Klimawandel

Nach 15 Tagen auf See und 15 Tagen ohne aktuelle Nachrichten vom Weltgeschehen muss ich sagen, dass es mir damit sehr gut geht. Normalerweise sehe ich täglich die Tagesschau. Wahrscheinlich werden wir nach unserer Ankunft eine Ausgabe der Tagesschau sehen und feststellen, dass wir eigentlich gar nichts verpasst haben. So ist es mir in der Vergangenheit in mehrwöchigen Urlauben schon oft gegangen.

Auch wenn wir keinerlei Nachrichten darüber haben, können wir sicher sein, dass in der Ukraine noch geschossen wird. Auch wenn bei uns an Bord der Herr Covid sein Unwesen nicht treibt, können wir uns sehr wohl sicher sein, dass auch weiterhin Menschen daran erkranken und sterben. Wir tun unser möglichstes, um so wenig CO2 in die Atmosphäre auszublasen, nutzen weitgehend regenerative Energien für das Vorankommen und die Stromerzeugung. Hoffentlich ist der Klimawandel noch Thema in den Nachrichten. Die einzigen Nachrichten, die wir uns bestellt haben, sind die über wichtige Sportereignisse, wie etwa den Europapokalsieg unserer Eintracht.

Einen ganz lokalen Klimawandel haben wir in den letzten Tagen auf der Sissi erlebt. Wir haben definitiv die Barfußroute verlassen. Nach dem Pokalsieg geht Jens schlafen, ich greife mir mein Buch und setze ich ins Cockpit. Barfuß, nur mit einem Pulli und einer leichten Hose. Ich hadere mit der Wettervorhersage, haben die doch fünf Windstärken vorhergesagt, wir bekommen aber maximal drei bis vier davon mit.

Das ändert sich mit einem Mal gründlich, eine Bö fällt ein, Sissi luvt an und ändert den Kurs von 35° auf 310°. Es bläst unglaublich, wir haben eine ungemütliche Schräglage. Es kostet mich eine Viertelstunde, die Windfahne neu einzustellen und Sissi wieder vor den Wind zu drehen. Dann ist sie Situation wieder für ein paar Stunden stabil. Ich lese weiter. Leichter Nieselregen setzt ein.

Kurz nach Mitternacht flaut der Wind plötzlich ab. Wir fahren in die Halse. Dann fahren wir fast gar nicht mehr. Nach einer halben Stunde ungemütlicher Fahrt lasse ich die Genua etwas heraus. Dumme Idee, denn ein paar Minuten später kommt der Wind in Begleitung eines heftigen Regenschauers zurück. Nach dem erneuten Reffen und Einstellen der Windfahne bin ich klatschnass bis auf die Haut. Ich ziehe mir trockene Sachen an.

Leider habe ich die Regensachen nicht griffbereit. Auch die frischen, trockenen Klamotten sind innerhalb weniger Minuten durch. Ich bin wieder nass bis auf die Haut. Meine Füße fühlen sich an, als wäre ich stundenlang in der Badewanne gewesen. Um 2:15 Uhr muss ich Jens wecken, ich kann nicht mehr. Ich liege stundenlang unter einer Winterdecke im Bett, bis ich wieder warm bin.

Jens sitzt dann noch drei Stunden im Cockpit, hilft der Windfahne immer wieder, uns auf den Kurs zurück zu bringen. Der Wind ist zu böig, als dass sie es alleine schaffen würde. Endlich kommt ein ersehnter Winddreher und die Fahrt wird insgesamt ruhiger.

In der kommenden Nacht werde ich die Regensachen griffbereit haben, inklusive der Gummistiefel für die Füße. Noch einmal wird mich der Regen so nicht erwischen. Unsere Zeit auf der Barfußroute ist ein für allemal vorbei. Am Morgen finde ich Jens im Salon in eine warme Decke gewickelt. Offenbar empfindet auch er die Temperaturen als kalt. Für mich fühlen sie sich sehr kalt an, knapp drei Jahre in der Karibik haben ihre Spuren hinterlassen.

15. Etmal: 121 nm
Position: 35°03‘N 49°35‘W
Reststrecke: 1024 nm