Sissi speeded, Sonne scheint!

Sanft schaukelt Sissi in den langen Wellen, das Segel steht sicher im stetigen Passat. Sechs Windstärken sehen wir nicht selten, mit sechseinhalb Seemeilen pro Stunde sausen wir durch die südliche karibische See. Die Sonne scheint, sechs Solarpaneele schicken den Strom in unser System, der Superwind-Generator surrt sonor und sammelt Amperestunde um Amperestunde. Seevögel schweben schreiend neben uns her, sammeln fliegende Fische, verspeisen sie und sehen dabei stark und elegant aus. Schwimmend und springend sehen wir Delphine bei ihrem Mittagsmahl. Ein Super-Segeltag, der schöner nicht sein könnte. Der starke Wind schiebt uns in Richtung der niederländischen Antillen und singt dabei sein Lied in der Takelage. Sagenhaft!

Siegen sahen wir unsere Eintracht gestern zwar nicht, aber der Sport kam dennoch nicht zu kurz. Andreas hat uns in Frankfurt den Liveticker zum Pokalspiel gegen Bremen in Emails gepackt und über Satellit auf Sissi gesendet. So sprangen wir dann auf, als die Tore fielen. Wir bejubelten den Sieg und das Nebelhorn durfte sprechen. Jubelrufe über den Funk haben wir uns gespart, es ist sowieso niemand hier in der Einsamkeit.

Die ABC-Inseln werden sie genannt und gehören irgendwie noch zu den Niederlanden. Eigentlich wollten wir gleich nach Aruba fahren, haben aber vor ein paar Minuten entschieden, dass wir zuerst Bonaire anlaufen. Die Abstände zwischen Aruba, Curacao und Bonaire sind so klein, wir können jederzeit an einem Tag ohne Nachtfahrt zur nächsten Insel weiterfahren.

Der dritte Tag auf See ist immer der Tag, an dem sich die meisten Spannungen lösen. Wir sind wieder auf die Bordroutine eingestellt, wir konnten uns entspannen und jetzt plötzlich haben wir auch wieder Gespräche miteinander. Das Programm für die nächsten Wochen steht. Jeder Plan übersteht nicht den ersten Feindkontakt und der Plan, irgendwie einen Besuch von Kuba noch in die Welttournee mit hinein zu quetschen, war irgendwie nicht richtig.

Wir sind so schnell und die Strecke zum neuen Ziel ist so viel kürzer, wir werden wohl nicht am Samstag, sondern schon am Freitag eintreffen.

Position um 12 Uhr: N12°52‘ W66°20‘
3. Etmal: 129 nm
Reststrecke bis Bonaire: 120 nm

Seevögel speisen fliegende Fische

Jippie!!! Wir wissen, wie das Wasser in die Bilge kommt!

Manchmal muss es eben mit Gewalt gehen. Auf Martinique haben wir am Abend vor der Abfahrt den Watermaker nochmal für ein paar Stunden laufen gelassen und das Wasser quasi in den Tank gepresst. Außerdem gab es noch einen tropischen Starkregenschauer und dann war kurze Zeit später wieder ziemlich viel Wasser in der Bilge. Auch nach der Abfahrt haben wir regelmäßig die Bilge ausgepumpt und die Zahl der Pumpenhiebe notiert. Es war zwar immer Wasser in der Bilge, es wurde aber immer weniger. Uns so haben wir ein weiteres Mal die Bodenbretter im Salon angehoben und nach einem Leck im Wassertank gesucht – siehe da, plötzlich sahen wir im Licht der Taschenlampe Wasser unter dem ersten der drei Tanks glitzernd in die Bilge laufen. Hmmpf. Das hatte ich vorher ausgeschlossen.

Von dort aus läuft das Wasser ziemlich direkt in die tiefe Bilge. Jetzt stehen wir vor der Frage, ob das ein gewollter Überlauf der übervollen Tanks ist oder ob das ein Defekt ist. Wenn wir wieder Telefonnetz haben, werde ich zuerst mal den Vorbesitzer anrufen und fragen. Der hat mir damals so viel über das Boot erzählt, wovon ich schon sehr viel wieder vergessen habe. Bei den ganzen Erklärungen und Handreichungen war auch einiges zum Thema Wassertank dabei. Immerhin hatte Harald das Boot für 17 Jahre, dabei kommt schon ein reicher Erfahrungsschatz zusammen.

Auf jeden Fall sind jetzt viele ungeklärte Fälle aus der Vergangenheit geklärt, in denen plötzlich Wasser in der Bilge stand. Nach der Abfahrt in Porto, daran kann ich mich erinnern, stand das Wasser bis zur Propellerwelle. Allerdings haben wir in Porto auch den Watermaker sehr lange laufen lassen. Es stand sehr oft nach der Abfahrt zu größeren Etappen Wasser in der Bilge. Jetzt erklärt es sich, denn mit dem Hafenstrom konnten wir den Watermaker immer ordentlich lange laufen lassen. Das haben wir auch gemacht und es wohl mit der Menge übertrieben.

Während meiner Wache ist es mir gelungen, eine Aufnahme bei Mondlicht zu machen, auf der man sogar noch etwas erkennen kann und die meiner Meinung nach die Stimmung ganz schön rüberbringt. Ich liebe die Nächte auf See, wenn nichts repariert werden muss und ich die Fahrt genießen darf.

Position um 12 Uhr: N13°20‘ W64°13‘
2. Etmal: 107 nm
Reststrecke bis zum nächsten Ziel: 346 nm

Mondnacht in der karibischen See

Auf in ein neues Land!

Kuba steht ganz oben auf unserer Prioritätenliste, was die Länder in der Karibik angeht. Kuba ist allerdings auch über 1000 Meilen von Martinique entfernt. Wir wollen nach Kuba, also beschließen wir, dass die Sache mit der Bilge auch unterwegs geklärt werden kann. Wir laden neue Wetterdaten herunter und beginnen, innerlich zu fluchen wie ein Schotte im Pub. Für zwei Tage gibt es schwachen bis ordentlichen Wind, dann kommen drei Tage mit ordentlichem bzw. sehr guten Wind und anschließen fallen wir in ein Flauteloch, das dann nach zwei weiteren Tagen durch Starkwind bzw. Sturm ersetzt wird. Wir können nicht nach Kuba.

Für Jamaika gilt im großen und ganzen das, was ich eben zu Kuba geschrieben habe. Die Entfernung ist in einer ähnlichen Größenordnung, der Weg ist bis auf die letzten 200 Meilen identisch und das Wetter naturgemäß nicht besser. Wir können nicht nach Jamaika.

Wir spielen mit der Seekarte und überlegen uns Ziele. Ziele, die wir mit dem vorhandenen Wind bequem erreichen können. Ziele, die uns weiter bringen. Wir finden ein Ziel und machen uns startklar. Nach dem erneuten Ausklarieren verlassen wir Martinique bei schwachem Wind (10 bis 14 kn) aber mit bestem Wetter.

Nach all der Zeit auf den Inseln fühlt es sich toll an, wieder in See zu stechen. Ohne viele Worte sitzen wir im Cockpit und schauen, wie die Silhouette von Martinique immer kleiner wird. Auch St. Lucia und die beiden Pitons sehen wir noch einmal, die Sicht ist gigantisch gut. Jens geht früh ist Bett, ich habe die erste Wache. Es ist alles wie immer. Der Mond gießt sein fahles Licht über die karibische See, Sissi schaukelt, die Geräuschkulisse ist wieder da – ansonsten ist es still.

Im Gegensatz zur Fahrt über den offenen Atlantik ist hier in der Karibik ordentlich was los. Frachter kreuzen unseren Kurs, Kreuzfahrer sehen wir zum Glück keine und am Himmel blinkt es immer wieder, wenn ein Flugzeug über uns fliegt. Ich kann gelegentlich sogar die Triebwerke hören, denn es ist wirklich sehr still. Die Atlantikwelle hat sich noch nicht ausgebildet, die Schiffgeräusche halten sich im Rahmen und pfeifen tut der wenige Wind auch nicht.

Später in der Nacht frischt der Wind auf, plötzlich haben wir fast 30 kn Wind. Sissi ist nun im Vollgalopp unterwegs. Der Wind kommt genau von hinten, der Windfahne gelingt (wie immer) die Steuerung fast perfekt, nachdem ich (wie immer) eine oder zwei Stunden daran herum fuddeln musste. Genau vor dem Wind fahren ist so einfach bzw. so schwer, wie das Balancieren eines Tellers auf einem Stab. Stimmt die Balance dann, muss man tagelang die Einstellungen nicht mehr verändern.

Heute morgen empfängt mich Jens um 10 Uhr nach dem Aufstehen mit einer Kanne Kaffee. Dann geht er schlafen. Ich habe ihn um 3 Uhr in der Nacht geweckt. Zu zweit sind die Wachen wieder länger. Mittags stelle ich fest, dass unsere Geschwindigkeit trotz des wenigen Windes gar nicht so schlecht ist. Das Etmal ist immerhin dreistellig. Wir können damit rechnen, unser Ziel am Samstag bei Tageslicht zu erreichen.

Position um 12 Uhr: N13°59‘ W62°34‘
1. Etmal: 105,7 nm
Reststrecke bis zum nächsten Ziel: 447 nm

Der Diamantfelsen vor Le Marin