Die Nachrichten aus Deutschland über die Rücktritte mehr oder minder korrupter Politiker lesen wir in Aruba mit Interesse. In diesem Blog möchte ich auf eine Nachricht hinweisen, die es nicht in die Tagesschau geschafft hat:
Jemand hier in Aruba hat mir gesagt, dass es nichts Gutes bedeutet, wenn die Flagge des Gouverneurs vor dem Parlamentsgebäude flattert. Seit Dienstag habe ich sie an jedem Tag gesehen. Am vergangenen Dienstag ist die Regierung zurückgetreten, Neuwahlen müssen jetzt innerhalb von drei Monaten angesetzt werden.
Seit ein paar Wochen wird von der Staatsanwaltschaft gegen die Regierungspartei POR ermittelt. Es sollen Gemeinschaftsgelder veruntreut worden sein. Ich bin gespannt, wie sich das weiter entwickelt. Den Nachrichten werde ich jedenfalls weiter folgen.
Das alles ist natürlich Gesprächsstoff. Thema an der Bushaltestelle, Thema unter den Fahrgästen, Thema in Bars – zumindest dort, wo nicht vorwiegend Touristen verkehren. Mein Beitrag zu solchen Diskussionen kommt dann meist aus meiner deutschen Perspektive. Viele Arubaner glauben, dass ihre Regierung die Korruption für sich gepachtet hat. Stimmt aber nicht, das ist meiner Meinung nach leider ein weltweites Geschäftsmodell.
Ich glaube, ich sehe das dunkle T-Shirt aus diesem Souvenirshop in den letzten Tagen öfter auf der Straße. Eine Neuauflage ist das T-Shirt nicht. Kann es sein, dass es sich erst kürzlich in den Vordergrund gedrängelt hat? Vielleicht hat der Händler für den Fall eines neuen Skandals immer eine Kiste im Lager.
Wir haben einen Plan. Endlich. Den Atlantik kann uns niemand sperren. Deswegen planen wir die Rückreise nach Europa nun von Aruba aus. Derzeit ist Bermuda offen, dort könnten wir einen Zwischenstopp einlegen, genau wie auf den Azoren. Das alles hängt wie immer vom Wind ab. Mitte bis Ende April bekommen wir Verstärkung aus Frankfurt, Barbara wird uns auf der Atlantiküberquerung begleiten. Das wird es Jens und mir ermöglichen, ein paar Stunden länger zu schlafen. Bis dahin führen wir noch ein paar Arbeiten am Boot durch, es handelt sich zumeist um Malerarbeiten.
Es ist schön mit anzusehen, wie das Boot fast jeden Tag etwas schöner wird. Nur an die Deckenverkleidung des Salons traue ich mich nicht heran, das ist alles zu krumm und will in Europa erneuert werden. Alles zu seiner Zeit. Dabei machen wir uns beide nicht kaputt. Manchmal fährt Jens an den Strand oder ich fahre zu den Eseln, manchmal arbeiten wir am Boot und manchmal kümmern wir uns um unseren Urlaub. Ja, es fühlt sich nun manchmal an wie Urlaub.
Soraida sehe ich inzwischen beinahe jeden Tag. So viel dazu. Es fühlt sich gut an, es fühlt sich richtig an. Ich freue mich auf die Zukunft. Wir wollen am Ostersonntag segeln gehen. Jens erzählt mir, dass seine Freunde nicht mehr glauben, ich würde die Insel irgendwann verlassen. Er würde wohl mit dem Flieger heimkommen müssen. Muss er nicht.
Ich vermisse den Winter, den Wechsel der Jahreszeiten. Aruba bietet den ewigen Sommer. Zwei Winter habe ich schon verpasst. Für alle anderen Probleme kann man sich Lösungen ausdenken.
Während hier also nicht besonders viel passiert, erhalten wir erfreuliche Nachrichten von unserer Familie. Unsere Eltern und unsere Schwester haben alle ihre erste Impfung erhalten. Angesichts der aktuellen Situation in Deutschland beruhigt uns das sehr.
Doch auch hier in Aruba steigen die Zahlen rasant. Das war zuletzt nach dem 18. März, einem nationalen Feiertag („Aruba Flag Day“). Jetzt stehen die Osterfeiertage vor der Tür und die Regierung hat die Maßnahmen verschärft. Es gilt eine Ausgangssperre von 22 Uhr bis 5 Uhr für alle. Restaurants und Bars müssen um 21 Uhr schließen. Ab 19 Uhr darf man nicht mehr an den Strand gehen. Auf der Straße darf man nur noch zu zweit unterwegs sein und im Boot sind maximal vier Personen erlaubt. Insbesondere Verstöße gegen die Ausgangssperre werden mit hohen Geldstrafen geahndet. Ob aufgrund der Maßnahmen oder wegen des schönen Wetters, in den vergangenen Tagen ist die tägliche Zahl der Neuinfektionen jedenfalls wieder einigermaßen zurückgegangen. Zeitweise gab es über 100 neue Fälle am Tag, seit ein paar Tagen sind wir wieder unter 50.
Das hier hat nichts mit dem Aruba Flag Day zu tun. Manchmal sieht man diese Flagge vor dem Parlamentsgebäude, es ist die Flagge des Gouverneurs. Sie besteht aus der Flagge der Niederlande und der Arubas. Anneke hat sie mir vor einer Weile beschrieben. Sie sieht sie häufig, weil sie in derselben Straße wie der Gouverneur wohnt. Wenn er zu Hause ist, weht sie vor seiner Haustür. Sie wird immer da hochgezogen, wo sich der Gouverneur gerade befindet.
Auf dem Weg zum Supermarkt komme ich mal wieder an Eagle Beach vorbei. Ich war lange nicht dort, weil in den letzten Wochen Jens immer mit dem Fahrrad einkaufen war. Ich nehme lieber den Bus, dann muss ich nicht auf dem Rückweg gegen den Wind fahren. Eigentlich kommt mir die Insel sehr voll vor, doch am Strand zeigt sich, dass die Infrastruktur der Insel noch sehr viel mehr Touristen aushält. Ich sehe es auch daran, dass noch längst nicht alle wieder zur Arbeit gehen. Edward zum Beispiel wartet immer noch darauf, dass sein Arbeitgeber ihn wieder einbestellt. Glücklicherweise gibt es für solche Menschen immer noch Geld von der Regierung.
Dieses Bild ist selten. Die beiden Hochhäuser – äh – Kreuzfahrtschiffe sind unterwegs. Natürlich werden sie wieder kommen, doch für einen oder zwei Tage ist der Seeblick unverbaut.
Ich setze mich an den Computer und bestelle im Internet Dinge, die wir in Aruba nicht bekommen oder die hier zu teuer sind. Sie werden alle den Weg in Barbaras Gepäck finden. Das Übergepäck ist billiger, schneller und zuverlässiger als der Transport per Post. Für das Satellitentelefon müssen wir wieder auf die Datenflatrate umstellen, damit wir nicht arm werden. Ansonsten ist fast alles in trockenen Tüchern. Zeit für Entspannung.
Hast du dir in letzter Zeit eigentlich mal Gedanken darüber gemacht, welche Folgen deine Handlungen in der Zukunft haben werden? Gar in gutem Glauben gehandelt, etwas richtig zu machen und bist dabei richtig in die Schei*e getreten? Ich hatte gestern ein Aha-Erlebnis.
Sissi ist ziemlich abfahrbereit. Wir müssen zwar noch tanken, ein Kinderspiel, schließlich liegen wir keine 10 Meter von der Tankstelle entfernt. Wir müssen das Boot zum Tanken nicht einmal bewegen, der Schlauch ist lang genug. Nichts, was uns auf Aruba festhalten würde.
Die Bushaltestelle ist nicht nur ein Ort, an dem man auf den Bus wartet. Sie ist außerdem ein exzellenter Umschlagplatz für Informationen, Klatsch und Tratsch und man kann einen guten Kaffee bekommen. So stehe ich herum und trinke einen Kaffee, als ich von einer Busfahrerin angesprochen werde. Ob ich mich denn schon für die Impfung registriert hätte. Nein, sage ich, wir Touristen bekommen keine Impfung. Den Impfplan für Aruba habe ich mir nämlich genau angesehen. Derzeit werden die Menschen geimpft, die älter als 60 sind oder die zu Gruppen gehören, die gefährdet sind, weil sie etwa im Krankenhaus arbeiten. Dazu gehöre ich nicht.
Doch die Busfahrerin teilt mir mit, was sie im Radio gehört hat. Nämlich dass in Aruba jetzt jeder geimpft wird, sogar die, die illegal im Land sind. Man muss sich nur registrieren, dann bekommt man eine Email mit dem Impftermin. Wow, denke ich. Wir wollen Aruba zwar verlassen, doch mit einer Impfung würde es sich viel leichter reisen lassen. Am Abend diskutiere ich das mit Jens. Wir sind uns einig, dass wir uns gerne impfen lassen wollen.
Also lasse ich mich von Soraida zu der Behörde fahren, bei der man sich für die Impfung anmeldet. Ich erwische den optimalen Moment, eine Viertelstunde vor der Mittagspause. Es gibt keine Schlange mehr vor mir, ich kann direkt an den Schalter gehen. Ich erkläre der Sachbearbeiterin (oder wie das hierzulande heißt) mein Anliegen. Sie fragt mich nach meinem Pass und schaut sich die hübschen Stempel an. Grundsätzlich könne ich eine Impfung in Aruba bekommen, aber…
…ich hatte durchaus recht mit der Vermutung, dass sie Touristen nicht impfen. Jetzt komme ich zurück zu meinem einleitenden Satz. Wären wir nicht nach Kuba gefahren und hätten wir nicht unseren Status durch Ausreise und erneute Einreise nach Aruba legalisiert, wäre zumindest ich weiterhin illegal im Land. Dann könnte ich innerhalb weniger Tage einen Termin haben. Ich solle Ende Juni wiederkommen, wenn mein Status wieder zu „illegal“ wechselt. Dann könne ich die Impfung bekommen. Ende Juni bin ich aber auf der anderen Seite des Atlantik. In Aruba werden alle geimpft, außer denen, die sich legal als Touristen im Land aufhalten.
Nebenbei versuche ich, bei den zuständigen Behörden eine Erlaubnis zur Einreise nach Guadeloupe zu bekommen. Dort gibt es viel bessere und günstigere Möglichkeiten, unseren Mast zu reparieren, als es in Aruba der Fall ist. Auf die Email von vorgestern haben sie mir noch nicht geantwortet, die war allerdings in Englisch geschrieben. Ich Schlumpf habe darüber nicht nachgedacht. Heute habe ich eine weitere Email hinterher geschickt. In französischer Sprache, das kann ich doch. Das ist nur viel anstrengender, die Vokabeln wollen mir nicht immer gleich einfallen. Ich grabe im Hirn und es fällt das englische Wort raus.
Als kleiner Hamster habe ich inzwischen fast alle Teile für eine Motorinspektion eingesammelt. Nur der Luftfilter und ein paar Liter Öl fehlen mir noch. Das Öl ist ein ganz gewöhnliches mineralisches 20W-50er Öl, in Aruba konnte ich es bislang nicht finden. Dabei tingele ich von Autoteile-Shop zu Autoteile-Shop. Soraida lässt mich heute bei dem Laden raus, in dem sie immer die Teile für ihren Bus kauft. Die haben meinen Luftfilter sogar im Computer, einer sei noch auf Lager. Der hat sich aber irgendwo versteckt, nach 15-minütiger Suche kommt der Verkäufer mit leeren Händen zu mir zurück.
Zusammenfassend muss ich sagen, dass mein Wille zur Abreise nie größer war und die Möglichkeiten nie geringer. Eine Atlantiküberquerung kann man aber auch von Aruba aus machen. Es ist wie im März vergangenen Jahres. Nach und nach schließen sich die Grenzen.
Nachtrag: Nach nur drei Stunden kam die Absage aus Guadeloupe. Benutzt man die richtige Sprache, bekommt man auch eine Antwort.