Überfahrt nach Barbados Tag 8 – Lotto mit Gewinngarantie

Die Katastrophen waren alle für den verflixten siebten Tag reserviert, der achte Tag startet geruhsam. Keine fliegenden Fische. Nur ein paar lose Schrauben festziehen, nicht einmal an Stellen, an denen es gefährlich werden kann. Alles im grünen Bereich, der Kaffee dampft frisch. Wind und Solarstrom fließen stetig in die Batterien, der Wattermaker brummt und macht den Wassertank voll. Es gibt keinen Grund zu klagen. Nicht einmal mehr beim Iridium-Lotto müssen wir noch fluchen. Wir haben jetzt immer fünf Richtige! Also fünf von fünf Balken für die Signalstärke. Und das kam so…

Vor ein paar Wochen habe ich auf der Überfahrt von Santa Cruz nach Mindelo in einem Blog über Iridium geschimpft. Dass uns immer die Verbindungen wegbrechen und dass die Übertragung größerer Datenmengen ein Glücksspiel sei. Kurz darauf erreichte mich eine Email von Martin von der SY Fairytale. Er hat viel Iridium-Erfahrung und meinte, ich solle das Gerät mal ohne unsere externe Antenne betreiben. Da ich das schon mal ohne Erfolg auf der Nordsee versucht habe, ignorierte ich diese Empfehlung und vergaß sie ein paar Tage später.

Vor ein paar Tagen habe ich es dann doch probiert. Ich hatte Langeweile auf meiner Wache und sonst war gerade nichts zu reparieren. Im Cockpit konnte ich mit der eingebauten Antenne problemlos größere Datenmengen übertragen. Nach mehreren Versuchen ist es mir dann später auch am Einbauort im Maschinenraum gelungen, derart stabile Verbindungen zu produzieren. Ein Wackelkontakt befindet sich dort, wo man das Antennenkabel ins Gehäuse des Telefons steckt. Mit etwas Klebeband fixierte ich das Antennenkabel, dann kam in der Fünf-Balken-Position noch ein dicker Klecks Schraubenkleber drauf. Hält. Seit ein paar Tagen. Und wir haben seit dem nie wieder Probleme mit Verbindungsabbrüchen gehabt. Martin, von hier aus noch einmal vielen Dank für die Mail!

Der nächste Schritt wird sein, Netflix über Iridium zum Laufen zu bringen. Oder doch bei Musk kaufen? Die 2400er Verbindung ist ebenso leistungsfähig, wie die meines Hochgeschwindigkeitsmodems in den 1980er Jahren. Die Verbindungen sind jedoch wirklich saumäßig stabil. Spaßeshalber habe ich ein Foto mit 1,9 MB Größe an unsere Schwester gemailt. Das hat lediglich etwas mehr als zweieinhalb Stunden gedauert. Und eine Flatrate ist ja in jeder Minute verschwendet, in der man keine Daten überträgt.

Natürlich haben wir uns bei den Reparaturen geirrt. In der Segellast ist eine Latte gebrochen – unter der Last zweier Segel, eines Dinghis, einer Mastleiter, eines Hackenporsche und eines Fahrrads. Die will nun ausgeräumt werden. Jakob und Jens haben mit den Ausräum- und Holzarbeiten schon begonnen.

8. Etmal: 119 nm
Position um 12 Uhr: N15°46′ W38°53′
Noch 1215 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 865 Meilen hinter uns.

Wackelkontakt gefixt!

Überfahrt nach Barbados Tag 7 – Wasser ist blau

Das Wasser ist so unglaublich schön blau. Von hinten kommt Welle um Welle angerollt. Meter für Meter nähert sie sich immer weiter, sie wächst über den Geräteträger hinaus. Dann hebt sich das Heck, die Welle läuft unter Sissi durch und man sieht aus dem Cockpit in ein tiefes Tal. Bricht sich eine der Wellen im Sonnenlicht, erstrahlt diese Stelle in den schönsten, leuchtensten und sattesten Blautönen, umrahmt von den weißen Spritzern der Gischt. Das Schauspiel wiederholt sich mehrmals in der Minute, Stunde für Stunde, den ganzen Tag. In der Nacht ist das Wasser dunkelgrau. Scheint der Mond, bringt er ebenfalls die Gischt zum Glitzern. Ich kann mich an diesem Schauspiel nicht satt sehen. Das ist auch besser so, denn diesen Film zeigen sie Tag und Nacht im Bordkino, wenn man sich ins Cockpit setzt.

Ansonsten ist alles Routine. Wir haben mehrere fliegende Fische eingesammelt und wieder ins Wasser überstellt. Die Befestigungsschrauben der einen Stütze des Windgenerators haben sich gelöst und wollten wieder festgezogen werden. Außerdem wackelte die Befestigung der genannten Stütze am Standrohr des Windgenerators. Hatten wir den nicht erst ordentlich festgeschraubt…? Das war zwischen Guernsey und Roscoff, als uns der Windgenerator das erste Mal fast abgängig war. Und nun schon wieder? Wir sind von Roscoff bis hierher doch nur ein paar tausend Meilen gesegelt. Die Zeit vor der Biskaya-Überquerung ist so unendlich lange weg von unserem Jetzt.

Wir brauchen eine Schrauben-Kontroll-Checkliste. Wir können nicht jede Schraube an jedem Tag kontrollieren. Wir müssen aber sicher stellen, dass alle Schrauben regelmäßig kontrolliert werden. Sonst wird es immer wieder böse Überraschungen geben. Die von der Windfahne ziehe ich auch noch nach, dort klapperte es ein wenig. Und die Batterie im Maschinenraum wollte sich losreißen, sie hat einige ihrer Halteschrauben abgeschert. Ich ersetze die Schrauben durch mehr Schrauben. Ein weiterer Punkt für die Checkliste. Dafür hält sich das Rigg hervorragend. Die neuen Unterwanten müssen in den nächsten Tagen mal nachgespannt werden, das hat aber noch Zeit. Auch die neue Genua zieht uns prima in Richtung Westen.

Außerdem haben wir letzte Nacht die Borduhr wieder eine Stunde zurück gedreht, wir sind jetzt in der Zeitzone UTC-3 bzw. vier Stunden hinter Deutschland. Das heißt, dass unsere Position auf der Stalking-Seite immer um kurz nach 4 Uhr und um kurz nach 16 Uhr aktualisiert wird. Glücklicherweise bleiben wir vom Jetlag verschont.

Der Wind bläst so schön, das Wetter ist toll, wir machen gute Fahrt. Das Schaukeln ist jetzt sehr angenehm, die Geräusche im Schiff halten sich wieder in Grenzen. Ich setze mich eine weitere Stunde ins Cockpit und genieße das alles. Das blaue Wasser, die Gischt, die Sonne und den Wind. Ich hätte nie gedacht, dass es so schön sein würde, tagelang nur Wasser sehen zu können. Jeden Tag sieht der Atlantik anders aus, schon nach ein paar Stunden hat sich das Bild oft komplett geändert. Ich komme kaum dazu, meine Bücher zu lesen. Der beste und spannendste Thriller ist total langweilig, wenn ich ihn mit der Spannung der Grenzenlosigkeit und Weite des Ozeans vergleiche.

7. Etmal: 125 nm
Position um 12 Uhr: N15°52′ W36°56′
Noch 1326 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 746 Meilen hinter uns.

Blauwasser

Überfahrt nach Barbados Tag 6 – Segeln wie im Prospekt

Wir haben nicht besonders viel Wind, aber wir haben jetzt so eine Art Wind. Er hat gerade mal auf 15 bis 18 kn zugelegt, aber das genügt für eine Verbesserung des Reisekomforts um mehrere Zehnerpotenzen. Das Segel hat so viel Druck, dass es bei keiner Schiffsbewegung mehr schlägt. Außerdem sind die Schiffsbewegungen insgesamt wesentlich angenehmer. Und es kehrt Ruhe ein. Durch die geringeren Schiffsbewegungen knarzt die Inneneinrichtung nicht mehr so viel und das Geschirr im Schank klirrt auch nicht mehr.

Auch heute beißt während unserer Skatrunde ein Fisch an, auch heute verlieren wir ihn. Diesmal durften wir den Köder aber behalten. Immerhin nähern wir uns einem erfolgreichen Fang. Unser Kühlschrank ist sowieso fast leer, da drin würde sich ein Thunfisch sehr gut machen.

Einen guten Teil des Nachmittags sitzen wir einfach nur im Cockpit herum und schauen heraus. Die ruhige Fahrt ist ein sanftes Gleiten durch die Wellen. Es schaukelt fast gar nicht mehr. Unten im Salon fühlt es sich an, als wäre Sissi fest vertäut am Steg. Man hört nichts, außer dem Zischen und Gluckern des Wassers. Eine Delfinschule oder ein kleiner Wal wären der perfekte Rahmen für dieses Bild aus einem Segelbootprospekt gewesen, hatten aber gerade andere Pläne. Wir genießen die Zeit und die Ruhe, die sich bis zum Horizont ausbreitet.

Am Abend starten wir den Motor für eine Stunde. Wenn man seinen Strom normalerweise aus Windkraft und Sonnenenergie bezieht, sind fünf Segeltage mit mäßigem bis geringem Wind und teilweise stark bedecktem Himmel der absolute Killer für die Stromversorgung. Nach einer Stunde vermeldet der Batteriemonitor, dass wieder 70 Ah mehr in den Akkus stecken. Endlich ist wieder Ruhe.

Meine Wache wird dann alles andere als ruhig. Plötzlich schieben über 30 kn Wind Sissi von hinten an. Ich denke zuerst an einen Squall, aber da ist nichts. Das Radar zeigt nichts an. Aber von einer Minute auf die andere hat sich der Wind von einem schönen, gutmütigen Schiebewind zu einem garstigen, böigen und unfreundlichen Wind geändert. Ich muss das Segel reffen, dabei sind nur 15 kn dauerhafter Wind. Die Böen gehen aber bis knapp 30 kn rauf.

In der Nacht werde ich von den Wellen immer wieder im Bett herumgeschleudert. Trotzdem schlafe ich ziemlich gut, der Körper gewöhnt sich an alles. Am Morgen danach finde ich Jens und Jakob im Cockpit, wie sie debil auf die Logge starren und dabei grinsen. Jens hat wieder ausgerefft und der Wind schiebt Sissi mit 6,5 bis 7,5 kn voran. Es fehlt nur noch, dass sie beide auf die Instrumente sabbern. Die Welle ist zwar stärker als gestern, aber die Geschwindigkeit macht den Komfortverlust mehr als wett. Es ist schön hier.

6. Etmal: 120 nm
Position um 12 Uhr: N15°49′ W34°49′
Noch 1449 Seemeilen bis nach Barbados, wir haben 621 Meilen hinter uns.

Bescheuertes Selfie im Cockpit