Es ist nicht so leicht für einen Außenstehenden, sich das Leben auf einem Segelboot vorzustellen. Schon gar nicht in der aktuellen Situation mit den geschlossenen Grenzen in den meisten Ländern. Mein arubanischer Bekannter Lel kann sich das auch vorstellen. Er glaubt, ich sitze den ganzen Tag auf dem Boot herum und schlage die Zeit tot.
Die Zeit schlage ich nicht tot. Stattdessen mache ich mit meinem Totschläger die Fliegen im Dutzend platt. Tag für Tag. Manchmal glaube ich, ich habe die Fliegenpopulation auf Aruba schon ausgerottet. Dann sehe ich für mehrere Stunden keine Fliegen auf Sissi. Allerdings kommen auch auf Aruba mindestens 100 Fliegen zur Beerdigung, wenn man eine einzelne plattgemacht hat.
Lel steht jedenfalls vor ein paar Tagen am Steg und fragt mich, ob ich nicht Lust auf eine Rundfahrt über die Insel habe. Er hat im Augenblick nicht besonders viel zu tun. Ich freue mich sehr und frage ihn, ob wir zum Arikok Nationalpark fahren können. Dort kann man nämlich nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinfahren.
Der Park befindet sich im Südosten der Insel. Wir haben aber nicht genug nachgedacht, denn natürlich ist der Park wie alle anderen öffentlichen Einrichtungen geschlossen. Landschaftlich sieht es wie auf Bonaire aus – Staub und Kakteen.
Schade, aber wir können das nicht ändern. Ich werde noch einmal wiederkommen, wenn der Park wieder geöffnet hat. Wir fahren zurück und an der Küste entlang in Richtung Saint Nicolas. Dabei biegen wir immer wieder von der Hauptstraße ab und Lel zeigt mir den einen oder anderen schönen Ort.
Aruba wird an der Ostküste vom Atlantik aufgegessen. Auf der Ostseite verliert die Insel immer mehr Substanz. Der Atlantik bearbeitet die Küstenlinie mit seiner ganzen Gewalt und trägt den Boden ab. Dafür wächst Aruba auf der Westseite. Die dem Ozean abgewandte Seite wird größer und größer. Die Insel ist also ganz langsam unterwegs.
Die Inschrift auf diesem Denkmal lautet: „TO ALL SEAMAN“. Ich fühle mich sofort angesprochen und versuche herauszufinden, wer Charles Brouns Jr. war, dem man mit diesem riesigen Anker gedenkt.
Gemeint sind mit dieser Inschrift gar nicht die Seeleute, sondern alle Arubaner, egal wo sie sich auf der Welt befinden. Charles Brouns Jr. hat wohl einiges für die Wirtschaft von Aruba getan, indem er den Tourismus angekurbelt hat.
Baby Beach ist einer der beliebtesten Strände im Süden von Aruba. Normalerweise wäre kein Platz für die Möwen zwischen den Badehandtüchern. Nur vereinzelt kann ich Menschen sehen. Die Leute haben sich zwei Liegestühle aufgestellt, das ist nach geltender Gesetzeslage nicht so richtig erlaubt.
Man darf ins Wasser gehen. Es ist nicht verboten, im Sand zu sitzen, wenn der Sicherheitsabstand eingehalten wird. Bei der Nutzung von Liegestühlen kommt die Polizei. Es ist nicht erlaubt, sich im Liegestuhl am Strand auszuruhen. Das sind die derzeit geltenden Spielregeln.
Lel hat bis vor ein paar Jahren im Restaurant am Baby Beach gearbeitet. An einem schönen Tag kam eine Familie aus den Niederlanden zum Strand. Sie hatten ihr Auto vollgeladen mit Strandutensilien, Liegestühlen, Kühltaschen und einem Baby im Kindersitz. Sie mussten mehrmals laufen, um all ihre Sachen an den Strand zu tragen. Dabei hat eine Windbö die Tür des Wagens zugeworfen. Das Auto war nun verschlossen, das Baby saß noch im Fahrzeug in seinem Kindersitz. Die Freude war groß, als Lel nach ein paar Minuten das Auto aufbrechen konnte. Lel zeigt mir Fotos mit der Familie und dem Baby. Das ist inzwischen ein Kleinkind und die Familie kommt immer noch regelmäßig nach Aruba.
Anschließend fahren wir nach Saint Nicolas. Dort mache ich Dutzende Aufnahmen von Graffiti an Hauswänden und Mauern. Es sind so viele Aufnahmen, dass die Malereien in Saint Nicolas ihren eigenen Beitrag im Blog bekommen werden.
Als Lel mich wieder vor der Marina absetzt, fühle ich mich erfrischt. Es tut sehr gut, aus der Marina und ihrer Umgebung herauszukommen. Der Ausflug hat mein Gehirn erfrischt. Ich lade ihn für die kommende Woche zum Abendessen auf Sissi ein.