstörungsfrei entfernt werden muss.

Fast fertig, es fehlt nur noch eine Leiste an der Decke

Auf der Tube der Dichtmasse steht gedruckt, dass man diese nach dem Öffnen innerhalb von 24 Stunden verbrauchen muss. Eigentlich wollte ich mir nun einen Tag Zeit lassen, um die Klamotten wieder in den Schrank zu räumen und den Schrank auf der Backbordseite zu demontieren. Dann müsste ich mir aber eine neue Tube von dem Zeug kaufen, es wären gleich wieder 30 Florin weg gewesen. Lieber mache ich mir die Arbeit und erledige alles an einem Tag. Ich bin ja früh aufgestanden, es ist noch nicht einmal 10 Uhr.

Um 10:30 Uhr sind meine Sachen alle wieder in ihren Schränken. Dann mache ich einen Plan, denn wenn ich wieder zwei Tage am Schrank herumfummele, trocknet die Dichtmasse auch ein. Ich muss nur ein einziges Brett aus der Schrankkonstruktion herausbrechen, dann kann ich die beiden Bolzen erreichen, an die ich kommen muss.

Neuer Beschlag auf der Backbordseite. Heavy Metal.

Die Stelle erst von alter Dichtmasse befreien, die Oberfläche gründlich reinigen und anschließend die neue Dichtmasse auftragen. Die beiden Bolzen gleiten ohne zu murren an ihren Platz. Dann kann ich von unten die Muttern anziehen. Mit ein paar Tropfen Holzleim und einer Schraubzwinge bringe ich den Schrank wieder auf Vordermann. Was ich nicht zu glauben gewagt hätte ist, dass mir der Austausch der Beschläge an beiden Seiten innerhalb eines Tages gelingt.

Der Backbord-Wandschrank. Das Brett habe ich mit einer Schraubzwinge und einem Pfeil markiert.

Was bleibt noch übrig? Nach dem Projekt ist vor dem Projekt. Das Achterstag ist wieder an Ort und Stelle. Für das Feintuning und die richtige Wantenspannung werde ich den Rigger noch einmal kommen lassen. Der darf dann auch gleich prüfen, ob das Rigg den Bruch des Beschlags überlebt hat. Das nächste Projekt ist der Wassereinbruch in der vorderen Kabine, der sich insbesondere auf dem Steuerbordbug bemerkbar macht. Die Ursache will gefunden und behoben werden.

Also räume ich die Bugkabine aus und schaffe alles auf die Matratze von Jens. Genua, Großsegel, dutzende Kissen und Decken. Was man nicht alles auf seinem Schiff so herumliegen hat. Jens‘ Koje ist voll, bevor ich vorne auch nur zur Hälfte leeren kann. Auch den stählernen Teil der Kuchenbude kann ich hier noch unterbringen.

Segel- und Deckenlager

Die Arbeiten gehen in den nächsten Abschnitt. Ich kann mich aber nicht den ganzen Tag an Bord vergnügen, sondern möchte noch etwas mit Tieren machen. Wieder bei den Eseln anfangen ist leider ein Ding der Unmöglichkeit. Desiree wird mich wahrscheinlich ihr Leben lang hassen. Also sehe ich mir eines der örtlichen Tierheime an, das Aruba Animal Shelter. Die Esel sind ja schon ziemlich niedlich, die Katzen sind es aber auch. Nicht nur der kleine Jip wird es ins Blog schaffen.

Ach ja, da ist ja noch die Wahl. Am Freitag findet in Aruba die Parlamentswahl statt. Der Wahlkampf läuft immer noch sehr laut und ist auf der Straße präsent. Heute kam im Radio ein Beitrag zum Thema, denn am Donnerstag und Freitag darf wegen der Wahlen auf der Insel kein Alkohol verkauft werden. Weder in Supermärkten noch in den Bars und Restaurants, welche von den Einheimischen besucht werden. Lediglich die Hotels dürfen aus ausländische Touristen ausschenken, denn schließlich soll diesen der Urlaub nicht vermiest werden.

Der Fußball rollt – EM in Aruba

Auch in Aruba spricht man über die Fußball EM. Aruba ist keine große Fußballnation, die eigenen Kicker sind gerade dabei, an der WM-Qualifikation zu scheitern. Einige Fans in Aruba hat der Fußball jedoch, einer davon ist Soraida. Vor unseren Versuchen zur Abreise aus Aruba, haben Jens und ich ihr einige Fan-Artikel zur Verfügung gestellt, damit sie Bus und Haus dekorieren kann, denn sie ist erklärter Fan der deutschen Nationalmannschaft. Da wir genug Deutschland-Flaggen an Bord haben, wanderte eine davon in Soraidas Haus. Ebenso ein Schal in Schwarz-Rot-Gold.

Deutsche Flagge bei Soraida, die MEP-Wahlwerbung bei den Nachbarn.

Der Germane sieht viel dekorativer aus als die Wahlwerbung des Nachbarn. Das ist auch ein Gruß an die Nachbarn von der anderen Straßenseite, die das holländische Team unterstützen. Man beachte die Palme rechts unten im Bild. Der Fernseher wird eingeschaltet, von dem Greenpeace-Stunt bekommen wir nichts zu sehen. Das Spiel beginnt… wie es ausgegangen ist wisst ihr ja.

Ich möchte jetzt lieber über Verkehrsampeln schreiben. Das macht viel mehr Spaß. In Oranjestad gibt es mindestens fünf oder sechs spannende Kreuzungen, an denen Ampelanlagen aufgestellt sind. Wie man sieht, sieht man nichts. Die Ampeln sind aus.

Ampelkreuzung mit abgeschalteten Ampeln

Diese Kreuzung ist je nach Richtung sehr schlecht einsehbar und hat ihre Ampelanlage verdient. Es ist mir schleierhaft, warum sie ausgeschaltet ist. Das ist aber nicht nur an dieser Kreuzung so, es ist an beinahe allen Ampelkreuzungen in Aruba der Fall.

Ebenfalls abgeschaltet – die Ampeln an dieser Kreuzung

Ebenfalls schlecht einsehbar ist diese Kreuzung, die Ampeln sind auch abgeschaltet. Ich habe Ampeln in Noord gesehen, die nur schwarz leuchten., auch in San Nicolas. Wo auch immer auf dieser Insel eine Ampel steht – sie ist aus.

Wirklich? Nein! Es gibt eine einzige Kreuzung in Oranjestad, an der nicht Schwarz die dominierende Ampelfarbe ist. Warum? Sie ist auch nicht schlimmer oder gefährlicher als die anderen Kreuzungen. Nicht jedes Rätsel auf dieser Erde kann gelöst werden.

Einzige funktionierende Ampelkreuzung in Aruba. Rechts oben das Logo der größten Tankstellenkette.

Nur ein paar Schritte weg von dieser Kreuzung befindet sich eine Tankstelle. Kein Vergleich mit unseren Tankstellen, bei denen man sich die Hände schmutzig macht und dem Fahrzeug selbst den Kraftstoff in den Tank füllen muss. Hier hat man die Wahl. Ein bei uns längst ausgestorbener Beruf macht es möglich, der Tankwart.

Die wenigsten fahren hier an die Selbstbedienungs-Zapfsäulen, denn das ist maximal umständlich gelöst. Man geht zur Kasse, bezahlt das Benzin, dann geht man zur Zapfsäule und tankt. Will man volltanken, möchte der Kassenwart gerne ein Pfand haben. Dann schaltet er die Zapfsäule frei. Anschießend ein zweiter Gang zur Kasse und bezahlen. Nein danke.

Tankwarte bei der Arbeit

Die Tankwarte füllen den Tank und kassieren. Man muss das Fahrzeug nicht verlassen. Sehr praktisch, komfortabel und es schafft Arbeitsplätze, die nicht oder nur wenig vom Tourismus abhängig sind. Solche Arbeitsplätze sind in Aruba eher die Ausnahme, der größte Teil der Wirtschaft ist hier der Tourismus.

Nochmal ganz kurz zurück zum Fußball. Am Samstag ist der Anpfiff hier um 12 Uhr mittags. Das werden einige Fahrgäste zu spüren bekommen, denn auf der Strecke ist dann ein Bus weniger unterwegs.

Dekoration am Gartentor und im Bus. Traurig, das Ergebnis.

Am Tag nach dem ersten Fußballspiel arbeiten wir uns ein wenig im Garten ab. Der braucht dringend eine Verschönerung. Insbesondere die beiden Palmen, die links und rechts der Eingangstreppe stehen, sind maximal störend. Sie versperren den Zugang zur Treppe und breiten sich immer mehr aus. Ich kürze die Palmen, dünne die Palmwedel etwas aus und fülle damit den Kofferraum meines Autos.

Esel mit Delikatessen

Der Grünschnitt wird der Weiterverwertung zugeführt. So werden dann alle doch noch zum Gewinner. Soraida gewinnt schön zurecht gestutzte Palmen und die Esel gewinnen eine leckere Zusatzmahlzeit. Zumindest die, die am Eingangszaun stehen. So viel Grünschnitt ist es ja auch nicht.

So sehen Sieger aus!