El Gasóleo

Jens und ich mussten vor zwei Jahren feststellen, dass wir mit Sissi prima segeln können. Wenn uns der Wind ausgeht, haben wir einen tollen Dieselmotor eingebaut, der uns immer voran bringt und dabei schnurrt wie ein Kätzchen. Nach einem tollen Segeltag starteten wir den Motor vor der Hafeneinfahrt von Stavoren und nur wenige Sekunden hörte das Kätzchen mit dem Schnurren auf.

Erschrecke den Tankwart

Die Aktion kostete uns einen Anker. Den mussten wir nämlich rauswerfen, während wir das Motorproblem beseitigten. Sonst wären wir auf die Hafenmauer getrieben. Das Motorproblem war relativ schnell beseitigt, denn mit etwas Diesel lief der Motor dann wieder rund und gleichmäßig. Das anschließende Aufholen des Ankers war chaotisch, weil sich die elektrische Ankerwinde verabschiedete und beim manuellen Hochkurbeln auch noch die Pallklinke abgerissen ist. So ging es für den Anker mitsamt seiner Kette nur noch nach unten.

Kurz gesagt: Wir sind in dieser Hinsicht etwas paranoid. Auf der Strecke von Vigo nach Lanzarote haben wir knapp 80 Liter Diesel verbraucht. Das sind ca. 800 Meilen oder auch 0,1 Liter Diesel pro Meile. Bei diesem Verbrauch reichen die knapp 300 Liter Tankinhalt locker für die 2800 Meilen nach Barbados.

Reservesprit

Damit wir unser Kätzchen immer am Schnurren halten können, haben wir an der Tankstelle um die Ecke noch 100 Liter Reservediesel gekauft und an Bord geschleppt. Der Tankwart guckte etwas dumm aus der Wäsche, als wir zum Tanken die Kofferraumklappe unseres Seat Ibiza geöffnet hatten. Auch die 100 Liter Diesel für den kleinen Seat sind nicht ganz normal. Er kam zu uns, um nachzuschauen, ob wir irgendwelche Probleme haben. Hatten wir natürlich nicht.

Jetzt sind wir spritmäßig voll ausgerüstet für den Sprung über den Atlantik. Unsere Reichweite haben wir durch den Reservediesel um mindestens einen Tag vergrößert, bei Flaute und ruhigem Wasser sogar um eineinhalb Tage. Das ist beruhigend.

Besuch aus Marokko

An unseren ersten Tagen hier auf Lanzarote hatten wir ungebetenen Besuch aus Marokko bzw. aus Afrika. Frau Calima hat sich ungefragt bei uns eingenistet und wollte Sissi nicht mehr verlassen.

Immer noch übrig, die Spuren von der Calima

Die Calima ist ein warmer Wind aus der Sahara und bringt gleich ein Stück der Sahara mit. Lanzarote muss immer wieder darunter leiden. Das Foto oben ist entstanden, nachdem wir Sissi schon zweimal gereinigt haben. Wir haben es versäumt, vor der ersten Reinigung ein paar Bilder zu machen.

Es ist sauschwer den Sand wieder von Bord zu bekommen. Mit dem Wischlappen darf man da nicht ran, denn sonst rubbelt man sich gleich die ganze Farbe vom Deck und aus dem Cockpit. Das funktioniert noch besser, als mit Sandpapier von 60er Körnung.

Es sieht jetzt alles irgendwie ungepflegt aus.

Also muss mit dem Schlauch gespült werden. Das schlechte Gewissen spült da immer mit, denn auf Lanzarote ist Trinkwasser knapp und muss unter hohem Energieaufwand erzeugt werden. Wir haben beschlossen, das Boot nur noch einmal zu reinigen, nämlich am Tag vor der Abfahrt.

Hinweis in der Dusche

Andere Yachties nehmen es mit dem Wasser nicht so genau. Sie spritzen ihre Boote jeden Tag ab. Das bringt aber nichts. Wenn das Boot noch schön feucht ist, findet es die Calima besonders gemütlich, sich auf jeder freien Fläche nieder zu lassen. Die Calima fliegt durch alle Ritzen und kommt auch unter Deck. Wir müssten Sissi schon komplett in Folie verpacken, um das zu verhindern.

Die äußere Bordwand hat noch nicht so viel von unserer Reinigungswut abbekommen. Hier ist noch besser zu sehen, wie es überall an Bord ausgesehen hat. Wer Wert auf ein blitzblankes, gewienertes Boot legt, sollte um Lanzarote einen großen Bogen segeln.

Sissi, das Calima-Opfer

Ein Gang über den Marinaparkplatz entspannt das Gemüt. Nicht nur wir Segler sind Opfer der Calima. Einige der geparkten Fahrzeuge sehen aus, als würden sie schon Jahre dort stehen oder seien aufgegeben. Dabei ist hier nur das Resultat von wenigen Tagen Saharawind zu sehen.

So schön und einzigartig die hiesige Landschaft auch ist, ich freue mich schon auf den Tag, an dem wir dieser Insel das Achterstag zeigen. Denn erst dann sind wir sicher vor dem Sand.

Alle leiden unter dem Sand.

Durst und Heimweh

Warnung! Beitrag enthält Heimweh. Oder wie Friedrich Stoltze damals geschrieben hat:

Es is kaa Stadt uff der weite Welt,
Die so merr wie mei Frankfort gefällt,
Un es will merr net in mein Kopp enei:
Wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei!

Man sagt ja, dass Durst schlimmer sei als Heimweh. Das gilt insbesondere bei schönem Wetter vor einem Biergarten. Ich behaupte jetzt, dass der Spruch falsch ist. Ein leckeres Getränk lässt sich überall auftreiben, unser Frankfurt gibt es jedoch nur am Main.

Frankfurter Römer während der Luminale am 12. Oktober 2017 (Foto: Manfred Jonas)

Noch leide ich keinen richtigen Durst. Noch haben wir Apfelwein an Bord und können uns jederzeit einen Frankfurter Schluck genehmigen. Doch waren wir in unserem Leben noch nie so lange nicht in Frankfurt. Ich merke das.

Unsere Kommunikation läuft vollkommen problemlos. Wir haben zumeist gutes Internet an Bord und können nach Hause telefonieren. Das machen wir auch regelmäßig. Gelegentlich nutzen wir sogar Skype, damit wir unsere mal wieder Eltern sehen und nicht nur mit ihnen reden können.

Wir haben in den letzten Monaten so viele Menschen kennen gelernt, wie das zu Hause niemals der Fall sein könnte. Die meisten Segler sind sehr offene Menschen. Wenn wir uns zwei Stunden mit neuen Bekannten im Cockpit unterhalten haben, ist meist aus der Bekanntschaft fast schon eine Freundschaft geworden. Um dieses Niveau zu erreichen, brauche ich in der Heimat meist Monate. Vielleicht liegt es daran, dass die meisten Segler, die wir treffen, einen ähnliches Ziel verfolgen. Gelegentlich gewinne ich den Eindruck, dass es auf dem Atlantik eng wird, weil so viele Boote in die Karibik wollen. Vielleicht liegt es auch daran, dass die meisten Segler sich entweder eine berufliche Auszeit genommen haben oder schon in Rente sind. Ohne den täglichen Druck, zur Arbeit gehen zu müssen, lebt es sich durchaus entspannt. Oder es ist die Gewissheit, dass man sich nur für ein paar Tage gegenseitig auf den Geist geht. Irgendwann stimmt die Windrichtung wieder, die Steggemeinschaft löst sich auf und jeder fährt zu seinem nächsten Ziel. Also ist man gezwungen, sich schnell auf eine sehr persönliche Ebene zu bewegen, sonst bleiben wichtige Themen unausgesprochen. Ich schätze diesen Aspekt des Langfahrtsegelns sehr.

Ich vermisse Treffpunkte, Freunde und Gewohnheiten aus Frankfurt. Eine jahrelange Freundschaft ist nicht durch eine Stegbekanntschaft zu ersetzen. Statt zu den Heimspielen ins Waldstadion gehen, müssen wir mit der Übertragung im Radio vorlieb nehmen und die Tore alleine bejubeln. So schön es unterwegs ist, wir können uns nirgendwo ans Mainufer setzen. Dieser Aspekt des Langfahrtsegelns war mir vorher zwar klar, ich konnte jedoch nicht ahnen, mit welcher Intensität das in mir bohren würde.

Ich spüre das Heimweh nicht immer. Wenn die Segel oben sind und Sissi durch das Wasser zischt, ist nichts so fern wie das Heimweh. Es fühlt sich am besten an, wenn wir so weit draußen sind, dass wir nur noch mit dem Satellitentelefon kommunizieren können, ohne Handynetz und ohne das Plärren aus dem Funkgerät. Dann bin ich tief im Jetzt. Dann ist das Universum begrenzt auf die wenigen Quadratmeter Segelboot. Dann ist die Aufgabe, sicher zum nächsten Ziel zu kommen. Vor dem Bug liegt die Aussicht auf so viel Neues, für das ich das Altbekannte gerne loslasse. In der Nacht schalte ich dann gerne mal für ein paar Minuten die Schiffsbeleuchtung aus und genieße die Freiheit, unter einem ungetrübten Sternenhimmel ins dunkle Nichts zu segeln.

Liegen wir aber fest, schweben meine Gedanken am Abend im Cockpit oft in die Heimat. Möglicherweise ist es sogar so, dass die Möglichkeit, jederzeit zum Telefon zu greifen, das Heimweh verstärkt. Gerne würde ich unsere Eintracht mal wieder live sehen oder einen Bembel in einer Apfelweinwirtschaft leeren. Dieser Zug ist jedoch abgefahren. Anfang Juni.

Frankfurt Hauptbahnhof, Gleis 20, ICE nach Amsterdam

In ein paar Jahren gehe ich wieder ans Mainufer und ins Waldstation. Vorher werde ich auf die Kaneren, in die Karibik und die Südsee fahren, Australien sehen und noch viel mehr. Das wird spannend!

Dieser Beitrag erscheint während unserer Überfahrt nach Lanzarote. Bis nach Frankfurt sind es nur noch ca. 25000 Seemeilen.