Einmal rund Atlantik!

Nachtrag zum zweiten Reisetag von Cork nach Douglas. Gestern war ich ein wenig unfit, doch nach 12 Stunden Schlaf bin ich jetzt wieder gut drauf. Zunächst einmal habe ich nachzutragen, dass ich mit Sissi die Atlantikrunde vollendet habe. Das geschah schon kurz vor Mittags, doch der vorherige Blog war auch so schon lange genug. Deswegen steht es heute gleich zu Anfang.

Kurslinie von 2019 und von 2022 kreuzen sich!

Was auch immer uns Menschen reitet, irgendwelche Runden zu vollenden, mich reitet es auch. Anstelle einer Umrundung unseres Globus ist meine Reise zu einer Runde über den Atlantik geworden. Das ist auch anstrengend genug, insbesondere die letzten beiden Tage waren anstrengend. Es macht einen riesigen Unterschied, ob zwei Personen auf einem Segelboot reisen oder nur eine. Mit Klaus von der SY Maris schreibe ich mir schon eine ganze Weile. Er hat eine große Erfahrung im Einhandsegeln und meinte einmal zu mir, dass wir, Jens und ich, zwei Einhandsegler auf einem Boot seien. Das stimmt insofern, als dass wir uns auf unseren längeren Strecken nur wenige Stunden am Tag sehen. Es schläft der eine oder es schläft der andere. Damit komme ich auch schon zum Hauptproblem beim Einhandsegeln, dem Schlaf.

Abendstimmung in der Irischen See

Ich koche das Abendessen wie gewöhnlich. Ich mache Makkaroni mit Käsesauce (Azorenkäse) und Röstzwiebeln. Die kleinen Makkaroni sind leicht mit dem Löffel zu essen, mit der anderen Hand kann ich im Seegang den Teller festhalten. Da ich kein zweites Crewmitglied habe, muss ich hinterher auch noch den Abwasch erledigen. Das ist soweit okay, ich habe sowieso nichts besseres vor. Jetzt beginnt meine Abendschicht. Die verbringe ich üblicherweise mit einem Buch oder einem Film, diesmal beginne ich sie mit einem Nickerchen. Ich stelle mir den Wecker auf eine Dreiviertelstunde, denn ich kann am Horizont keine Zeichen von Fischerbooten erkennen. Vor Frachtern, Fähren und Seglern habe ich wenig Angst, die sieht man prima auf dem AIS. Doch die Fischer haben ihre AIS-Sender zumeist abgeschaltet, weil sie den Kollegen die Fischgründe nicht verraten wollen. Also sind sie für mich auch ziemlich unsichtbar. Das Radar ist keine große Hilfe, denn der hohe Seegang sorgt für ziemlich viele Bildstörungen.

Kaum bin ich eingeschlafen, schon reißt mich der Wecker wieder aus dem Schlaf. Ich klettere ins Cockpit und bleibe dort ein paar Minuten. Ich schaue nach Anzeichen von Fischerbooten. Dann beginnt die Runde von vorne. Auf die Couch, Wecker stellen und schon bin ich eingeschlafen. Und schon reißt mich der Wecker wieder aus meinen Träumen. Das geht so Stunde um Stunde. Um drei Uhr morgens würde ich eigentlich Jens wecken, doch der ist ja bekanntermaßen nicht an Bord. Also muss ich auch die zweite Schicht übernehmen. Die geht so weiter, wie die erste Schicht geendet hat. Zwischendurch wärme ich mir noch ein paar Makkaroni auf.

Es ist ein großer Unterschied, ob man das Segelboot nur ein paar Stunden alleine bewegt oder ob man über Nacht fährt. Im ersten Fall kann man im Hafen in Ruhe schlafen. Es ist auch ein Unterschied, ob man mitten auf dem Atlantik fährt oder in Landnähe. Ich hätte weniger Sorgen, wenn ich ein paar hundert Meilen vom Land entfernt unterwegs wäre. Dort könnte ich mich auch länger als nur die paar Minuten hinlegen. Dort draußen ist einfach nichts los. Ich habe von Einhandseglern gehört, die sich einfach normal zum Schlafen hinlegen. Das ist in der irischen See aber nicht machbar.

Isle of Man in Sicht

Wenigstens beruhigt sich der Seegang. Und meine Berechnungen zur Fahrtzeit erweisen sich als tragfähig. Ich fahre mit auflaufender Tide auf Douglas zu. Da man nur zwei Stunden vor bzw. nach dem Hochwasser in den inneren Hafen einlaufen kann, wollte ich möglichst zum Hochwasser ankommen. Das klappt prima.

Douglas

Eine Stunde vor Ankunft erwecke ich den Benz im Keller zum Leben. Ich hätte zwar noch ein wenig weiter segeln können, ohne die Öffnung des Hafens zu verpassen, doch dann hätte ich zu viel Arbeit zur gleichen Zeit gehabt. Segel runter nehmen, Fender und Leinen klar machen und dazu den Funkverkehr mit dem Hafen führen. So mache ich gemütlich eins nach dem anderen. Ohne Stress. Ich bin zwar müde, aber ich bin nicht müde bis zum Umfallen. Vor der Hafeneinfahrt darf ich noch einmal kurz warten, ein Taucher ist am Wartepontoon bei der Arbeit. Nach wenigen Minuten bekomme ich die Freigabe und lande mit einem perfekten Anlegemanöver an der Wartestation. In einer Stunde öffnet der innere Hafen.

Sissi am Wartepontoon

Kurze Zeit später werde ich schon wieder von meiner Couch geholt. Der Hafenmeister ist gekommen und weist mir meinen Liegeplatz zu. Er wird mich später dort erwarten und beim Festmachen helfen. Ich will gerade wieder ein Nickerchen machen, als sich das Funkgerät meldet. Zoll und Einwanderungsbehörde sind auf dem Weg zu mir. Und da stehen sie auch schon auf dem Pontoon. Die Zöllner registrieren wohlwollend die gelbe Q-Flagge. Wir scherzen über den Brexit. Mehr oder minder wahrheitsgemäß beantworte ich die Fragen zu meinem Schmuggelgut. Die Damen von der Einwanderungsbehörde trauen sich nicht einmal auf den Schwimmsteg herunter. Ein Zöllner bringt ihnen meinen Pass zum Abstempeln. Dann bin ich drin und darf die gelbe Flagge herunternehmen.

Sissi im inneren Hafen

15 Minuten vor der Zeit ruft mich das Funkgerät schon wieder. Für mich wird die Brücke vor dem Hafenbecken außerplanmäßig geöffnet. Das ist toll. Normalerweise haben die ausfahrenden Boote Vorfahrt, dann können die einfahrenden Boote hinein. Jetzt wird die Brücke nur für mich geöffnet, ich kann über Funk die Anweisung an die Boote im inneren Hafen hören, dass sie nicht hinaus fahren dürfen. Gigantisch! Der Hafenmeister hilft mir beim Festmachen. Anschließend nehme ich eine schnelle Dusche, schreibe die Ankunftsmeldung im Blog und falle in mein Bett. Licht aus. Gute Nacht. Die Socken, die ich zwei Tage in den Gummistiefeln getragen habe, verbreiten ihren ganz eigenen Duft… und schon bin ich eingeschlafen.

Lobster zum Abendessen

Clubhaus

Der Atlantik ist geschafft. Nach unserer frühen Ankunft in Crosshaven bei Cork nehmen Mário und ich erst einmal eine warme Dusche. Dann legen wir uns wieder hin und holen versäumten Nachtschlaf nach. Mit zwei Kannen Kaffee intus schlafe ich eher schlecht als recht.

Crosshaven bei Niedrigwsser

Am frühen Nachmittag kümmert sich Mário um seinen Heimflug. Wir haben Mittwoch, am Samstag muss er wieder zur Arbeit erscheinen. Für ihn ist es nur ein kurzer Ausflug nach Irland geworden.

Busstation in Crosshaven

Eigentlich wollte ich im Marina-Restaurant zu Abend essen, doch im Royal Cork Yacht Club finden gerade Segelwettbewerbe statt. Die Speisekarte ist eingedampft auf ein einziges Gericht – Chicken Curry. Das ist nicht das, was ich mir für Mários und meinen letzten gemeinsamen Abend vorgestellt habe. Deswegen fahren wir in die Stadt. Immerhin sind die Busverbindungen sehr gut, der Bus fährt alle 15 Minuten und braucht eine gute halbe Stunde bis ins Zentrum.

Turm

Auf der Suche nach einem ordentlichen Restaurant kommen wir auch an der einen oder anderen touristisch wertvollen Stelle vorbei. Insofern hat sich die Fahrt schon gelohnt. Am River Lee schaut sogar mal die Sonne zwischen den Wolken durch.

Sonnenschein
Bewölkt

Irgendwie kommt mir das Wetter ziemlich irisch vor. Kaum hat sich die Sonne gezeigt, ist sie auch schon wieder verschwunden. Es fallen ein paar Regentropfen, doch die fallen nicht lange. Es reicht nicht einmal, um die Straße nass zu machen.

Stadtbusse in Cork

Nicht nur nach Crosshaven sondern überall in Cork fahren die Stadtbusse in dichtem Takt. Die Einzelfahrt für 2,20€ berechtigt zu einer Fahrt mit beliebiger Länge. Damit ist auch schon das Ende der günstigen Angebote erreicht. Von Portugal her verwöhnt schauen wir auf die Speisekarten der Restaurants. Die Preise sind nicht nur gesalzen, die sind auch gut gepfeffert. Mário bekommt Angst um sein Portemonnaie. Da ich es mir aber in den Kopf gesetzt habe, einen Hummer verspeisen zu wollen, beißt Mário in den sauren Apfel. Viele Alternativen hat er sowieso nicht. Er kann sich ja schlecht mit einem Döner zu mir ins Fischrestaurant setzen.

Hummer, sehr gut zubereitet.

Nachdem ich in der Karibik immer Langusten als Hummer serviert bekommen habe, freue ich mich über den ersten richtigen Hummer seit drei Jahren. Mário ist erstaunt über das feine Fleisch und bereut den Besuch dieses Restaurants nicht mehr. Fast nicht mehr. Wir schlagen richtig zu und gönnen uns zusätzlich noch eine Vorspeise und eine Nachspeise. Dazu kommen die Getränke und schwupps haben wir eine Rechnung von 120€ produziert. Oder, wie Mário sagt, wir haben ein Fünftel seines monatlichen Gehalts verfressen. Am nächsten Morgen um 5:30 Uhr fährt sein Bus zum Flughafen.

Sissi in Crosshaven

Ich lasse den Tag vor sich hingleiten. Immer noch bin ich reichlich müde. Sissi liegt gut am Steg, der ausgezeichnet geschützt ist. Im Owenboy River gibt es keinerlei Schwell, außer von den vorbeifahrenden Motorbooten. Die wiederum fahren in großer Zahl, denn es gibt viel zu tun.

Regatta für die Kleinen

Von den jüngsten Clubmitgliedern bis zu den Erwachsenen sind alle mit den Regatten beschäftigt. Entweder werden Boote an den Startplatz geschleppt, oder sie werden wieder zurück geschleppt. Oder sie werden einfach zur Ziellinie gesegelt, wobei sich das bei dem sehr schwachen Wind oft als Geduldsspiel erweist.

Regatta für die Großen

Am Abend findet dann immer eine Party im Clubhaus statt. Ich bin ja nun schon ein paar Tage hier, die Intensität der Partys hat immer mehr zugenommen. Am Donnerstagabend war Preisverleihung mit anschließender Party bis um 1 Uhr in der Nacht. Am Freitagabend war Grillabend mit Party. So richtig gut einschlafen konnte ich nicht, denn selbst um 2:30 Uhr in der Nacht hörte ich immer noch eine Horde betrunkener Iren zum Klang irischer Weisen grölen. Am Samstagabend war dann endlich Ruhe. Man kann den Clubmitgliedern jedenfalls nicht vorwerfen, dass sie ihre Segelwoche zu wenig ernst genommen haben. Die leeren Fässer sprechen Bände.

Spuren der Party

Am Sonntag beginne ich meine Weiterreise vorzubereiten. Ich wasche meine Wäsche und ziehe die Betten ab. Dabei finde ich einen blinden Passagier aus Guadeloupe. Nein, diese Schabe ist definitiv nicht aus Guadeloupe, sie ist an Bord groß geworden. Ich verteile an den üblichen Stellen wieder das Anti-Kakerlaken-Kampfmittel.

Ankommen

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Wir sind nur noch ein paar Meilen von Cork entfernt und müssen uns für eine der Marinas entscheiden. Die Entscheidung ist schnell getroffen, wir entscheiden uns für Crosshaven. Dort gibt es in einem Flusslauf gleich drei Marinas, eine von ihnen wird schon Platz für uns haben. Crosshaven ist zwar am Ende der Welt, doch es gibt eine regelmäßige Busverbindung nach Cork. Gegen 14:50 Uhr sehe ich zum ersten Mal Land am Horizont.

Flaute, aber es ist Land in Sicht

Ich wecke Mário, der sich schon lange danach sehnt, etwas anderes als Wasser vor seine Augen zu bekommen. Richtig begeistert ist er nicht, aber das liegt wohl auch an der Müdigkeit. Dann sehen wir die Flossen von ein paar Haien im Wasser. Das weckt die Lebensgeister. Mário beschwert sich ein wenig, denn ich habe ihm Delfine versprochen. Gesehen haben wir außerdem unzählige Seevögel, Portugiesische Galeeren, ein paar Wale und wir haben sogar ein paar Tintenfische an Deck gefunden. Nur Delfine hatten wir noch nicht.

In der Flaute ist auch Gelegenheit für einen Ausflug in den Bugkorb

Zum Abendessen gibt es die Reste des gestrigen Hackbratens, dem ich mit einer Biersauce aus seiner Trockenheit helfe. Lecker. Während Mário das Geschirr spült, sehe ich einigen Vögeln zu, die offenbar Interesse am Wasser unter ihnen haben. Dann erkenne ich den Grund ihres Interesses, einige Delfine befinden sich auf der Jagd. Ich rufe Mário ins Cockpit und er kann einen weiteren Haken auf seiner Liste machen.

Delfine auf der Jagd

Es ist lustig. Immer wieder ziehen Delfine in mehr oder minder großer Entfernung an Sissi vorbei. Der Tisch scheint reichlich gedeckt zu sein. So dauert das Abspülen von ein paar Tellern eine gute Stunde, denn immer wieder wollen Fotos und Videos geschossen werden.

Dieser Delfin begleitet uns ein paar Minuten

Die Nacht wird kurz. Wir wollen gegen 4 Uhr morgens an der Ansteuerungstonne für die Einfahrt nach Cork sein. Also machen wir verkürzte Nachtwachen. Ich bleibe bis um 1 Uhr wach, dann darf ich mir noch drei Stunden Schlaf gönnen. Die gehen viel zu schnell vorbei. Gleich neben der Ansteuerungstonne liegt ein Frachter vor Anker. Nur der Sonnenaufgang lässt noch etwas auf sich warten.

Frachter vor Anker

Dank aller unserer Hilfsmittel (Seekarte, Radar, AIS) und der vor Ort befindlichen Leuchttürme und Tonnen gelingt die Einfahrt auch in der Dunkelheit problemlos. Und es wird von Minute zu Minute heller. Wieder einmal kann ich einen Sonnenaufgang sehen, das geschieht in meinem Leben nicht allzu oft. Es herrscht reger Schiffsverkehr, ein Frachter kommt uns mitsamt Lotsenboot entgegen, gleich darauf folgt der nächste Frachter – diesmal von hinten.

Frachter fährt bei Sonnenaufgang Richtung Cork

Wir biegen ab in den Owenboy River. Mário bringt die Fender raus und sucht die Festmacher, die er vor knapp 13 Tagen verstaut hat. Es findet sich alles wieder, Sissi ist rechtzeitig zum Anlegen bereit. Im Flusslauf selbst liegen recht viele Boote an Bojen. Wir haben gerade Hochwasser, trotzdem sollte man nicht auf der falschen Seite der Bojenfelder fahren. Irgendwo zwischen den Mooringbojen sind dann aber immer mal wieder grüne und rote Tonnen versteckt.

Crosshaven am Morgen

Wir finden einen freien Platz in der Royal Cork Yacht Club Marina. Sissi ist schnell vertäut. Um 6:30 Uhr ist die Reise nach 1280 Seemeilen beendet. Wir sind vollkommen kaputt und wollen erst einmal eine Runde schlafen. Doch vorher schnorren wir noch den Code für die elektrische Tür am Steg bei einem Frühaufsteher. Dann nehmen wir uns die Zeit für eine lange, heiße Dusche. So schläft es sich viel besser! Ich schätze, dass ich in den nächsten Tage nicht allzu viel schreiben werde. Bevor die Geschichte mit Cork weitergeht, habe ich noch einige Bilder aus Santa Maria nachzureichen. Mário bucht schon einmal seinen Heimflug, denn sein Urlaub ist übermorgen vorbei. Während ich diesen Beitrag schreibe, habe ich kalte Füße. Irland ist von der Temperatur her schon eine andere Hausnummer als die Azoren.