Fluch der Karibik

Die Rückübersetzung des Beitragstitels ins englische durch Google ist witzig.

Wir waren auf dem Weg in das gelobte Land, nach Atlantis und sind in Aruba gelandet, das ja etwa in derselben Weltgegend liegt. Wir kamen Ende Januar und wollten nur wenige Wochen unsere Wunden lecken und zusätzlich die leckenden Fenster abdichten. Auf diesem Boot lastet der Fluch der Karibik.

Sissi schaut ganz erstaunt. Was passiert denn hier an Bord?

Episode 1: Der Propeller. Wir sind zuversichtlich. Noch ist die Chapo ebenfalls in Aruba und Charly hilft uns bei der Behandlung unseres Propellers, indem er seine Tauchausrüstung klar macht und die Demontage mitsamt fälliger Montage am folgenden Tag durchführt. Wir sind glücklich, sind wir doch unserem Ziel, so schnell wie möglich weiter zu kommen, ein Stück näher gekommen.

Der Vorrat an Kaffee muss dringend aufgestockt werden. Nach längerer Suche konnte ich eine Marke finden, die unseren Ansprüchen einigermaßen gerecht wird.

Episode 2: Die Dachluken. Sie wollen und wollen nicht dicht werden. Die Schrauben sind zum Teil ausgeleiert. Das alte Dichtungsband bröselt vor sich hin. Nach tagelangen Versuchen schaffen wir es dann endlich, die Luken dicht zu bekommen. Wir sind glücklich, haben wir doch einen dicken, fetten Punkt von unserer Todo-Liste streichen können. Wir kündigen unsere baldige Abreise an. Gemeinsam mit Freunden kommt schon einmal so etwas wie Letzter-gemeinsamer-Abend-Stimmung auf. Wir sind optimistisch, die verbleibenden Restarbeiten in kurzer Zeit erledigen zu können.

Anneke hat das Eis aus der Tiefkühltruhe herausgebrochen. Einige Esel schlecken gerne an den Eisbrocken. Solange ich in Aruba bin, ist für mich ein wöchentlicher Besuch bei den Eseln fast schon Pflicht.

Episode 3: Ölkatastrophe. Nach eineinhalb Wochen Behandlungszeit sehen wir die Farbe unseres Teppichs wieder. Der Fußboden klebt nicht mehr. Wir erfreuen uns am wieder schönen Anblick.

Episode 4: Die Umlenkrolle an der Mastspitze. Als wir von Kuba nach Aruba gesegelt sind, hatten wir einige Probleme, unser Großsegel wieder herunter nehmen zu können. Diese Probleme sind dann in unserem Gedächtnis verloren gegangen, weil wir anschließend ohne Antrieb nur unter Segeln und mit Hilfe eines Schleppers in den Einklarierungshafen kommen konnten (siehe auch Episode 1).

Es bildet sich einigermaßen Frustration heraus. Die Zeit beginnt sich zu dehnen. Um vielleicht doch noch um das Abnehmen des Masts herum zu kommen, warten wir auf den Rigger und seine Meinung. Natürlich muss der Mast runter. Wir warten. Warten auf einen Termin.

Unser Teddybär von den Tobermory Lifeboats schaut gemeinsam mit dem Backbord- und dem Steuerbordesel auf das, was wir so tun. Das ist manchmal auch sehr, sehr wenig.

Epsiode 5: Mast kranen und Kreditkarte bluten lassen. Für schlappe 800 US$ kommt ein Autokran in die Marina Varadero und steht uns für knapp vier Stunden zur Verfügung. In dieser Zeit versprühen wir Arbeitseifer ohne Ende, nach drei Stunden steht der Mast wieder auf dem Deck und ist provisorisch festgemacht. Die Reparatur der Umlenkrollen hat keine zehn Minuten gedauert. Das endgültige Trimmen des Masts soll der Rigger für uns erledigen.

Wir sind glücklich, denn ohne das Großsegel wäre eine Weiterfahrt unmöglich geworden. Wir kündigen unsere baldige Abreise an.

Rippsche mit Kraut und Kartoffelpüree. Frankfurter Nationalgericht. Noch haben wir ein paar Dosen Kraut an Bord. An das Kassler kommt man in Aruba sehr gut heran. Wenn die Seele leidet, kann man sie über den Magen ein wenig besänftigen.

Episode 6: Zahnschmerzen. Gibt es eigentlich den absolut besten Moment in der Woche, um Zahnschmerzen zu bekommen? Gibt es! Es ist der Freitagnmachmittag, wenn die Zahnarztpraxen alle schon geschlossen haben. Das garantiert ein fröhliches Wochenende und Top-Motivation, eventuell anfallende Arbeiten zu erledigen. Kochen macht auch keine Spaß. Essen erst recht nicht. Nach der Diagnose kommt erst einmal das Warten. Das Warten auf einen Behandlungstermin. Die zweistündige Behandlung. Das Warten auf Besserung. Eine weitere Behandlung. Und das Warten auf Besserung. Diese Episode ist immer noch nicht abgeschlossen. Ich wollte eigentlich vorgestern noch einmal in die Praxis gehen, doch die Zahnärztin hat Brückentag gemacht.

Ein toller Joke. Vorgestern war Freitag und der Donnerstag war Nationalfeiertag.

Diese Touristen posieren mit dem von ihnen geangelten Fisch. Das Leben kann süß sein in der Karibik. Das Wetter ist immer schön, überall befinden sich Menschen, die gerade einen glücklichen Urlaub verbringen.

Episode 7: Der Fuß. Auf dem Rückweg von einem Besuch bei Budget Marine vertrete ich mir den Fuß ziemlich gründlich. Heute, zwei Wochen nach dem Vorfall, kann ich wieder schmerzfrei gehen. Es ist aber noch nicht gänzlich vorbei. Mit diesem Fuß bin ich auf der Rückfahrt von Kuba schon einmal deftig umgeknickt. Auf jeden Fall ist jeder Tag Wartezeit vor der möglichen Abfahrt nun Gold für den Fuß. Wenn ich ihn so lange wie möglich schone, ist er so schnell wie möglich besser. Ich schone ihn ziemlich gut.

Der Fluch der Karibik, die Trägheit, sie gewinnt mehr und mehr Macht über mich. Oder über uns. Warum sollen wir unsere Abfahrt vorbereiten? Wir geben keine Abfahrtstermine mehr bekannt. Woher sollen wir wissen, wann es weiter geht? Den Fuß spüre ich zwar noch, ich habe aber beschlossen, dass er unsere Abreise nicht behindert.

Trägheit. Bei den Katzen ist es ganz natürlich. Bei den Menschen wird sie um so größer, je mehr frustrierende Erlebnisse zu verarbeiten sind. Zumindest bei den Menschen, die an Bord der Sissi leben.

Episode 8: Der Springbrunnen. Unser Motor ist klatschnass. Aus dem Motorraum läuft ein Rinnsal. What the fuck? Wo kommt das her. Eine erste Untersuchung mit den Augen und der Taschenlampe bringt kein Licht ins Dunkel. Ich wische alles trocken und gebe der Angelegenheit einen Tag. Am nächsten Tag ist es wieder nass. Es ist Süßwasser. Wo kommt das denn her? Aus dem Kühlwasserkreislauf ist es nicht, sämtliche Leitungen sind trocken und es tropft nirgendwo an den Verbindungsstellen. Wir finden ein T-Stück, das in der Seite ein Stecknadel großes Löchlein hat, aus dem eine muntere Fontäne sprudelt. Diese Episode läuft jetzt erst seit drei Stunden.

Jens will in den Baumarkt fahren, um ein Ersatzteil oder Reparaturmaterial zu besorgen. Der Baumarkt macht aber am Sonntag um 14 Uhr zu, das ist in etwa die Uhrzeit, zu der ich diese Worte schreibe.

Der Fluch der Karibik hält uns in den karibischen Niederlanden fest. Ich fühle mich ein wenig wie der fliegende Holländer – nur umgekehrt. Meinem Boot ist es verwehrt zu segeln.

Eine Hackfleischsauce mit frischem Lauchgemüse wird gerade geboren. Dazu wird es Nudeln geben. Ein einfaches Gericht, doch es ist immer wieder lecker. Pasta macht glücklich. Erst recht mit frisch geriebenem Parmesankäse. Schließlich heißt das Sprichwort „Liebe geht durch den Magen“.

Jedes Ding hat seinen Grund. Jede Handlung hat ihre Folgen. Unterlassungen können sich auch auswirken. Aufgrund einer Verkettung von unglücklichen Umständen, verschleppten Tätigkeiten, Trägheit und einer Menge Pech sind wir noch in Aruba. Mir gefällt es im Moment sehr. Auch Episode 9 hat erst vor kurzem begonnen. Hätten Episoden drei bis fünf nicht stattgefunden, wäre es auch mit der neunten nichts geworden.

Gestern Abend habe ich eine wirklich tolle, liebe Frau an Bord zu Besuch gehabt und für sie Abendessen gekocht. Unser zweites Date. Anschließend waren wir am Strand. Nicht irgendwo, wir sind bis zum California Lighthouse gefahren. Beendet wurde es von der Polizei, denn wir durften wegen der Corona-Regeln nicht gemeinsam auf einem Stein sitzen. Mehr schreibe ich nicht, doch Jens hat mich schon gefragt, ob meine Beziehung Auswirkungen auf unsere Abfahrt hätte.

Ich mache keine Aussagen mehr zu einer möglichen Abreise. Ich mache mich doch nicht lächerlich. Es macht aber Spaß, wie zwei Teenager am Strand zu sitzen.

Gestern hat außerdem unsere Eintracht gegen Union Berlin mit 5:2 gewonnen. Die Dame, die gestern an Bord war, unterstützt Bayern München.

Feuerfisch Imbiss

Vor ein paar Wochen stellte mir Klaus in einer Mail die Frage, ob bei uns die Luft raus sei. Klaus kenne ich gar nicht persönlich, wir schreiben uns aber schon seit eineinhalb Jahren regelmäßig. Er ist ein viel erfahrenerer Segler als ich es bin, sitzt aber derzeit in Deutschland fest und sein Boot ist in Holland. Und ich sitze auf meinem Boot, das sich im Moment aber nur ein paar Zentimeter bewegt, soweit es die Leinen eben gestatten.

Gestern war ich wieder bei der Zahnärztin. Der Zahn, den sie vergangene Woche wieder aufgebaut hat, bereitet mir immer noch Schmerzen und siehe da, sie kann mit dem Bohrer noch ein paar Ecken und Kanten der Füllung wegnehme, wo sich der Zahn im Unterkiefer und der im Oberkiefer aneinander gerieben haben. Sie ist zuversichtlich, dass ich in Kürze schmerzfrei bin. Noch kann ich allerdings auf der Seite noch nicht kauen. Apropos kauen. Am vergangenen Samstag sind wir auswärts essen gegangen für einen guten Zweck.

Feuerfisch als Graffito in San Nicolas

In Aruba ist Speerfischen verboten, allerdings gibt es Ausnahmen. Eine Ausnahme ist die Jagd auf den Feuerfisch, der als invasive Art aus Asien in die Karibik kam und hier keine natürlichen Feinde hat. Es wird einiges unternommen, um diesen Räubern beizukommen. Sie fressen nämlich andere Fische und haben keine natürlichen Feinde in der Karibik. Deswegen hat man in Honduras versucht, die Haie an den Geschmack der Feuerfische zu gewöhnen. Richtig erfolgreich war das nicht. Einen weiteren natürlichen Feind haben die Feuerfische außerdem noch in der Karibik, den Menschen. Freiwillige schwimmen mit ihren Speeren los, um die Population in den Gewässern von Aruba wenigstens etwas auszudünnen. Die Beute wird dann an den Lionfish Snack geliefert, der jeden Samstagnachmittag öffnet (bei uns heißt er Feuerfisch, im Englischen ist es der Löwenfisch).

Lionfish Snack Aruba

Dickie und Edward holen uns am frühen Nachmittag ab. Beide kennen den Imbiss nicht, dabei befindet er sich in unmittelbarer Nachbarschaft von Edwards Wohnung bzw. des Arbeitsplatzes seiner Frau. Wie meinte Edward zurecht – man muss sich auch in der eigenen Gegend umsehen und schauen, wenn es neue Geschäfte oder Restaurants gibt. Stimmt!

Informationsplakat

Ein großes Plakat erklärt dem Kunden, warum es für die Natur gut ist, den Feuerfisch zu essen. Ich bestelle mir eine Portion Kibbeling, das sind mit einem Backteig ummantelte, frittierte Filetstücke. Jens bestellt einen Mix aus Kibbeling und Wings, Flügeln. Die sind aus den seitlichen Flossen gemacht und sehen auf dem Teller auch sehr gut aus. Allerdings haben sie Gräten, die Kibbeling-Stücke nicht.

Mischung aus Kibbeling und Wings

Seit ich Holland vor knapp zwei Jahren verlassen habe, konnte ich keinen ordentlichen Kibbeling mehr finden. Zwar verkauft der Fischladen im Superfood hier ebenfalls Kibbeling, doch Jens hat diesen nach einem Test für sehr, sehr schlecht befunden. Es wird ein tiefgefrorenes Industrieprodukt verkauft, dabei gibt es in Aruba so guten Fisch. Das Essen aus dem Lionfish-Snack ist von vorne bis hinten hausgemacht.

Jens und Dickie – einer wartet noch, einer hat schon sein Essen

Neben uns warten noch zwei amerikanische Touristen auf ihr Essen, deswegen dauert alles ein wenig. Auf viel Kundschaft gleichzeitig ist der Imbiss nicht eingestellt. Und nebenbei kommen immer wieder telefonische Bestellungen rein, der Imbiss scheint beliebt zu sein. Als endlich mein Essen auch seinen Weg zu mir findet, ist mir klar warum. Das Fleisch des Feuerfischs hat einen feinen Geschmack, eine schöne Konsistenz und damit ist der Kibbeling einfach nur lecker.

Kibbeling, ich habe zuerst gegessen und dann das Bild gemacht

Nach der Mahlzeit machen wir das, was dem Arubaner die liebste Freizeitbeschäftigung ist. Wir fahren einfach mit dem Auto noch eine Runde über die Insel, besuchen Baby Beach und entspannen uns zu den Reggae-Klängen aus dem Autoradio. Nach einem traumhaft kitschigen Sonnenuntergang lassen wir den Abend am Steg ausklingen.

Das bringt uns alles zwar nicht weiter, es bringt uns der nächsten Insel keinen Meter näher. Aber es tut gut, die tägliche Routine zu durchbrechen, andere Menschen zu treffen und einfach nur Spaß zu haben. Ich empfinde es im Moment gerade sehr schwer, mich selbst zu motivieren. Wir hatten gerade ein schönes Wetterfenster, um in die Ostkaribik weiterzusegeln. Das ist nun geschlossen. In der kommenden Woche gibt es sogar ein zweitägiges Flautenloch, sagt mir mein Wetterorakel. Dann würden wir Diesel verbrennen oder in der karibischen See herum torkeln.

Wettervorhersage

Das bedeutet, dass ich keinerlei Prognose mehr über einen möglichen Abfahrtstermin wage. Wenn ich von einer Weiterfahrt rede, werde ich inzwischen ausgelacht. Die Einheimischen machen mir sogar Angebote für Immobilien, was ich nicht mehr lustig finde. Das Gute im Schlechten ist, dass mein Fußgelenk inzwischen wieder fast normale Maße angenommen hat und ich mich auf dem Vorschiff nicht mehr unsicher fühlen würde.

Brötchenteig

Aruba ist klebrig aber Aruba ist nicht das Ende. Wir werden diese Insel verlassen, das ist sicher. Wann das der Fall sein wird, ist noch nicht endgültig geklärt. Jeder hat Hochs und Tiefs in seinem Leben, ich befinde mich gerade in einem Tief. Deswegen freue ich mich, dass Jens heute versucht, frische Brötchen zu backen. Ich bin auf das Ergebnis gespannt und darauf, ob ich sie auf der linken Seite auch kauen kann.

Ein Jahr Aruba

Heute vor einem Jahr sind wir in Aruba erstmals angekommen. Seit drei Wochen wollen wir Aruba verlassen. Es ist wie verhext.

Aruba im März 2020 vor dem Lockdown.

Jens bringt heute den Windsensor an die Mastspitze. Beim Test der Instrumente stellen sich alle tot. Die Sicherung ist geschmolzen. Nach dem Austausch läuft der Datenbus wieder (NMEA 2000), liefert aber nur Strom und keine Daten. Wenn ich den Windmesser abklemme ist alles normal.

Also ist entweder der Sensor defekt oder nicht richtig angeschlossen. Oder das Kabel im Mast wurde beim Abnehmen desselben beschädigt. Das müssen wir jetzt herausfinden.

Wir sind auf dem Sprung, wollen endlich weiter. Doch Aruba klebt.

Positiv: Gestern hat die Zahnärztin meinen Zahn repariert. Für unter 200€ habe ich die Untersuchung, ein Röntgenbild und die Reparatur bekommen. Wenn ich da an die Preise in Deutschland denke… Gehen kann ich auch schon wieder. Langsam aber schmerzfrei.

Was ist vor der Abfahrt noch zu tun? Nicht viel. Windsensor reparieren. Segel anschlagen. Vorräte auffüllen. Abfahren.

Der erste Punkt kann fatal sein. Im schlimmsten Fall muss der Mast noch einmal runter. Ärgerlich, langwierig und teuer.

Negativ: In dem Datenkabel ist ein Kurzschluss. Um das Kabel zu ersetzen, muss der Mast noch einmal runter. Das machen wir aber nicht mehr in Aruba.

Wir werden ab sofort die Windstärke über den Ladestrom des Windgenerators ermitteln.