Abschiedsessen und Ausklarieren

Unsere Zeit auf Teneriffa geht dem Ende zu. Deswegen haben wir uns mit den Crews der Roede Orm und der Grace zu einem gemeinsamen Abschiedsessen im Restaurant verabredet. Erfahrungsgemäß ist es besser, wenn man die Feierlichkeiten zum letzten Abend am vorletzten Abend laufen lässt. Dann startet man ausgeschlafen und ausgeruht in den Segeltag.

La Hierbita

Ich spaziere also am Nachmittag durch die Stadt und versuche, ein Restaurant wieder zu finden, das mir vor ein paar Tagen schon aufgefallen ist. Wenn man zur besten Essenszeit mit sieben Personen irgendwo einfällt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie einen wieder davon schicken.

Der Kellner, der meinen Reservierungswunsch in das dicke Buch einträgt, meint zu mir, dass es ein hässlicher Abend sei. Es sei viel los, weil ein Festival stattfindet. Tatsächlich bauen sie schon seit Tagen das Konzertgelände direkt neben der Marina auf.

Konzertgelände

Jens und ich machen uns langsam ausgehfertig und gehen noch einmal unter die Dusche. Beinahe wollen wir schon von Bord gehen, da klopft es an die Bordwand. Drei einigermaßen abgerissene Gestalten stehen dort und mein erster Gedanke ist, dass da schon wieder Anhalter über den Atlantik mitgenommen werden wollen.

Spanish Customs
Der erste der drei hält mir einen offiziellen Ausweis unter die Nase und wenige Minuten später sitzt der spanische Zoll bei uns im Cockpit. Wir werden ausgefragt über unsere Reiseroute, müssen alle möglichen Schiffsdokumente hervorzaubern und anschließend wird Sissi noch fotografiert. Gleich nach der Ankunft meint der Oberzöllner zu uns: „I apologize in the name of the Spanish Kingdom for the man that is going to sing!“ Auf gut Deutsch: Der Zöllner hat sich für den Kerl entschuldigt, für den sie die Bühne aufgebaut haben. Noch hören wir nichts. Der Zöllner bemerkt außerdem, dass seine Großmutter ein großer Fan des Sängers sei.

Schlange am Einlass

Wir treffen uns also mit der Roede Orm und der Grace vor den Marinatoren. Dabei sehen wir zu, wie die Schlange am Einlass langsam vorrückt. Wir hoffen, dass wir beim Abendessen das Konzert verpassen.

Die Sitzreihen füllen sich.

Meine Nase hat mich nicht betrogen. Das Restaurant ist gut. Das Restaurant ist richtig gut. Wir schlemmen ordentlich. Als dumme Deutsche haben wir uns pro Person eine Vorspeise bestellt, davon eine Vorspeise drei Mal. Das war Blödsinn, denn die Spanier sind es gewohnt, ihre Vorspeisen am Tisch zu teilen. Ein Teller wäre auch genug gewesen, da hätten wir besser noch eine andere Vorspeise dazu bestellt. Auch der Hauptgang ist lecker, ein Dessert passt bei keinem mehr rein.

Drei Segelboote an einem Tisch

Mit prall gefülltem Magen rollen wir uns wieder zurück an Bord. Schon mehrere hundert Meter vor der Marina ist das Konzert zu hören. Es bringt nichts, dass einige der Protagonisten noch an verschiedenen Geldautomaten Zeit schinden, wir hören das Konzert auch an den Geldautomaten.

Konzert läuft

Also setzen wir uns noch gemeinsam ins Cockpit der Sissi und feiern weiter, denn man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Bei dem Gejodel aus dem Konzert ist an Schlaf nicht zu denken. Ach ja, wir haben den Hauptdarsteller auf Youtube gefunden:

https://www.youtube.com/watch?v=rAmHlGPXpmw&feature=youtu.be
Der Zöllner tat recht daran, sich zu entschuldigen.

Am Mittag des folgenden Tages gehe ich zur Hafenpolizei. Ich habe alle Papiere von Sissi und der Crew dabei.

Das Ausklarieren ist in 10 Minuten erledigt, viel länger hat es gedauert, den Polizisten vor dem Gebäude zu erklären, was ich von ihnen haben möchte.

Nun haben wir mit Sissi offiziell die Europäische Union verlassen und müssen innerhalb der nächsten 24 Stunden (oder so ähnlich) den Hafen verlassen. Nichts anderes haben wir vor. Adios Espana. Tschüß Europa. Karibik, wir sind fast schon unterwegs.

3. Advent

Und schon wieder ist eine Woche vergangen. Wir haben die Insel gewechselt und sind auf Teneriffa. Dort liegen wir in der Hauptstadt Santa Cruz – nicht ohne Grund. Hier kann ich ein letztes Mal vor der Karibik ein paar Straßenbahnbilder aufnehmen, die Versorgungslage ist gut und wir können ausklarieren, uns also Ausreisestempel in die Pässe machen lassen. Der dritte Advent wird auch der letzte Sonntag sein, den wir in diesem Jahr an Land verbringen. Morgen wollen wir in die Karibik starten.

Santa in der Kugel

In Santa Cruz hat man für die Weihnachtsdekoration in die Vollen gegriffen. Die paar Lämpchen, die wir in Playa Blanca auf Lanzarote aufnehmen können, sind nur eine Kleinigkeit gegenüber der Deko hier.

Christbaumkugeln

Auf Teneriffa gibt es echte Bäume, also mussten die Stadtmütter und -Väter keine künstlichen Tannen montieren lassen.

Fußgängerzone nach Ladenschluss

Es sind nicht mehr viele Fußgänger in der Fußgängerzone unterwegs, da unterscheidet sich Santa Cruz nicht von Frankfurt. Dafür hängt aber ein großer Lichterteppich darüber. Weihnachtsenten, Weihnachtsflamingos und Weihnachtspapageien leuchten im Wettstreit mit Weihnachtsdelphinen.

Zentraler Platz

Der zentrale Platz gegenüber dem Hafen ist mit Weihnachtsfesselballons dekoriert, dazu in Rot die schönen Weihnachtspalmen.

Kirche gegenüber der Marina

Die Kirche gegenüber der Marina wird weihnachtlich beleuchtet. Insgesamt also ein schöner Rahmen für den dritten Advent.

Wir wünschen allen weiterhin eine fröhliche Rest-Adventszeit. Feiert schön, wir fahren morgen ab. Die Spannung steigt, die Vorfreude allerdings auch. Weihnachten und Silvester werden wir auf dem Atlantik verbringen, wenn unsere Pläne aufgehen.

Santa Cruz – ich werde schwach…

Der erste Eindruck nach Verlassen der Marina ist heftig. Neben der Marina ist der Hafen, in welchem Fähren und Kreuzfahrtschiffe festmachen.

Hafenanlage vor Gebirgszug

Mein erster Gedanke über Santa Cruz war, dass diese Stadt unglaublich hässlich ist. Sie ist besonders hässlich, wenn sich hunderte Kreuzfahrt-Touristen durch die Innenstadt schieben. Gestern war es besonders krass, zwei deutsche Schiffe lagen hier im Hafen. Ein Paar aus Sachsen hat mich auf der Straße mit schwer sächsisch gefärbten Englisch-Brocken beworfen. „we – camera – click – picture – us“, dabei zeigten sie mir den Auslöser ihrer Kamera. Als ich versuchte, das mit breitestem Hessisch zu kontern „Isch verschdeh‘ kein Wortt!“, haben sie sich erbost umgedreht und sich gegenseitig fotografiert. Na gut, nicht mein Problem.

Innenstadt von Santa Cruz

Spaziert man dann mit offenen Augen durch die Stadt, breitet sie sich mit ihrem ganzen Charme aus. Ich musste zweimal hinsehen, dann hat sich mir die Schönheit im Chaos erschlossen. Neben den Wohnsilos, die an die Berghänge geklebt wurden, finden sich immer wieder kleine Gassen mit Restaurants und Läden. Die Restaurants riechen fast ausnahmslos gut, ich würde da sofort essen gehen.

Gässchen mit Restaurant an der Ecke

Für die Versorgung finden sich überall Lebensmittelläden, China-Shops (da gibt es wirklich alles!), Baumärkte und und und… DIe Baumärkte haben etwa Garagengröße und wenn sie das gewünschte Teil nicht vorrätig haben, schicken sie einen zum nächsten Baumarkt. Bei den Chinesen ist es übrigens nicht anders, die haben aber immer fast alles da.

Blick über Santa Cruz auf den Hafen

Das wichtigste Verkehrsmittel in Santa Cruz ist die Straßenbahn, dazu fahren hunderte Buslinien und viele, viele Autos verstopfen die steilen Straßen. Wir waren lange nicht in einer Großstadt. In Santa Cruz sitzt außerdem die Dorada Brauerei, die das meiner Meinung nach beste Bier der kanarischen Inseln herstellt. Unbedingt das „Dorada Especial“ (schwarze Dosen) kaufen, da ist richtig Geschmack drin. Die roten Dosen sind besser zu meiden.

Straßenbahn vor der Dorada Brauerei

Es werden auch Brauereiführungen angeboten, die habe ich mir aber erspart. Der Prozess der Herstellung des Gerstensafts ist mir hinlänglich bekannt.

Den Straßenkehrer musste ich aufnehmen. In Frankfurt liest man immer wieder mal in der Zeitung, dass sich die Straßenkehrer ihre Reisigbesen selbst binden (müssen), mit denen dann die Straße poliert wird. In Santa Cruz nimmt man einfach Palmwedel, die müssen nicht gebunden werden und erfüllen denselben Zweck.

Die Straße wird mit einem Palmwedel gefeudelt

Beim Stromern durch die Innenstadt stößt man dann immer mal wieder auf einen kleinen Platz mit großen Bäumen und einem historischen Gebäude. Oder es findet sich noch eine Gasse, in der Restaurants ihre Tische vor die Tür gestellt haben.

Das alles im Dezember. Winterliche Stimmung mag bei mir nicht mehr aufkommen. Auch die Telefonate in die Heimat sind nur schwer nachzuvollziehen, wenn von Schneeregen, Temperaturen um den Gefrierpunkt und dunklen Tagen berichtet wird. Wir tragen hier T-Shirts, kurze Hosen und laufen in Sandalen herum. Dabei sind es tagsüber angenehme 22°C, in der Nacht kaum weniger.

Kleiner Platz mit schönen Bäumen

Wie ich mich da so durch die Innenstadt treiben lasse, sehe ich plötzlich ein Gebäude, das aus der Masse heraus sticht. Das muss ich mir genauer ansehen. Was ist das? Warum ist da so viel los? Ich komme näher und sehe, es handelt sich um einen Markt.

Mercado de nuestra senora de africa

In Frankfurt bin ich regelmäßig auf Märkten unterwegs und kaufe dort fast alle meine Lebensmittel. Das war auf unserer Reise oft nicht möglich, die Märkte schließen in Portugal sehr früh und wir schlafen lange. In Großbritannien haben wir keine Märkte gesehen und z.B. auf Lanzarote gab es keine brauchbaren Märkte.

Obere Ebene

Es sieht auf dem Bild zwar nicht so aus, aber auf der oberen Ebene des Marktes tummeln sich sehr viele Touristen. Es werden Blumen und Handwerkskunst verkauft. Und Nippes. Und Weihnachtskram. Spannender finde ich die untere Ebene.

Untere Ebene des Marktes

Im Untergeschoss finde ich eine lange Reihe von Fischhändlern, Metzgereien, Obstständen, Gemüseläden, Käseverkäufern, und und und. Es erinnert mich sofort an die Kleinmarkthalle in Frankfurt. Es kommen Heimatgefühle auf.

Obststand

Ich werde schwach. Eine Fischhändlerin hält mir einen Thunfisch entgegen, sie darf sofort zwei schöne Thunfischsteaks für Jens und mich herunter schneiden. Der sieht soooo gut aus.

Wegbeschreibung

Wenige Minuten später fallen einige Mini-Paprika aus Teneriffa in meinen Rucksack, gefolgt von einer riesigen Süßkartoffel aus Lanzarote. Hier kann man richtig lokal einkaufen, so macht es Spaß. Ich schicke Jens, der mich bei meinem Straßenbahn-Fotospaziergang nicht begleiten wollte, eine Nachricht, dass das Abendessen gejagt ist.

Wir werden auf diesem Markt noch die frischen Waren besorgen, die wir für unsere Atlantiküberfahrt kaufen wollen.

Das Abendessen war ein voller Erfolg. Wir haben mal wieder geschlemmt, wie die Götter in Frankreich. Das Beste ist, dass der Markt nicht einmal einen Kilometer von der Marina entfernt ist. Ich sehe uns schon, wie wir unseren prall gefüllten Hackenporsche zurück zu Sissi fahren. Mir knurrt beim Schreiben dieser Zeilen schon wieder der Magen.

Santa Cruz ist nicht hässlich. Santa Cruz ist anders. Es erschließt sich einem nicht sofort, doch wenn es einen erwischt hat, macht es einfach nur Laune.