Im wilden Westen

Nachdem mich der Kreuzfahrer am Morgen so rüde geweckt hat, sind Jens und ich früh auf den Beinen und früh unterwegs. Bis zum Abend haben wir die Motorroller noch, wir bezahlen nicht für die Dinger, damit sie auf der Kaimauer geparkt sind.

Jens möchte eine ausgedehnte Wanderung im Naturpark machen. Ich habe ziemlich genau das Gegenteil vor, nämlich mich gar nicht vom Zweirad weg zu bewegen. So habe ich es in vielen Motorradurlauben meines Lebens gehalten, so halte ich es auch heute. Wir machen einen Treffpunkt aus und wollen uns am Nachmittag beim tollen Supermarkt treffen, bis dahin rollern wir unserer eigenen Wege.

Ich fahre in den wilden Westen. Das weiß ich aber vorher noch gar nicht. Das merke ich später. Zunächst geht es die Küstenstraße an der Westküste entlang. Hier tummeln sich hunderte Kreuzfahrer, die meist in Rudeln unterwegs sind. Sie schleppen Tauchflaschen über die Straße, radeln in Großgruppen mit Helmen oder fahren selbst in Golf-Karts auf der Insel herum. Auf jeden Fall brauchen sie viel Platz, der mir fehlt. Ich komme nicht dazu, von der wirklich schönen Aussicht an der Westküste Fotos zu machen. Das ist andererseits auch nicht so schlimm, denn Fotos von beeindruckenden Küstenlinien habe ich im Dutzend.

Gotomeer

Die Küstenstraße geht bis zum Ölterminal, dann biege ich rechts ab und lande direkt am Gotomeer. Im Gegensatz zu den holländischen Meeren ist dieses hier salzig und enthält Flamingos. Sogar ziemlich viele Flamingos sollen es sein, zunächst sehe ich nicht einen einzigen. Während sich das Rollerchen bergauf quält, erinnere ich mich daran, dass hier auf Bonaire die höchsten Berge der Niederlande stehen.

Flamingos im Gotomeer

Und dann sehe ich sie doch. Das Gotomeer ist ganz flach, Flamingos können dort mit ihren langen Beinen drin stehen. Auch an den tieferen Stellen.

Weiter führt mich die Straße bergauf und bergab, dabei stehen links und rechts der Fahrbahn imposante Kakteen. Ich bekomme bei jedem Auto im Gegenverkehr Schiss, dass ich mit dem rechten Ellenbogen an einem Kaktus hängenbleiben könnte, denn die Straße ist eng. Sie führt mich nach Rincon. Das alles sieht sehr ansprechend aus.

Rincon

Hinter Rincon führt der Weg dann weiter an die Westküste. Auf meiner Touristenkarte sind hier Offroad-Trails markiert, die man mit motorisierten Fahrzeugen befahren darf. Bevorzugt sind das wohl Quads, die man praktischerweise dort auch mieten kann. Ich habe aber schon ein Mietfahrzeug, meinen 50er Roller.

Offroad

Definitiv könnte man auf Bonaire einen Western drehen. Als Transportmittel würden die Esel dienen, Kakteen gibt es mehr als in Mexiko. In Rincon ist sogar eine Destille, die Schnaps aus Kakteen herstellt. Nennt man das Zeug nicht Tequila? Leider konnte ich es nicht probieren – einerseits musste ich noch fahren, andererseits standen zwei große Busse vor der Destille und innen war geschlossene (Kreuzfahrer-)Gesellschaft.

Kakteen

Wenn man ohne Schutzkleidung in kurzen Hosen und Sandalen mit dem Motorroller über unbefestigte Wege fährt, fährt man vorsichtig. Richtig offroad ist es nicht, auch mit meiner fetten BMW wäre ich da locker durchgekommen. Es macht aber Spaß und man kann sogar mit einem 50er Roller driften. Und ich habe die Kaution für den Roller nicht verspielt.

Kakteen mit Meerblick

Zuletzt lande ich wieder auf der Hauptstraße zwischen Rincon und Kralendijk. Später treffe ich mich mit Jens, wir geben die Roller vollgetankt wieder beim Vermieter ab. Ich erkläre der Vermieterin bei der Rückgabe, dass die Roller im selben Zustand sind wie am Tag zuvor. Und ich lobe meinen Roller und dass es sich auf den Offroad-Trails super fährt. Daraufhin sagt sie mir, dass das laut Mietvertrag nicht erlaubt ist. Sie nimmt es aber mit Humor, denn der Mietvertrag ist auf Holländisch und sie wäre seit Wochen mit der deutschen Übersetzung beschäftigt.

Wir bekommen dann noch einen Lift zu Sissi. Das ist spitzenmäßiger Service. Deswegen mache ich jetzt Werbung – unbezahlt. Damit ist es eine Empfehlung.

Empfehlung

Wenn du hier auf Bonaire mal einen Roller mieten möchtest, die Bude an der Pier will von 9 bis 17 Uhr 35$ haben und hat am Sonntag geschlossen. Wir haben für 24 Stunden 30$ bezahlt, dazu gab es noch fünf Extrastunden, weil wir am Sonntag um 12 dort waren. Und den Gratistransport zurück zu Sissi. Der Laden ist zwar einen knappen Kilometer vom Zentrum weg, liegt aber direkt neben dem besten Supermarkt.

An unserem letzten Abend auf Bonaire sehen wir noch einmal eine wunderbar kitschige Abendstimmung. Morgen fahren wir weiter.

Kitsch über Kralendijk