Es ist der 1. Mai. Wir sind fertig. Mit der Bevorratung, mit dem Besichtigungsprogramm in Aruba und mit den Nerven. Nach wochenlanger Vorbereitung und verschiedenen Fehlstarts in verschiedene Richtungen geht es jetzt los und wir fahren zurück nach Europa mit Zwischenstopp auf den Azoren.
Unser Tank ist voll. Für die Fahrt von Kuba nach Aruba haben wir ca. 80 Liter Diesel gebraucht, das meiste davon im Windschatten von Haiti. In Kuba hatten wir schon 50 Liter aus unseren Kanistern nachgetankt, die wollten ebenfalls ersetzt werden. Da wir an einem Feiertag abfahren, können wir vor der Abfahrt nicht aus der Zapfsäule direkt tanken. Die Tankstelle hat an Sonn- und Feiertagen geschlossen. Die Menge ist gering und schleppen müssen wir die Kanister auch nicht weit, liegen wir doch direkt neben der Tanke.
Neben dem Futter für unseren Mercedes Dieselmotor brauchen wir natürlich auch Futter für uns. Die Frage, wie man frisches Gemüse am besten aufbewahrt, haben wir für uns schon lange in der Karibik mit „im Kühlschrank“ beantwortet. Bei Zimmertemperaturen um die 30°C wird das Zeug ziemlich schnell schlecht.
Um die Lebensmittel länger haltbar zu machen, haben wir das Vakumiergerät, dass Jens im November mitgebracht hat. Wenn wir also das ganze Gemüse sowieso umpacken, warum sollen wir es nicht vorher klein schneiden und kochfertig machen? Im Hafen schneiden sich die Zwiebeln viel besser und auch die Kartoffeln schälen sich leichter.
Nach und nach lichtet sich das Chaos. Wir arbeiten zu dritt fast vier Stunden ununterbrochen, bis wir alle frischen Lebensmittel reif für den Kühlschrank haben. Nun können wir für die nächsten zwei bis drei Wochen auf frische Lebensmittel hoffen. Bislang haben wir mit der Technik nur gute Erfahrungen gemacht. Die Sachen, die wir nach Kuba mitgenommen haben, haben sehr lange gehalten. So lange, bis wir sie aufgegessen haben.
Wenn diese Zeilen erscheinen, sind wir also abgefahren. In regelmäßigen Abständen, im 12 Uhr Mittags und um Mitternacht Bordzeit wird die Position auf unserer „Stalking-Seite“ aktualisiert. Wir segeln eine Strecke von ca. 3000 Meilen und werden wohl den ganzen Mai dafür brauchen.
Sissi ist reif für eine Probefahrt. Nach all unseren Reparaturen und nachdem Jens sie wunderschön in den Farben Schwarz und Rot bemalt hat, müssen wir sie auf Herz und Nieren testen. Soraida kommt mit auf die Probefahrt, schließlich soll sie Sissi auch einmal als Segelboot und nicht nur als schwimmende Wohnung kennenlernen.
Wir haben den perfekten Wind – meistens. Wir haben die perfekte Welle, nämlich praktisch keine im Lee von Aruba. So erreicht Sissi fantastische Geschwindigkeiten und wir können alle Systeme an Bord unter realen Bedingungen testen. Alles funktioniert wie es soll. Wir sind glücklich. Lediglich die beiden achteren Unterwanten muss ich noch ein wenig nachspannen. Der Rigger hat mir vor ein paar Wochen schon gesagt, dass ich ein Probesegeln machen soll und dabei die Wanten gegebenenfalls etwas straffen muss.
Nach sechseinhalb Stunden Probesegeln kommen wir wieder in den Hafen. Es ist Zeit für frische Pastecci und Fischkroketten, die Soraida mitgebracht hat. Sie sind lebensrettend, wir haben alle Hunger.
Wir freuen uns alle über den schönen Tag und dass Sissi in so gutem Zustand ist. Das bringt uns dem Abfahrtstag näher. Ich bin gleichzeitig traurig und fröhlich.
Heute ist Freitag, der Tag des deutschen Bieres. Deswegen will ich im Superfood ein paar Dosen deutsches Bier einkaufen, doch anscheinend zelebriert man in Aruba diesen Tag ebenfalls. Wo sonst immer deutsches Bier im Regal steht, ist heute alles leergefegt. Das ist schade.
Seit Montag haben wir ein neues Crewmitglied an Bord, Barbara. Barbara und ich kennen uns schon seit Jahrzehnten. Als frisch gebackene SKS-Besitzerin lässt sie sich die Chance nicht entgehen, für uns die Nachtschicht zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass wir auf unserer Atlantiküberquerung genug Schlaf bekommen. Als sie am Montag an Bord angekommen ist, fiel sie nach zehn Minuten in tiefen Schlaf. Die Reise von Frankfurt über Amsterdam nach Aruba war anstrengend.
Gleich am Dienstag starten wir das Touristenprogramm. Wir fahren mit dem Mietwagen, den wir für eine Woche haben, erst einmal kreuz und quer über die Insel. Dabei passieren wir auf der Straße nach San Nicolas einen blühenden Divi Divi Baum. Die sieht man gar nicht so häufig, die Blüten sehen sehr schön aus.
Bis zum Sonntag wird das Besichtigungsprogramm noch weiter gehen. Wir nehmen uns jeden Tag zwei oder drei Programmpunkte vor. Das gibt uns auch die Möglichkeit, den einen oder anderen Programmpunkt zu wiederholen, wenn etwas schief gegangen ist – zum Beispiel mit den Fotos. Das ist eine ganz lustige Geschichte…
In Deutschland sind derzeit ja viele Geschäfte geschlossen, auch die Fachgeschäfte, in denen man eine Kamera kaufen könnte. Deswegen ist Barbara nur mit ihrem Telefon ausgerüstet nach Aruba geflogen. Wir haben ihr den Vorschlag gemacht, die Kamera doch hier zu kaufen, schließlich ist jetzt viel Platz in ihrem Gepäck. Sie musste eine ganz ordentliche Menge Ersatzteile nach Aruba tragen. Nach einem kurzen Spaziergang in Oranjestad konnte Barbara ihre neue Kamera erwerben.
Was gibt es besseres, um mit der neuen Kamera eine Probefahrt zu unternehmen, als die schönen Bilder, die auf die Wände so vieler Häuser in San Nicolas gemalt worden sind, alle zu fotografieren. Es gibt verschiedene Lichtsituationen, manchmal sind die Blickwinkel nicht so einfach und schließlich die ganz profane Bedienung des neuen Geräts.
Jetzt kenne ich ihre neue Kamera sehr gut. Irgendwie ist es möglich, bei der Benutzung mit der Nase irgendwelche Kamerafunktionen zu aktivieren und wichtige Einstellungen zur Belichtung zu verändern. Irgendwann stellt Barbara fest, dass viele Aufnahmen überbelichtet sind. Ein paar Minuten später schießt die Kamera dann plötzlich Bilderserien, die sich als Belichtungsreihen entpuppen. Noch ein paar Minuten später finde ich endlich heraus, wie man die Funktion wieder ausschalten kann. Spaßig. Meine zehn Jahre alte Nikon sieht da manchmal ziemlich alt aus. Das Objektiv kann allerdings noch mithalten.
Den Ausflug nach San Nicolas beenden wir am Strand von Mangel Halto. Das ist ein sehr schöner Strand, an den sich nur wenige Touristen, dafür um so mehr Einheimische aufhalten. Zum Glück bleibt die Kamera im Auto, denn die Strömung in Mangel Halto ist so stark, dass sie einmal Barbara die Füße wegzieht. Das endet mit sehr nassen Klamotten. Natürlich wird dieser Moment nicht dokumentiert.
Absichtlich gehen wir natürlich auch ins Wasser. Einer meiner Favoriten ist der natürliche Pool an den Ruinen der Goldmine. Wie immer ist die See außerhalb des Pools rau. Und wie immer lässt es sich im Pool gut aushalten.
Die anderen Besucher verschwinden nach wenigen Minuten. Die meisten haben einfach nicht genug Zeit, weil sie Teil einer geführten Tour sind oder den Mietwagen gleich zurückgeben müssen. Das ermöglicht uns, uns komplett zu entspannen und schöne eineinhalb Stunden zu verbringen. Denn wenn Segler eines haben, dann ist es Zeit.
Der Segler hat Zeit und der Segler hat sie nicht. Meine gemeinsame Zeit mit Soraida geht ihrem vorläufigen Ende entgegen. Das stimmt Soraida traurig und mich macht es ebenfalls nicht fröhlicher. Auf der einen Seite wächst die Aufbruchsstimmung, die Freude auf die Segeltage und darauf, dass wir der Heimat jeden Tag ein wenig näher kommen werden. Andererseits werden wir beide sentimental, wenn wir an die bevorstehende längere Trennung denken. Bis wir uns wiedersehen können, wird bestimmt ein halbes Jahr vergehen.
Von unserem Besuch am Pool hat Jens dieses kleine Video zusammengeschnitten.