Am frühen Nachmittag fahren Jens und ich Sissi nach Barcadera zum Ausklarieren. Das ist inzwischen Routine geworden, das letzte Mal ist ja nur eine gute Woche her. Anschließend sind wir frei, wir setzen Segel und schon wieder segeln wir letztmalig entlang der Küste Arubas, an den Hotels vorbei und zum California Lighthouse. Dann ziehen wir die Schoten richtig fest, Sissi muss so dicht an den Wind, wie es die Segel eben zulassen. Nachdem wir den Schutz Arubas hinter uns haben, wühlen wir uns durch hohe Wellen. Der Wind bläst mit sechs bis sieben Windstärken.
Die Bedingungen sind rauer als am 1. Mai. Das macht sich nach wenigen Stunden bemerkbar, als Jens sich verabschiedet und mich bittet, ihm den Putzeimer zu reichen. Im ganzen Boot steht ein penetranter Bilgegeruch, der diesmal die Seekrankheit ausgelöst hat. Okay, ich muss kein Abendessen kochen. Ich ernähre mich von den Snacks, die im Boot reichlich herumliegen. Es wird Abend, es wird dunkel, es wird Nacht. Am Horizont schimmern immer noch die Lichter Arubas.
Mir fällt auf, dass die Bilge voll ist. Wir sind auf dem Backbordbug, wir haben den Frischwassertank vor ein paar Stunden aufgefüllt. Wenn man den Tank zu voll macht, laufen die überzähligen Liter in die Bilge. Kein Grund zur Sorge, wir haben Strom genug für die Bilgepumpe. Nach wenigen Minuten meldet sie mir schlürfendem Geräusch, dass das Wasser abgepumpt ist. Gut. Auch der Geruch verschwindet mit dem Wasser. Merke: Wenn die Bilge stinkt, hat es ihren Grund. Zu Hause wird eine Generalreinigung fällig.
Um 2 Uhr wecke ich Jens, ich habe eine 10-Stunden-Schicht hinter mir. Stunden habe ich mich mit der Einstellung des Windpiloten und des Segeltrimms beschäftigt. Seit Mitternacht ist es etwa perfekt. Seit Mitternacht habe ich nicht mehr in die Steuerung eingreifen müssen. Immer wenn ich mich hinten hinsetze, um den Windpiloten zu justieren, kommt eine ordentliche Ladung Wasser vom Bug her über das Deck geflogen. Echt spritzig!
Eine fast perfekte Übergabe. Jens ist nicht ganz fit, er ist aber auch nicht ganz unfit. Das reicht für die Wache. Ich krieche in meine Koje und finde ein paar Minuten Schlaf. Jens refft die Genua ein wenig, das Klickern der Winsch dringt nur geringfügig in mein Unterbewusstsein. Gefühlt sind nur wenige Minuten vergangen als das Geräusch der handbetriebenen Bilgepumpe in mein Gehirn dringt. Bitte?
Es ist 3 Uhr morgens. Jens teilt mir mit, dass das Wasser im Salon über den Bodenbrettern steht und dass die elektrische Bilgepumpe ausgefallen ist. Er pumpt, während ich aus dem Bett springe und die Ursachenforschung beginne. Außerdem überbrücke ich die müde Sicherung der elektrischen Pumpe in der Hoffnung, dass sie dann wieder ordentlich pumpt. Sie pumpt aber nicht. Jens ruft wieder nach dem Eimer, er ist nach wenigen Minuten an der Pumpe wieder fest in der Hand der Seekrankheit. Das Workout ist zum Kotzen.
Um 4 Uhr ist der Wasserstand in der Bilge um ca. 20 Zentimeter gefallen. Es handelt sich definitiv nicht um den Inhalt unseres Wassertanks, sondern um kristallklares Seewasser. Der Zufluss muss von Bedeutung sein. Ich kontrolliere alle Seeventile und die übrigen Öffnungen von Sissi, durch die Wasser eindringen könnte. Zwischendrin pumpe ich immer wieder, bis mir meine Arme fast abfallen. Das wird der Muskelkater meines Lebens. Ich entscheide, dass wir uns noch zwei Stunden Zeit für die Fehlersuche geben, ansonsten müssen wir wieder nach Aruba umkehren. Jens stöhnt sein Einverständnis.
Eine Stunde später konnte ich den Pegel um einen ganzen Meter senken. Zwischendrin ist mir eingefallen, dass in meiner frühen Vergangenheit als Bootsbesitzer ein bestimmtes Problem schon einmal aufgetreten ist: Wassereinbruch über das Seeventil der elektrischen Bilgepumpe, wenn wir auf dem Backbordbug segeln. Noch ein paar Minuten später ist die Bilge wieder trocken, der Pegel steigt auch nicht mehr rapide an. Wir müssen nicht umkehren. Die elektrische Pumpe nehme ich außer Betrieb, das Seeventil wird geschlossen. Im Notfall kann ich den Watermaker noch als elektrische Pumpe benutzen, der kann sogar ein paar Liter in der Stunde verarbeiten.
Gegen 7 Uhr morgens reicht es mir. Die Sonne ist aufgegangen. Ich bin nass geschwitzt, meine Oberarme brennen. Segeln ist definitiv Sport. Ich dusche und fülle damit wieder die Bilge nach. Dann lasse ich mich von Jens ablösen und finde ein paar Stunden Ruhe. Puh. Wir wären nach Aruba zurückgefahren und hätten Sissi an Land gestellt. Dann hätte ich mir für das kommende Jahr eine Lösung suchen müssen. Wir sind noch unterwegs, Sissi schwimmt, eigentlich geht es uns gut. Jetzt mache ich uns ein Gulasch.
1. Etmal: 77,7 Meilen