Wenn einem die Arbeit ausgeht…

…dann schafft man sich eben wieder welche heran. Diesen Beitrag habe ich am 3. Dezember 2019 geschrieben. Ich veröffentliche ihn erst heute, damit es auch noch etwas zum Lesen gibt, so lange wir über den Atlantik cruisen.

Jens und ich haben die Sissi für die Atlantiküberquerung schön hergerichtet. Sogar unser Deck ist schon zur Hälfte mit frischer weißer Antirutschfarbe gestrichen. Es ist allerdings eine saublöde Idee, das Deck an einem der drei Regentage zu streichen, die es im Jahr auf Lanzarote gibt. Das werden wir wohl noch einmal wiederholen müssen.

Chapo Elektrik

Bei den Chapos ist in der Vergangenheit immer wieder der Autopilot ausgefallen. Mal dauerte es ein paar Minuten, mal ein paar Minuten länger, dann lärmte der Alarm. Ich habe angeboten, mal nach dem Kurshalteinstrument zu schauen. Ich habe es hinterher bereut.

Merke: Fummele niemals auf anderer Leute Booten an der Elektrik herum!

Jutta und Charly haben ein Schiff gekauft, bei dem die Elektrik durch einen Profi komplett überholt worden ist. Das hat (nach Angaben des Voreigners) über 3000€ gekostet.

Profimäßig waren die verwendeten Kabel durchaus. Sie begannen an einem schönen Philippi Schaltpaneel mit über 30 abgesicherten Schaltern. Die Kabel gingen mit wunderhübschen Adernendhülsen auf eine Klemmleiste und von dort aus weiter in einen Kabelkanal. Damit das alles schöner aussieht (einen anderen Zweck kann es nicht haben) waren alle Kabel mit Hilfe von Kabelbindern zu einem traumhaft ordentlichen Kabelbaum zusammen gebunden. Blöderweise waren von den Schaltern nur zwei oder drei beschriftet.

Im Kabelkanal war alles voll. Jeder Quadratmillimeter war zugestopft mit Kabeln – mit lebenden und mit toten Kabeln. Der Vollprofi hat bei der Installation die toten Kabel nicht entfernt, sondern nur abgeschnitten.

Charly und ich haben stundenlang versucht, die toten Kabel zu entfernen. Bei einem guten Teil ist uns das gelungen, ein anderer Teil steckt noch drin, den hätten wir nicht zerstörungsfrei herausbekommen.

Anschließend habe ich noch ein weiteres (unklar beschriftetes) Schaltpaneel am Navigationsplatz entkabelt, bevor es möglich war, dem Verlauf der Stromkabel einigermaßen zu folgen. Die Neuverkabelung hat dann nur wenige Stunden in Anspruch genommen. Scheinbar fest verschraubte Massekabel sind mir beim festen Anschauen in die Hände gefallen, die Leitung zum Autopiloten hatte mindestens drei fliegende Verbindungen – alle mit Wackelkontakten.

Nach Abschluss der Arbeiten kann ich nicht sagen, ob der Autopilot in Zukunft noch so oft aussteigt, vielleicht habe ich nicht alle Wackelkontakte gefunden. Die Chancen sind etwas besser geworden.

Chapo Elektrik hinterher – jetzt ein wenig übersichtlicher

Die Schalter sind nun eindeutig beschriftet. Die Stromverteilung auch. Die Kabel haben Kabelschuhe und keine Wackelkontakte mehr. Wir haben etwa 50 Meter Kabel entfernt und 5 Meter neu verlegt. Ich drücke Jutta und Charly die Daumen, dass alles jetzt stabiler läuft. Dafür traut sich Charly nun zu, im eventuellen Fehlerfall selbst auf die Suche zu gehen. Es ist alles übersichtlicher geworden.

Wenn du auf anderer Leute Booten an der Elektrik schraubst, dann nur bei Freunden!

Den Profi-Elektriker würde ich aber gerne mal in meine Finger bekommen…

Atlantik Tag 2 – Schwachwind, schwächer, Flautenschieber

Am frühen Nachmittag beginnt die Genua zu schlagen. Der Wind reicht nicht mehr, um sie im Atlantikschwell ordentlich stehen zu lassen. Knatter, knatter, rrrrummms. Knatter, knatter, rrrrummms. Sissi erzittert unter den Schlägen. Bei 30 Knoten Wind lässt es sich besser segeln, als bei 13 Knoten. Wir überlegen uns Maßnahmen. Eine Maßnahme wäre der Motor. Eine andere Maßnahme der Parasailor. Nach nur einer Stunde Arbeit auf dem Vordeck und in den Katakomben des Schiffs ist das große Tuch klar zum Setzen.

Denkste! Beim Hochziehen des Trichters erweisen sich die Backbordschoten und die Steuerbordschoten als überkreuzt. So wird das nichts. Also nochmal runter mit dem Trichter, die Schoten entkreuzen und wieder rauf. Prima. Diesmal haben wir nur zwei Versuche gebraucht. Wir segeln ein paar Stunden weiter mit dem Parasailor, dann fällt er ins Wasser. Es ist einfach kein Wind mehr da.

Also runter mit dem großen Tuch. Die Schoten wieder umbauen auf Genuabetrieb. Den Motor anwerfen und weiter. Hoffentlich kommen wir rechtzeitig in die Passatzone, so dass wir nicht auf den Kapverden tanken müssen.

Ich belohne mich für die schweißtreibende Arbeit mit einer Dusche. Wir sind doch so weit südlich, da muss das Wasser aus dem Tank doch warm sein. Denkste! Brrrr… fühlt sich aber saugut an. Und natürlich frische Klamotten, in denen kein Salz klebt. Und wie es sich gehört auf einem Segelboot – es duschen alle oder keiner. Die kleinen Freuden des Alltags.

Zum Abendessen gibt es Schweinekotletts mit kanarischen Kartoffeln, kanarischen Paprika und Mojosauce. Davor eine Hummersuppe, man gönnt sich ja sonst nichts. Jens verkriecht sich in seine Koje, ich habe wie immer die erste Wache.

Es passiert hier nichts. Absolut gar nichts. Seit 20 Stunden sind weder andere Schiffe zu sehen, noch sieht man welche auf dem AIS. Außerdem herrscht Funkstille. Der Himmel ist sternenklar. Ich verstoße mal wieder gegen alle guten Regeln der Seefahrt und schalte die gesamte Beleuchtung aus. Dazu werfe ich Konzert Nr. 1 für Klavier und Orchester von Tschaikovski auf den Plattenspieler und stelle die Musik etwas lauter. Das ist schön. Untendrunter prügelt uns der Diesel durch die Flaute. Ich versuche, das zu vergessen. Die Musik tritt in den Vordergrund, die Sterne leuchten.

Als Jens die Wache übernimmt, brummt der Diesel immer noch. Auch bei meinem Aufwachen am Morgen. Im Laufe des Vormittags kommt langsam etwas Wind auf. Noch nicht segelbar, aber aus der richtigen Richtung. Noch unter 10 Knoten, aber ständig stärker werdend. Jens hat die ganze Nacht die Schiffsposition und die Wetterdaten miteinander verglichen und meint, wir hätten gegen Mittag wieder Segelwind.

Es ist Mittag in Deutschland. Wir haben keinen Segelwind. Es ist Mittag auf den Kanaren. Wir haben immer noch keinen Segelwind. Nun ist es Mittag bei uns auf der Sissi (Kapverden-Zeit, zwei Stunden hinter Deutschland). Der Motor brummt.

2. Etmal: 114 nm
Position um 12 Uhr: N25°16′ W18°04′
Noch 570 Seemeilen bis zu den Kapverden bzw. 2450 Seemeilen bis nach Barbados. Die gesamte zurückgelegte Strecke sind nun 235 Meilen.

Bald wird es irgendwo Mittag sein, und wir können segeln. Ich bin zuversichtlich.

Der Parasailor ist gesetzt

Fundgrube Internet

Irgendwo in den Tiefen des Internet habe ich einen Text zur Optimierung der Windfahnensteuerung bei schwachem Wind gelesen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wo das war. Deswegen möchte ich für dieses Patent kein Copyright anmelden, möchte aber die Nachahmung empfehlen.

Wir haben gerade schwachen Wind ohne Ende, der uns mit sieben bis neun Knoten um die Ohren pfeift. Das reicht gerade noch aus, um mit dem Parasailor drei bis vier Knoten Speed zu machen. Bei diesem geringen Wind tut sich die Windfahne schwer, schnell auf Drehungen des Schiffs anzusprechen. Mit der kleinen Plastiktüte hat sich das Ansprechverhalten wesentlich verbessert.

Was uns jetzt nur noch fehlt, sind ein paar Knoten mehr schwacher Wind.