Ein paar Regentropfen fallen durch mein Heckfenster und wecken mich auf. Ich schaue auf die Uhr und bin erstaunt. Es ist 8 Uhr und ich kann keine Schleifmaschinen hören. Natürlich – es ist Mardi Gras. Faschingsdienstag. Es ist ein hoher Feiertag. Die Geschäfte machen heute wie an Sonntagen schon um 12:30 Uhr zu. Ich genieße die Ruhe, drehe mich noch einmal herum und kann noch eine Stunde schlafen. Heute wird hier bei uns sowieso nichts passieren.
Vor zwei Wochen war Fred bei uns an Bord und hat den Motor auseinander und die Einspritzpumpe mitgenommen. Fred ist der Besitzer von A.C.T.-Marine. Nach unserer Ankunft war ich bei allen möglichen Kandidaten im Umfeld der Marina, um einen Mechaniker für unseren Motor zu bekommen. Von verschiedenen Menschen ist mir Fred empfohlen worden. Auch unser Nachbar ist begeistert, Fred sei ein Magier mit Motoren. So weit, so gut. Ich fühlte mich in guten Händen.
Nach der Rückgabe des Mietwagen musste Eike feststellen, dass es besser ist, ein Auto zu haben als kein Auto zu haben. Mein Problem ist, dass ich eine teure Motorenreparatur erwarte, gerade über 1000€ für Batterien ausgegeben habe und deswegen nicht unnötig Geld für den Mietwagen ausgeben kann. Billige Mietwagen sind leider ausverkauft, die Billiganbieter sind auf Wochen ausgebucht. Es tut mir leid für Eike, dass wir uns nicht mit Sissi um die Insel bewegen können.
Ich frage Eike, ob er Lust auf einen Ausflug mit dem Bus hat. Wir nehmen noch die Wanderkarte mit, doch ich stelle schnell fest, dass die entscheidenden Wanderwege ziemlich abseits der Linienwege sind. Am Busbahnhof angekommen werden wir gleich nach unserem Ziel gefragt und uns wird der Bus gezeigt. Ich löse bis Basse-Terre, der Endstation.
Dafür, dass der Wegweiser vorhin so viel Wind gemacht hat, müssen wir noch recht lange auf die Abfahrt warten. Der Bus hat eine Unzahl von Sitzplätzen, da in jede Reihe fünf Sitze gequetscht worden sind. Fast 80 Passagiere können so mitfahren. Dann ist es aber wirklich kuschelig. Wir haben Glück, jeder von uns hat eine halbe Sitzreihe für sich.
Am Anfang ist die Fahrt noch recht unterhaltsam. Wir fahren nicht auf der Hauptstraße nach Basse-Terre, sondern auf der Straße, die früher einmal die Hauptstraße gewesen sein muss. So kommen wir durch all die Dörfer, die wir mit dem Mietwagen immer umfahren haben. Nach mehr als einer Stunde Busfahrt haben wir etwa die Hälfte des Weges hinter uns. Inzwischen wird es etwas langweilig. Die Fahrt könnte jetzt durchaus mal ein Ende nehmen. Die Landschaft ist natürlich immer wieder beeindruckend schön. Dann nimmt unsere Fahrt ein ziemlich abruptes Ende. Mitten auf dem Acker bleibt der Bus stehen und der Fahrer schickt die verbliebenen Fahrgäste auf die Straße. Dann verweist er auf einen Kleinbus, der vor unserem Bus geparkt ist. Eike und ich steigen ein, ohne noch einmal zu bezahlen. Ich bin der festen Überzeugung, bis Basse-Terre bezahlt zu haben. Viele andere Fahrgäste zahlen noch einmal. Vielleicht haben die nicht durchgelöst. Die Busfahrerin hat es an der Endhaltestelle eilig, ihren Bus zu verlassen und mit Kollegen zu schwätzen, also können wir nicht allzu viel falsch gemacht haben.
Ein weiterer Kleinbus fährt uns auf dem nächsten Abschnitt Richtung Pointe Noire, immer die Westküste entlang. Wir sehen schöne Ankerbuchten und überlegen, wann wir mit Sissi dort sein können. Der Busfahrer fährt an die Tankstelle und tankt. Dann geht es weiter. In Mahaut wollen wir umsteigen in den Bus zurück nach Pointe-a-Pitre. Der fährt mitten durch das Gebirge und soll der Höhepunkt der heutigen Tour werden. Wir erfahren vor dem örtlichen Laden von einer Gruppe junger Menschen, dass wir den Bus um wenige Minuten verpasst haben. Wir stellen fest, dass kein weiterer Bus mehr fährt. Es gelingt uns nicht, per Anhalter weiter zu kommen. Wir hängen fest, ich gehe in den Dorfladen und frage die Kassiererin, ob sie ein Taxi rufen kann. Sie informiert mich, dass es hier keine Taxis gibt. Zum Glück haben wir uns ein wenig mit den jungen Leuten angefreundet, die vor dem Laden ihre Freizeit verbringen. Wir bekommen angeboten, dass man uns nach Hause fährt. Ich werde mit dem Fahrer schnell über den Preis einig und nur eine halbe Stunde später sind wir wieder auf Sissi. Noch einmal ganz herzlichen Dank!
Inzwischen ist eine Woche ins Land gegangen, seit die Einspritzpumpe nicht mehr an Bord ist. Das liegt noch voll in dem von Fred prognostizierten Zeitrahmen. Es ist mir ein Ritual geworden, jeden Tag bei Fred vorbei zu schauen und nach der Pumpe zu fragen. Eike hat einen Freund im Hafen gefunden, der auf einem Boot zwei Stege weiter wohnt und auf der Werft arbeitet. Wir haben sogar eine Einladung zum Essen. Wir spielen immer noch jeden Tag einige Partien Schach. Die Partien haben inzwischen ein sehr ordentliches Niveau angenommen und sind anstrengend geworden. Meist ist nach drei bis fünf Runden das Gehirn ausgeleiert.
Wieder wird es Wochenende, noch immer ist die Einspritzpumpe bei Bosch. Denke ich jedenfalls, wenn Fred keine Scheiße erzählt. Eike kommt mal wieder von einem Besuch bei seinem Freund zurück. Der will eigentlich keinen Mist über Kollegen in der Werft auskippen, warnt Eike aber davor, dass Fred seine Masche durchziehen könnte. Er würde die Pumpe bei sich ins Regal legen und irgendwann mit einer überhöhten Rechnung rüber kommen. Ich solle bitte einen Riesenterror machen, damit es bei uns endlich weiter geht. Es ist ja nicht so, dass mir vorher nicht schon ähnliche Gedanken gekommen wären. Das ist nur noch einmal eine Bestätigung. Eine weitere Bestätigung erhalte ich vom Dockmaster, der mich nach meinem Befinden und nach unserer Situation fragt. Ich erzähle von der Pumpe und er fragt gleich, ob wir bei Fred seien. Na klasse. Und es steht Karneval vor der Tür.
An Rosenmontag stelle ich mir früh den Wecker und fahre mit dem Bus zu Mercedes Benz. Dem Verkäufer muss ich nicht lange erklären, warum ich mit meinem Mercedes nicht in die Werkstatt kommen kann. Keine fünf Minuten später stehe ich neben Holger, einem Riesen von mindestens 2,20 Metern Länge. Holger arbeitet gerade an einem Kundenfahrzeug, der Kunde steht daneben. Das Schöne an der Karibik ist, dass die Hilfsbereitschaft der Menschen schier grenzenlos ist. Der Kunde akzeptiert, dass wir beide uns eine Viertelstunde auf Deutsch unterhalten.
Holger erklärt mir die Schritte, die zum Ausbauen unternommen werden müssen. So weit ich beurteilen kann, hat Fred das wenigstens getan. Wenn sie bei Bosch ist, meint Holger, werden wir sie schon loseisen können. Schlimmer ist es, wenn sie bei Fred in der Werkstatt ist und nie bei Bosch war. Nach dem Ausbauen braucht sie auf jeden Fall eine Revision. Und Holger bestätigt mir, dass der Bosch Reparaturdienst nicht der Schnellste ist. Die zwei Wochen liegen zeitlich durchaus im Rahmen. Dank Fasching kann ich aber vor Donnerstag nicht auf Fortschritt hoffen. Na denn Prost! Das ist der Teil der Karibik, den ich nicht ausstehen kann. Sie meinen es richtig ernst, wenn sie feiern.
So kann auch der neue Nachbar aus München erst einmal drei Tage am Kranplatz festmachen. Zwischen Montag und Donnerstag werden keine Boote gekrant. Im Prinzip geht es uns noch richtig gut. Er hat einen Schaden von mindestens 20000€, weil er mehrere harte Grundberührungen hatte. Das Boot leckt und muss getrocknet werden, dann wird das Laminat wieder neu aufgebaut. Ich bin mir sicher, dass das alles auch gemacht werden wird. Ich bin mir aber auch sicher, dass der Zeitrahmen bis Ende März für diese Aufgaben nicht ausreicht.
Und ich hoffe, dass sich unsere dunklen Wolken in den nächsten Tagen verziehen. Wenn ich die Einspritzpumpe wieder habe, werde ich Fred sonstwohin schicken. Den Wiedereinbau lasse ich lieber von Holger machen.