Inseltour

Krrtsch. Quietsch. Knarz. Diese Geräusche kenne ich von meinem Wagen nicht. Immer wieder schleifen Teile der Karosserie über den Boden, am kleinsten Kieselstein bleiben wir hängen. Der Wagen hat eine solche Tour noch nie mit so viel Beladung absolviert. Die nicht asphaltierte Straße hinter dem Haustierfriedhof geht an die Belastungsgrenze.

Friedhof der Kuscheltiere (Archiv, Foto von Jens)

Wieder einmal bin ich auf Inseltour, diesmal mit der Crew der Samai. Es handelt sich ausnahmslos um sehr große Menschen und es sind vier Mitfahrer, die sich in meinen für vier Personen zugelassenen Wagen hineingefaltet haben. Ich fange die Inseltour immer in San Nicolas an, wenn es noch nicht so heiß ist. So spaziert es sich leichter von einem Kunstwerk zum nächsten. Anschließend geht es nach Baby Beach und zum Haustierfriedhof.

Iguana in San Nicolas als Stellvertreter für mehrere Dutzend Kunstwerke (Archiv)

Während ich versuche, möglichst ohne Bodenkontakt über die Sandpiste zwischen den riesigen Kakteen zu steuern, machen meine Mitfahrer Foto um Foto. Ich selbst werde am Abend feststellen müssen, dass ich über den ganzen Tag lediglich sechs Aufnahmen geschossen habe. Geschafft, wir sind wieder auf der asphaltierten Straße. Der Wagen rollt noch und es scheinen auch keine Flüssigkeiten auszulaufen. Eigentlich müsste ich mir mal anschauen, wie tief das Auto jetzt auf der Fahrbahn liegt. Ich verdränge den Gedanken.

Lourdes-Grotte. Eine von knapp 300 Lourdes-Grotten weltweit.

Immer wieder gerne fahre ich zur Lourdes-Grotte. Sie erinnert mich daran, wie für mich in Aruba alles angefangen hat. Damals im März 2020, als Jens und ich von Bonaire kommend Aruba erreichten. Unser erster Ausflug führte uns nach San Nicolas und wir haben es doch tatsächlich geschafft, durch den Ort zu laufen, ohne auch nur ein einziges der Kunstwerke an den Hauswänden zu bemerken. Statt dessen fanden Jens und ich die Lourdes Grotte.

Die Krippe ist fast fertig aufgebaut. Ochs und Esel sind schon da. Man muss aufpassen, dass Desiree den Esel nicht einfängt. Das Jesuskind kommt natürlich erst nächsten Monat zur Welt.

Nach der eingehenden Besichtigung der Grotte sind wir wieder auf der Straße. Ohne weiteren Bodenkontakt und nach kurzem Zwischenstopp an Desirees Haus mit den sechs Eseln im Garten gelangen wir zur Balashi Gold Mine Ruine bzw. Spanish Lagoon, der einzigen Mangrovenbucht in Aruba. Ich kann mich auch heute noch nicht an diesem Ausblick satt sehen. Nur wenige Touristen finden diesen Ort, denn er ist nicht auf allen Straßenkarten verzeichnet, die in die Mietwagen gelegt werden.

Blick von der Goldmine über die Mangroven. Hier steht das Salzwasser im Landesinneren (Archiv)

Der nächste natürliche Zwischenstopp wäre das Donkey Sanctuary. Von der Goldmine bis zu den Eseln fährt man keine zwei Minuten. Das überspringen wir, denn schließlich kommen Maila, Samuel, Sandra und Michael regelmäßig am Sonntagnachmittag mit mir mit. Wir fahren direkt zur Casibari Rock Formation. Hier kommen wir zum ersten Mal in Kontakt mit dem, was so ein Kreuzfahrtschiff um sich wirft: Jede Menge Menschen. Leider sind die Kreuzfahrtschiffe wieder unterwegs. Leider kommen sie auch wieder regelmäßig nach Aruba. Es sind nicht mehr zwei Kreuzfahrer pro Tag, sondern eher vier bis fünf in der Woche. Das macht es nicht besser. Ich mache die Inseltour am liebsten an Samstagen, weil dann die Amerikaner ihren Bettenwechseltag haben und vor allen Dingen die Straße vor dem Flughafen blockieren. Ein Kreuzfahrer kann einem diese Planung vollkommen zunichte machen. Andererseits kenne ich die Inseltouren der Profis fast so gut wie die Profis selbst.

Blick von Casibari aus auf die Kreuzfahrtschiffe in Oranjestad (Archiv)

Trotz eines gewissen Hüngerchens kutschiere ich meine Gruppe (Fremdenführer-Sprache) unverzüglich weiter nach Ayo Rock. Ich fühle mich von Reisebussen verfolgt, die ich noch gar nicht sehen kann. Wir spazieren den Rundweg, sehen keine anderen Touristen und Maila fürchtet sich etwas vor den Wespen, die an den Felsen ihre kleinen Nester bauen, sie ist in der Vergangenheit schon einmal gestochen worden.

Das beste Bild, das ich je von diesen Tierchen schießen konnte. Die Nester sind alle so winzig und kleben überall an den Felsen. Dass eine von diesen Wespen irgendwann irgendjemanden gestochen hätte, habe ich noch nicht erlebt. Es sind friedfertige Tiere.

Ein Blick auf die Uhr verheißt Gutes. Es ist etwa 13 Uhr. Das ist zu spät für die Busse, die die Natural Bridge und den Natural Pool am Vormittag anfahren. Es ist zu früh für die Busse, die die Runde anders herum machen. Also ist es unsere Zeit im Pool. Bei unserer Ankunft ist der Parkplatz leer, der Wagen schleift mit furchtbaren Geräuschen über den Boden aus versteinerten Korallen. Die See ist heute sehr rau.

Raue See und Hochwasser sind Garanten für das ultimative Strömungserlebnis im Pool.

Kaum zu glauben. Wir sind wirklich die einzigen Besucher. Für fast eine halbe Stunde haben wir den Pool komplett für uns. Selbst die beiden Mitglieder einer geführten Tour, die der Fremdenführer über die Steine klettern lässt, verschwinden nach gefühlt 30 Sekunden Badezeit. Die Strömung ist heute gigantisch. Krasse Wellen hämmern von Außen an die Felsen, der tiefe Bass des Echos in der Kammer wummert im Bauch und in den Ohren.

Viel Spaß in der Strömung. Ich glaube, Michael sieht begeistert wieder eine Welle heran rauschen.

Ich liebe diese Inseltouren. Alleine fahre ich doch nicht in den Natural Pool. Da fehlt mir echt die Motivation. Ich fahre alleine auch nicht nach Casibari oder Ayo Rock. Ich fahre alleine nur selten nach San Nicolas und wenn, dann um ein Restaurant zu besuchen. Die Naturdenkmäler besucht man als normaler Tourist schließlich nur einmal und dann nie wieder. Ich war inzwischen mit vielen Gruppen hier und kann mich immer wieder mal erfreuen.

Aufgrund der rauen See lohnt sich dieses Bild von der Natural Bridge. Ich habe wesentlich schlechtere Aufnahmen im Archiv.

Wir nehmen uns wie immer Zeit. Ich mag meine Gruppe nicht hetzen, sie sollen schließlich die Insel in ihrem Tempo erleben. Gehetzte Touristengruppen gibt es genug, eine solche erscheint gerade in einem großen Bus von Fofoti-Tours. Alle Teilnehmer haben Bordkarten um den Hals gehängt, der Bus ist mit “Best of Aruba Bus 1” beschriftet. Jetzt kommt die Samai-Crew freiwillig zurück zum Auto und wir verlassen den schönen Ort.

Samuel, Maila, Sandra und Michael auf der Natural Bridge. Das Überqueren der Brücke ist verboten. Ich erinnere mich noch gut an den Spruch “darum kümmern wir uns doch sonst auch nicht”. Ob sie über die Brücke gelaufen sind oder nicht, darüber decke ich den Mantel des Schweigens.

Mir ist klar, dass wir uns nun in einer Wettbewerbs-Situation mit den Bussen befinden. Mein Magen knurrt ein wenig, die Nahrungsaufnahme wird uns zurück werfen. Andererseits sind die großen Gruppen schwerfällig und langsam. Da wir heute Samstag haben, ist der Lionfish-Imbiss geöffnet. Es schmeckt wie immer gut.

Lionfish Kibbeling (Archiv)

Am Morgen haben wir unsere Rundfahrt im Süden der Insel begonnen, nun arbeiten wir uns immer weiter in den Norden vor. Auf dem Weg zur Altovista-Chapel bete ich fast, dass wir von den Kreuzfahrern verschont bleiben. Die kleine Kapelle ist der letzte mögliche Konfliktpunkt, den wir mit den Bussen haben können.

Andächtig im Inneren des sakralen Gebäudes

Eine gewisse Müdigkeit macht sich bei uns breit. Wir sind nun schon seit fast sechs Stunden unterwegs. Ein wesentlicher Punkt fehlt uns aber noch, das California Lighthouse an der Nordspitze von Aruba. Gleich hinter einem der Tourbusse erreichen wir den Parkplatz. Meine Gruppe ist beinahe enttäuscht, so viele Menschen auf einem Fleck. Ich kann sie beruhigen, denn ich weiß genau, dass kein einziger Kreuzfahrer es auf den Leuchtturm schaffen wird. Ich war schon einmal oben, spare mir das Eintrittsgeld und bleibe unten. Dabei beobachte ich das Treiben rund um die Busse.

Bus 4 und Bus 1 der “Best of Aruba” Rundfahrt. Die Crew der Samai ist gerade auf der Aussichtsplattform.

Im Abstand von etwa 10 oder 15 Minuten kommt einer dieser Busse angefahren. Die Tür öffnet sich und mehrere Dutzend einigermaßen Gehbehinderter rollen sich die Treppenstufen herunter. Ein Schiff von Carnival Cruises bringt garantiert adipöse Amerikaner nach Aruba. Je nach Möglichkeiten schaffen es diese Kreuzfahrer dann noch zum Getränkestand oder nur für ein Foto auf den Parkplatz. Mindestens ein Dutzend Menschen der Gewichtsklasse 150kg oder mehr. Im Leuchtturm ist kein Aufzug.

Wir sind erschöpft von der langen Tour, seit sechseinhalb Stunden sind wir unterwegs. Nach einem kleinen Abstecher in die Hotelzone mit den ganz großen Hotels, den Einkaufspalästen und den teuren Restaurants, in denen sich nur US-Amerikaner wohlfühlen können, fahren wir auf dem schnellsten Weg zurück zu unseren Booten. Ich bin selbst nicht mehr ganz da, denn ich vergesse sogar den sonst obligatorischen Zwischenstopp bei den Instagram-Bäumen. Michael und ich lassen den Abend mit ein paar Bier auf der Samai ausklingen.

Instagram Baum an Eagle Beach (Archiv)

Update zu Gustav: Ich freue mich für ihn, denn er hat ein Boot gefunden, das ihn in der kommenden Woche zu den San Blas Inseln mitnimmt.

Betriebsausflug

Ich verwende dieses Wort mit einem Lächeln im Gesicht. Tim aus dem Donkey Sanctuary versucht immer wieder, lustige deutsche Worte zu lernen. Juri und ich bringen ihm dann Wortungetüme wie “Schienenersatzverkehr” bei. Das Wort “Betriebsausflug” ist auch so ein wunderschönes deutsches Wort.

Einmal im Jahr werden die Helfer:innen des Tierheims vom Team der Jolly Pirates zu einer Tour eingeladen. Ich habe Glück, denn die Tour findet statt, während ich noch in Aruba bin. Wir sind zu einer Sonnenuntergangs-Tour eingeladen. Es soll um 17 Uhr losgehen.

Auf dem Weg zu Boca Catalina. Dort wollen wir ankern und den Sonnenuntergang genießen.

Also bin ich schon um 16:30 Uhr auf dem Parkplatz. Ich treffe Eva und wir stellen fest, dass die Deutschen mal wieder die ersten sind. Nach und nach treffen dann die Niederländer ein und zuletzt natürlich auch die Arubaner. Es ist schon lustig, wie diese Klischees mal wieder passen. Schlussendlich werden wir um 17:30 Uhr mit dem Beiboot zur Jolly Pirates gefahren, die es im flachen Wasser bei den großen Hotels nicht an den Steg schaffen kann. Wir sind kaum an Bord, dann wird auch schon die Bar geöffnet. Wir haben die Wahl zwischen Rumpunsch, Wodka-Mixgetränken und dem berühmten Piratengift aus mehreren Sorten Alkohol. Sandy reicht Snacks herum. Befeuert durch die Getränke steigt die Stimmung schnell.

Snacks, Getränke, ein schöner Sonnenuntergang und super Stimmung

Die Fahrt zum Ankerplatz dauert nur ein paar Minuten. Wer Lust hat, kann jetzt ins Wasser springen. Ich habe keine Lust, war ich doch gestern erst im Natural Pool. Das reicht mir für ein paar Wochen. Statt dessen quatsche ich mal hier und mal dort mit den Leuten. Ich staune, wie viele Unterstützer das Animal Shelter hat. Wenn man alle Volunteers vom Donkey Sanctuary auf die Jolly Pirates bringen würde, wäre das Boot nicht einmal halb so gut gefüllt.

Das Schwesterschiff unserer Jolly Pirates

Wie in der Karibik üblich folgt auf den Sonnenuntergang eine kurze Abenddämmerung und dann ist es schon Nacht. Der Kapitän macht den DJ und heizt die Stimmung an. Ausgelassenes Singen und Tanzen ist die zwingende Folge. Eva meint, sie sei schon mit Amerikanern auf solchen Touren unterwegs gewesen. Das wäre dann immer sehr langweilig. Langweilig ist es bei uns nicht. Die Jolly Pirates hat übrigens weniger Tiefgang als Sissi. Mit Sissi könnte ich gar nicht so dicht unter Land ankern.

Brush. Der neue Song zum Reinigen der Tierkäfige.

Den Rückweg empfinde ich dann ein wenig gruselig. Vom Ruder aus hat der Skipper keinerlei Sicht nach vorne. Er muss immer wieder das Ruder festbinden und dann nach Backbord und Steuerbord an die Reling gehen. Von dort aus kann er wenigstens irgendwie nach vorne schauen. Ein mittelgroßes Fischerboot oder eine Segeljacht könnten sich hinter dem Bugspriet verstecken. Da hilft nur Feiern und gar nicht daran denken. Es ist ein schöner Abend geworden.


Update von Gustav: Er versteckt sich inzwischen auf dem Boot eines Kolumbianers, den er in Aruba kennengelernt hat. Der verrückte Kanadier Brett hat ihn massiv bedroht. Ich an seiner Stelle würde Santa Marta verlassen und mein Glück in Cartagena versuchen. Die Taxifahrt kann nicht übermäßig teuer sein, bei der Samai habe ich im Blog gelesen, dass sie für etwa 25 Dollar eine Stunde mit dem Taxi gefahren sind. Ich versuche, den Kontakt zu ihm zu halten.

Der zweite Geburtstag

Manchmal passiert hier nicht viel, dann habe ich nicht viel zu schreiben. Im Augenblick habe ich einige Geschichten auf Vorrat. So zum Beispiel diese, die mich nur scheibchenweise erreicht hat. Diesmal schreibe ich über das Segeln. Ich versuche, die Geschichte von Gustavs weiterer Reise aufzuschreiben. Der hat nämlich Aruba vergangene Woche an Bord eines Katamarans verlassen. Ich kenne den Katamaran Lucid und seinen Besitzer Brett von mehreren Begegnungen. Die Geschichte habe ich natürlich nicht erlebt, sondern nur von Augenzeugen.

Elvis und Max. Freunde fürs Leben. Ich würde die beiden sofort adoptieren. Zwei wunderschöne Kater, die wahrscheinlich ihr ganzes Leben im Animal Shelter verbringen werden. Beide sind Menschen gegenüber sehr scheu und verstecken sich gerne vor uns.

Gustav arbeitet schon eine ganze Weile auf dem Katamaran. Er hilft Brett, seine in Aruba erworbene Manta 42 fit für die große Reise zu machen. Als Preis winkt ihm eine Passage nach Kolumbien. Wenn es um die Elektrik geht, fühlt sich Gustav nicht unbedingt kompetent. Deswegen darf ich Brett Rede und Antwort stehen, er hat viele Fragen. Mein dringendster Ratschlag ist, die Batterien des Boots zu tauschen. Die mehr als zehn Jahre alten Energiespeicher mitsamt antiquierter Ladetechnik sind meiner Meinung nach der schwächste Punkt seiner Energieversorgung.

Einige Tage später erzählt mir Gustav im Donkey Sanctuary vom Probesegeln mit Brett. Gustav besitzt in Dänemark ein kleines Segelboot und hat ein wenig Ahnung von der Materie. Gustav ist entsetzt, wie wenig sein Skipper über das Segeln, den Segeltrimm und den Umgang mit dem Boot weiß. Ich erzähle ihm ein wenig von der Geschichte der Chapo. Jutta und Charlie sind ohne Vorkenntnisse mit ihrem Boot von der Ostsee bis in die Karibik gesegelt. Ich möchte ihn aufmuntern. Später am Nachmittag fährt die komplette Crew aus dem Donkey Sanctuary zu einem Sonnenuntergangs-Segeltörn auf der Lucid.

Ich habe die Bilder aufnehmen können, weil die beiden sich ausnahmsweise nicht hinter den hohen, geschlossenen Katzenklos versteckt haben, sondern hinter einem offenen. Kurz nach den Aufnahmen sind beide in einem neuen Versteck verschwunden.

Ein paar Tage später bekomme ich eine Nachricht von Gustav. Brett fragt an, ob ich ihm bei der Installation des Funkgeräts und des AIS helfen kann. Das kann ich. Außerdem soll ich die Antenne überprüfen. Für netto eine Stunde Arbeit ziehe ich Brett 100 Dollar aus der Tasche. Dabei fällt es mir allerdings sehr schwer, dem Kanadier meine Installation zu erklären. Er zeigt keinerlei Interesse an der wichtigen Infrastruktur. Selbst den Funkcheck mit Aruba Port führe ich durch und nicht er. Warum? Kann mir eigentlich egal sein, ich habe das Zeug installiert und es funktioniert. Zurück auf Sissi kann ich den Erfolg meiner Arbeit sehen, denn nun erscheint die Lucid auf meinem AIS-Bildschirm.

Ich verbringe mal wieder Zeit bei den Eseln. Gustav hat das Donkey Sanctuary inzwischen verlassen und wohnt auf dem Katamaran. Es sind noch Restarbeiten abzuschließen. Der junge Österreicher Juri wohnt noch ein paar Tage bei den Eseln. Er fragt mich nach meinem Vorgehen, wenn ich einen Anker setze. Ich erkläre es ihm Schritt für Schritt. Zuerst den Ankerplatz aussuchen. Wenn das Boot dort still steht, den Anker runter auf den Grund lassen. Anschließend das Boot gemütlich rückwärts treiben lassen und nach und nach immer mehr Kette rauslassen. Wenn genug Ankerkette draußen ist, wird der Anker mit ordentlich Motordrehzahl eingefahren. Juri meint, ich erkläre es genau so, wie er es einmal gelernt hat.

Juri war Zeuge verschiedener Ankerversuche von Brett, bei denen er jedes Mal eine Furche durch den Grund gezogen hat, der Anker aber niemals hielt. Ansonsten endete die Sonnenuntergangs-Segeltour in einem kleinen Desaster. Bei Dunkelheit sollte Gustav den Grund im Auge behalten. Bei Dunkelheit kann man den Grund aber gar nicht sehen. Brett rammte den Katamaran in den Grund und das Boot kam erst nach mehreren Versuchen wieder frei. Vor der versammelten Gruppe wurde Gustav dafür verantwortlich gemacht, schließlich sollte er ja nach dem Grund sehen. Ich nehme dafür mein Echolot. Es geht für mich gar nicht, dass der Skipper ein Crewmitglied für seine eigenen Fehler verantwortlich macht.

Laut Juri ist Brett stolz darauf, einer der Journalisten zu sein, der die meisten Artikel zum Thema verfasst hat, dass Herrn Trump die Wahl gestohlen worden sei. Damit fällt er aus der Liste derer heraus, denen ich zu helfen bereit bin. Ich unterstütze keine Trumpisten.

Einmal am Tag ist es möglich, die beiden ordentlich zu streicheln. Immer wenn der Käfig sauber gemacht wird, findet man die beiden hinter den großen Futterboxen in der Küche. Dort kommen sie sogar raus und lassen sich um die Wette streicheln. Wenn man den einen streichelt, ist der andere eifersüchtig. diese Herrlichkeit endet immer dann, wenn wir mit dem Reinigen fertig sind. Dann verschwinden die beiden wieder in einem Versteck.

Nach dem Umzug aus der Marina in die Ankerbucht fragt Gustav noch einmal bei mir an, ob ich bei den Energieproblemen helfen könnte. Es ist wie von mir vorhergesagt, die laschen Batterien bringen es nicht. Ich lehne ab und warne Gustav noch einmal eindringlich vor seinem Skipper. Der hat sich nicht im Griff und ist eine Gefahr für seine Crew und andere Boote. Irgendwann erfahre ich, dass die beiden Aruba in Richtung Kolumbien verlassen haben. Nach zwei Tagen Funkstille bekomme ich eine Textnachricht von Gustav, dass er es nach Santa Marta geschafft hat. Innerlich denke ich, dass es sogar die größten Segelspackos vor dem Wind von Aruba nach Kolumbien schaffen können. Gustav möchte mir die Geschichte erzählen. Nach mehreren Versuchen können wir miteinander telefonieren.

Der erste Reisetag war noch ganz schön. Insbesondere das Nachtsegeln war ein Traum. Am zweiten Tag frischte der Wind auf, die Segeln wurden aber nicht gekürzt. Dadurch kam es immer wieder zur Überlastung des Autopiloten, der dann auf Standby geht. Ich kenne das, das macht der Sissi-Autopilot auch, wenn er den Kurs nicht mehr halten kann. Die Lösung ist immer, eine bessere Balance das Boots durch Kürzen der Segel zu erreichen. Etwa 15 Meilen vor Santa Marta blockierte der Autopilot plötzlich in der Hart-Backbord-Stellung. Der Katamaran fuhr sozusagen nur noch im Kreis. Auch mit Hilfe der Motoren gelang es nicht, einigermaßen geradeaus zu fahren. In den beiden Rümpfen gibt es Luken, durch die man von oben an das Ruder kommen kann. Brett öffnete diese Luken beide und versuchte, das Ruder wieder funktionsfähig zu bekommen. Gustav meinte, Brett sei zu diesem Zeitpunkt schon sehr panisch gewesen und versuchte mit Seilen, die blockierte Hydraulik zu ersetzen. Eine erste Welle schlug in die offene Luke, dann eine zweite und es folgten weitere Wellen. Das Boot hatte schnell eine heftige Schlagseite. Gustav konnte noch sein Telefon, seinen Pass und sein Portemonnaie retten. Im knietiefen Wasser ist er in seine Koje geeilt und im brusttiefen Wasser wieder zurück. Die beiden retteten sich in das Dinghi und wurden kurze Zeit später von einem anderen Segelboot aufgenommen. Der Katamaran Lucid ist innerhalb weniger Minuten gesunken.

Ich gratuliere Gustav zu seinem zweiten Geburtstag und empfehle ich, diesen ab sofort jedes Jahr zu feiern.