Ostersegeln

Die Wettervorhersage passt perfekt. Am Ostersonntag soll der Wind um ca. fünf Knoten abflauen. Außerdem hat Soraida zwei Tage frei, deswegen verabreden wir uns zu einem gemütlichen Tagestörn. Am Samstag machen Jens und ich Sissi klar zum Segeln. Es ist viel weniger Arbeit als von uns erwartet. Wir waren in den letzten Wochen ziemlich ordentlich, die Werkzeuge und anderen Kram haben wir immer wieder brav dahin zurückgelegt, wo wir die Sachen hergenommen haben. So profitieren wir immer noch von der Ordnung, die wir eigentlich für die Überfahrt nach Guadeloupe hergestellt hatten.

Am Sonntag stehen wir früh auf. Jens kümmert sich um die Plane, die unserem Cockpit den Schatten spendet. Ich will nur kurz den Motor checken. Ölstand, Kühlwasser, Keilriemen – eben der übliche Check, bevor wir den Hafen verlassen. Der geübte Leser dieses Blogs weiß, dass jetzt ein Unglück geschehen wird, welches uns am Verlassen des Hafens hindert.

Kürzlich hatten wir diesen kleinen Wasserschaden. Aus den unter Druck stehenden Wasserleitungen sprühte ein feiner Wasserstrahl lustig gegen den Motor. Wie lange das schon so war, kann ich nicht sagen. Beim letzten Motorcheck vor gut einem Monat, als wir in Varadero den Mast abgenommen haben, ist mir das Problem nicht aufgefallen. Wahrscheinlich hat es aber schon vorher bestanden, ich war nicht gründlich genug. Auf einigen der Riemenscheiben blüht jedenfalls der Rost.

Rost. Kann man nirgendwo brauchen.

Schei*e. Das muss jetzt mal so gesagt werden, denn der Rost hat seine Spuren im Keilriemen hinterlassen. Hier müssen wir erst einmal Arbeit hineinstecken. Wir brauchen einen neuen Keilriemen und die Riemenscheiben müssen entrostet werden, sonst ist dieser sofort wieder zerstört.

Beschädigungen. Nicht vollständig. Es gibt noch mehr kaputte Stellen.

Zum Glück haben wir Ersatz an Bord, denn die Autoteilehändler haben über die Osterfeiertage geschlossen. Schnell schreibe ich eine Nachricht an Soraida, dass wir eine Stunde später starten. Das Handbuch muss her.

Motor Reparaturhandbuch

Ich habe den Keilriemen noch nicht wechseln müssen, deswegen fehlt mir die nötige Ahnung. Der Vorgang selbst ist sehr, sehr einfach und schnell erledigt. Eine Schraube lösen, den Spanner vorsichtig entlasten und dann den alten Keilriemen abnehmen. Wir haben übrigens die Ausführung mit Servolenkung. Was normalerweise die Servolenkung antreibt, bewegt unseren Impeller.

Dann entroste ich mit einer Zahnbürste und Rostentferner die Riemenscheiben, bis sie wieder schön glatt sind und den nächsten Keilriemen nicht mehr zerstören können. Anschließend kommt der neue Riemen an die Stelle des alten, mit dem Spanner wird er nun unter Spannung gesetzt und anschließend startet Jens den Motor. Es wird spannend. War die Reparatur erfolgreich? Können wir jetzt raus fahren? Der Motor kommt in sofort im ersten Startversuch in Gang.

Der kurze Film gibt die Antwort sehr deutlich, wir können nicht losfahren. Der Keilriemen ist einfach zu locker. Er lässt sich bei stehendem Motor eine Handbreit bewegen. Das ist zu viel.

Kommen wir einmal zum schmutzigen Geheimnis des Harald B. aus Aurich, von dem ich Sissi erworben habe. Er hat mir beim Verkauf des Bootes auch die vielen Ersatzteile gezeigt, die er noch an Bord hat. Von Luft-, Öl- und Dieselfilter über Bilgepumpe bis hin zu dem bewussten Keilriemen. Das Geheimnis ist, dass viele der „neuen“ Ersatzteile gar nicht neu sind, sondern ihr Leben schon hinter sich gelassen haben. Warum hat er das gemacht? Natürlich darf ich die Schuld nicht einzig und allein auf Harald schieben, ich habe nicht in die Herstellerverpackungen hineingesehen. Meine Unterlassung.

Hinsichtlich der gebrauchten Ersatzteile besteht inzwischen keine Gefahr mehr, denn wir haben sie bis zum heutigen Tag alle verbraucht. Die „neue“ elektrische Bilgepumpe hat nach ihrem Einbau sofort den Dienst mit Rauchzeichen quittiert. Dank Charly von der Chapo konnte ich im vergangenen Jahr schnell eine weitere Pumpe bekommen, die jetzt auch zuverlässig ihren Dienst verrichtet. Der „neue“ Luftfilter für den Motor war zwar schon gebraucht, sah aber besser aus als der, der seinen Dienst von Holland bis Aruba verrichtet hat. Barbara wird uns aus Deutschland noch einen mitbringen, denn in Aruba war ich bislang vergeblich auf der Suche. Der „neue“ Keilriemen kommt gleich in die Tonne. Ich bin zuversichtlich, in Aruba zwei Exemplare kaufen zu können, Soraida kennt alle Autoteile-Händler. Ansonsten müssen wir auf Barbara warten. Die „neue“ Ankerlaterne hat beim ersten Ausprobieren einen knallenden Kurzschluss verursacht und flog in den Müll. Der „neue“ Impeller war porös und die Flügel ließen sich leicht abbrechen.

Frohe Ostern!

Ich verbringe den Tag mit Soraida im Cockpit. Wir genießen die Snacks, die sie mitgebracht hat. Im Lauf der Zeit vergeht mein Zorn auf mich selbst. Auch wenn Ostern in Deutschland beinahe schon vorbei ist – frohe Ostern aus der Karibik!

Willkommen auf Atlantis

Der letzte Tag unserer Reise. Ich habe uns für ein Zeitfenster zwischen 5 Uhr und 9 Uhr in Atlantis angemeldet, damit der Doktor an die Pier kommen und einen PCR-Test machen kann.

Am Vorabend nehmen wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit das Großsegel herunter, damit wir nicht zu schnell sind. Außerdem ist es eine Sauarbeit, die besser bei Tageslicht erledigt wird. Wir sind gut in der Zeit. Wir fahren eine verkürzte Nachtschicht, denn wir wollen um kurz nach 5 Uhr in den Hafen von Barcadera einlaufen. Als ich um Mitternacht an Jens übergebe, ist alles noch plangemäß.

Um fünf Uhr morgens stehe ich auf, der Bordcomputer zeigt eine besch….. Position. Wir segeln seit fünf Stunden praktisch auf der Stelle, der Wind hat ziemlich zu unseren Ungunsten gedreht. Also entschließen wir uns, den Motor zu starten und die letzten sechs Meilen zu motoren. Das Ingenieurskunstwerk aus Sindelfingen erwacht mit dem üblichen Grollen zum Leben. Wir nehmen die Genua runter, das Getriebe tut seinen üblichen Schlag, als ich den Gang einlege. Der Motor heult auf, als ich Gas gebe. Sonst passiert nichts.

Ruckzuck ist die Genua wieder in Betrieb, wir wären fast rückwärts gegen die einzige Tonne weit und breit getrieben worden. Was wir auch anstellen – der Propeller verweigert die Zusammenarbeit. Nach Atlantis zu kommen ist schwieriger als gedacht. Wir müssen es bis auf den letzten Meter aussegeln.

Um 7 Uhr ist der Einklarierungshafen Barcadera informiert. Um 8 Uhr ist klar, dass aus der Marina ein Dinghi als Schlepphilfe kommt. Um 9 Uhr haben wir den Treffpunkt ausgemacht, den wir jedoch erst um kurz vor 11 Uhr erreichen. Wir segeln hin und her, der Wind lässt nach und die Strömung gewinnt die Überhand. Kurz vor 11 kann uns Hans von der Renaissance Marina endlich in den Schlepp nehmen. Er müht sich redlich und nur knapp kann der 40 PS Motor uns an die Zollpier schleppen. Leinen rüber, festmachen, Schweiß von der Stirn wischen. 68 Meilen, aber eine Stunde fehlt noch bis zum Etmal.

Einklarieren war schnell erledigt, die Menschen sind freundlich und die Zöllner an Bord haben natürlich nichts geklaut. An dieser Stelle soll Schluss sein, wir sind müde und müssen schlafen. Morgen zeige ich ein paar Bilder aus Havanna.

Endspurt

Tag 10

Es ist alles gesagt und aufgeschrieben. Doch eines ist sicher, der zehnte Tag ist der letzte vollständige Tag auf dem Wasser. Wir können Atlantis fast schon sehen. Die Knochen tun weh, wir sind müde und erschöpft. Zehn Tage gegen den Wind fahren hat Spuren bei uns beiden hinterlassen. Zehn Tage gegen den Wind fahren hat Spuren an Sissi hinterlassen. Wir freuen uns auf die Ruhe am Quarantäne-Ankerplatz.

Morgen werden wir bei Sonnenaufgang den Hafen Barcadera erreichen. Es sind noch 30 Meilen bis Aruba, unser zehntes Etmal liegt bei 79 Meilen.