Auf in ein neues Land!

Kuba steht ganz oben auf unserer Prioritätenliste, was die Länder in der Karibik angeht. Kuba ist allerdings auch über 1000 Meilen von Martinique entfernt. Wir wollen nach Kuba, also beschließen wir, dass die Sache mit der Bilge auch unterwegs geklärt werden kann. Wir laden neue Wetterdaten herunter und beginnen, innerlich zu fluchen wie ein Schotte im Pub. Für zwei Tage gibt es schwachen bis ordentlichen Wind, dann kommen drei Tage mit ordentlichem bzw. sehr guten Wind und anschließen fallen wir in ein Flauteloch, das dann nach zwei weiteren Tagen durch Starkwind bzw. Sturm ersetzt wird. Wir können nicht nach Kuba.

Für Jamaika gilt im großen und ganzen das, was ich eben zu Kuba geschrieben habe. Die Entfernung ist in einer ähnlichen Größenordnung, der Weg ist bis auf die letzten 200 Meilen identisch und das Wetter naturgemäß nicht besser. Wir können nicht nach Jamaika.

Wir spielen mit der Seekarte und überlegen uns Ziele. Ziele, die wir mit dem vorhandenen Wind bequem erreichen können. Ziele, die uns weiter bringen. Wir finden ein Ziel und machen uns startklar. Nach dem erneuten Ausklarieren verlassen wir Martinique bei schwachem Wind (10 bis 14 kn) aber mit bestem Wetter.

Nach all der Zeit auf den Inseln fühlt es sich toll an, wieder in See zu stechen. Ohne viele Worte sitzen wir im Cockpit und schauen, wie die Silhouette von Martinique immer kleiner wird. Auch St. Lucia und die beiden Pitons sehen wir noch einmal, die Sicht ist gigantisch gut. Jens geht früh ist Bett, ich habe die erste Wache. Es ist alles wie immer. Der Mond gießt sein fahles Licht über die karibische See, Sissi schaukelt, die Geräuschkulisse ist wieder da – ansonsten ist es still.

Im Gegensatz zur Fahrt über den offenen Atlantik ist hier in der Karibik ordentlich was los. Frachter kreuzen unseren Kurs, Kreuzfahrer sehen wir zum Glück keine und am Himmel blinkt es immer wieder, wenn ein Flugzeug über uns fliegt. Ich kann gelegentlich sogar die Triebwerke hören, denn es ist wirklich sehr still. Die Atlantikwelle hat sich noch nicht ausgebildet, die Schiffgeräusche halten sich im Rahmen und pfeifen tut der wenige Wind auch nicht.

Später in der Nacht frischt der Wind auf, plötzlich haben wir fast 30 kn Wind. Sissi ist nun im Vollgalopp unterwegs. Der Wind kommt genau von hinten, der Windfahne gelingt (wie immer) die Steuerung fast perfekt, nachdem ich (wie immer) eine oder zwei Stunden daran herum fuddeln musste. Genau vor dem Wind fahren ist so einfach bzw. so schwer, wie das Balancieren eines Tellers auf einem Stab. Stimmt die Balance dann, muss man tagelang die Einstellungen nicht mehr verändern.

Heute morgen empfängt mich Jens um 10 Uhr nach dem Aufstehen mit einer Kanne Kaffee. Dann geht er schlafen. Ich habe ihn um 3 Uhr in der Nacht geweckt. Zu zweit sind die Wachen wieder länger. Mittags stelle ich fest, dass unsere Geschwindigkeit trotz des wenigen Windes gar nicht so schlecht ist. Das Etmal ist immerhin dreistellig. Wir können damit rechnen, unser Ziel am Samstag bei Tageslicht zu erreichen.

Position um 12 Uhr: N13°59‘ W62°34‘
1. Etmal: 105,7 nm
Reststrecke bis zum nächsten Ziel: 447 nm

Der Diamantfelsen vor Le Marin

Die Bilge

Vorgestern haben wir Sissi seeklar gemacht. Vorgestern habe ich die Marinarechnung bezahlt. Vorgestern haben wir die Sonnenschutzplane verpackt und beim Zoll ausklariert. Wir haben Martinique offiziell verlassen.

Kurz vor der Abfahrt habe ich noch die Bilge kontrolliert. Dort waren ca. 25 Liter Wasser drin, die da nicht hinein gehören. Wer nicht weiß, das die Bilge ist, kann das bei Wikipedia nachlesen. Wir wollten nach Kuba fahren. Wir wollten aber nicht nach Kuba fahren mit einem Schiff, in dem sich ungeklärt Wasser sammelt.

Das Wochenende haben wir damit verbracht, die Stelle zu suchen, an der das Boot undicht ist. Es gibt viele Löcher im Schiff, durch die theoretisch und auch praktisch Wasser eindringen kann. Diese Borddurchbrüche für etwa das Motorkühlwasser, das Echolot, den Abfluss der Spüle oder der Toilette mussten alle untersucht werden. Dort kommt kein Wasser rein.

Das ganze Wochenende war die Bilge dann aber trocken. Es dringt also kein Wasser von unten ein. Dann hätte der Pegel steigen müssen.

Es hat das ganze Wochenende nicht geregnet. Wir haben Sissi mit dem Wasserschlauch total abgespritzt in der Hoffnung, dass wir irgendwo eindringendes Wasser finden können. Fehlanzeige. Hier dringt kein Wasser ein.

Heute habe ich ausklariert, die Marinarechnung bezahlt und wir haben Sissi seeklar gemacht. Wir fahren heute, auch wenn wir die Ursache für das Wasser in der Bilge noch nicht gefunden haben. Heute hat es wieder geregnet. Heute war wieder Wasser in der Bilge. Wir finden aber nirgendwo eine Spur, wie es dorthin gelangt ist. Ein großes Rätsel. Wir beobachten das.

Leider reicht der Wind nun nicht mehr für einen direkten Schlag nach Kuba. Also haben wir uns ein interessantes Ausweichziel ausgesucht. Wir werden vier bis fünf Tage unterwegs sein. Und vielleicht finden wir unterwegs die Ursache für das Wasser in der Bilge.

Energieprobleme

Das mit dem tropischen Klima erklärt einem keiner vorher so richtig. Klar, es ist dort im Winter warm, deswegen fahren die Leute dahin in den Urlaub und erzählen hinterher allen Leuten, wie toll es gewesen ist. „Wir waren auf Martinique. Der Atlantik hatte genau die richtige Badetemperatur. Wir haben Schildkröten gesehen. Jeden Tag war es mindestens 28°C warm. Die Klimaanlage im Hotel war etwas kalt eingestellt, dabei haben wir uns erkältet.“ Oder so ähnlich.

Bordthermometer heute Mittag

Ich möchte nicht zu viel meckern, aber Jens und ich sehen uns jeden Abend in den Tagesthemen die Wettervorhersage für Deutschland an, damit wir unserem Wetter wieder mehr Freude abgewinnen können. Eigentlich will ich nur meckern.

Wenn morgens ab 9 Uhr die Sonne etwas höher steht, verwandelt sich Sissi sofort in eine Sauna. Die Dachluken müssen in der Nacht geschlossen bleiben, denn es regnet in der Karibik ständig und dazu mit großer Stärke. Die Luftfeuchtigkeit ist um die 80% – je nach Temperatur. Auf dem Foto ist sie nur bei 74%, das macht das Leben aber nicht viel angenehmer. Ab 11 Uhr kann man sich eigentlich nicht mehr bewegen. Auf der Straße sind nur noch wenige Menschen unterwegs, die meisten befinden sich irgendwo im Schatten.

Am Nachmittag kehrt gegen 15:30 Uhr das Leben zurück auf die Straßen. Langsam, denn es ist immer noch über 30°C warm. Alleine der Gedanke, die Wasserflasche holen zu gehen, führt zu Schweißausbrüchen und Erschöpfung. Der Gedanke an wie auch immer geartete Bewegung erschöpft sofort. Und dann kann es innerhalb weniger Minuten wieder zu einem Starkregenereignis kommen.

Regen

Der Himmel verdunkelt sich und innerhalb von Sekunden fällt das Wasser vom Himmel. Das dauert zwar niemals lange, führt aber zu Frustration und Energielosigkeit.

Also ruhen wir uns aus. Wir genießen unsere Ruhe. So schön es ist, Besuch zu haben, so schön ist es auch, wenn der Normalzustand wieder hergestellt ist und das Leben in normalen Bahnen verläuft.

Außerdem machen wir in aller Ruhe die Vorbereitungen für die nächsten beiden Etappen. Hier auf Martinique sind die Versorgungsmöglichkeiten hervorragend und nach jedem Besuch im Supermarkt haben wir noch Ideen, was wir außerdem noch bevorraten könnten. Wir haben eine Inventur unserer Konserven durchgeführt, die zu teils überraschenden Ergebnissen geführt hat. Außerdem haben wir von einigen Zutaten nur noch erschreckend wenig an Bord – das müssen wir noch ändern.

Inventur

Ein wesentliches Ergebnis der Inventur ist, dass wir viel zu wenig passierte Tomaten haben für den erwarteten Pastabedarf. Ein anderes Ergebnis ist, dass wir hier auf Martinique noch einmal schön Haggis essen können. In unseren Beständen befinden sich noch vier Dosen!

Energieprobleme haben wir auch beim Antrieb. Um unser nächstes Ziel Kuba zu erreichen, benötigen wir eine ordentliche Wettervorhersage für ein paar Tage. Frühestens werden wir hier am Freitag abfahren können, vorher herrscht ziemlich Flaute.

Dafür wurden wir heute früh um 5:30 Uhr geweckt. Ein übervoll mit Lautsprecherboxen ausgestatteter LKW fuhr vor der Karnevals-Pyjamaparty her und beschallte das komplette Ufer. Die Bässe dröhnten, unsere Mastspitze wackelte im Takt. Eine weitere lautstarke Parade in einer nicht enden wollenden Folge von lärmender Musik, die seit Tagen durch den Ort gefahren wird. Heute erwarten wir noch eine Party, dann wird der Karneval zu Grabe getragen. Was für ein Glück!

Nachtrag: Seit ich vor einer guten Stunde über das Wetter gemeckert habe, hat es nicht mehr aufgehört zu regnen.