Frustrierend

Tag 7

Wir versuchen alles, um unsere Geschwindigkeit zu verbessern. Es ist eine Krux. Entweder fahren wir den perfekten Kurs, dann sind wir aber langsamer als ein DHL-Paket. Oder wir fahren eine akzeptable Geschwindigkeit, dann nähern wir uns Aruba nicht mehr so richtig. Die Kompromisslösung ist also ein ungünstiger Kurs mit langsamer Geschwindigkeit. Unsere Zukunftspläne für die Zeit nach Aruba beinhalten eigentlich einen weiteren langen Schlag gegen den Passat. Das müssen wir noch einmal überdenken. Das Überdenken wäre viel leichter, falls Jamaika endlich die Grenzen öffnet. Das werden wir in diesem Frühjahr aber wohl nicht mehr erleben.

Ein Regenschauer dreht den Wind noch einmal 40° zu unseren Ungunsten. Nach eineinhalb Stunden ist er vorbei, wir sind wieder auf dem Kompromisskurs.

Jens entdeckt verloren geglaubte Fertigkeiten wieder. Seit wir in Lagos (Portugal) losgefahren sind, haben wir uns nie wieder Gedanken über das Trimmen unserer Segel machen müssen. Der Wind kam immer von hinten und in ausreichender Stärke. Jetzt kommt er von vorne und ist mal stärker und mal schwächer. Jens setzt das Groß ordentlich durch, es steht nun faltenfrei im richtigen Winkel zu unserer Genua.

Aus dem Kompromisskurs wird fast der perfekte Kurs, wir hätten uns früher mit der Thematik auseinandersetzen sollen. Doch wer wird schon über verschüttete Milch lamentieren, es ist wie es ist. Mit dem neuen Kurs und der neuen Geschwindigkeit können wir damit rechnen, am Dienstag in Aruba zu sein.

Alles ist wie immer. Die Bordroutine hat sich eingestellt. Jens geht nach dem Abendessen ins Bett, ich habe die erste Wache. Die Windvorhersage verspricht uns für die nächsten Stunden einen Winddreher zu unseren Gunsten, der kombiniert ist mit etwas mehr Windstärke. Jens meint noch, ich hätte den ganzen Spaß, denn für seine Wache ist weniger Wind vorhergesagt und der Wind wird wieder zu unseren Ungunsten drehen.

So sitze ich im Cockpit und lese ein Buch, als aus heiterem Himmel der Wind von 20 kn auf 40 kn auffrischt. Gleichzeitig setzt heftiger Regen ein. Ein Squall wie aus dem Bilderbuch. Ich feuere das Radar an und überlege, die Segel zu reffen. Die Aufwärmphase des Radars sind 90 Sekunden, in dieser Zeit wurde mir schon klar, dass wir sicher unterwegs sind. Unsere gut getrimmte Besegelung und Sissi stecken das locker weg. Der Windpilot steckt es ebenfalls weg und hält das Boot sicher auf Kurs. Ich bin pitschnass im Cockpit. Nach einer Viertelstunde ist der Spuk vorbei und alles normalisiert sich.

Eine gute Stunde später kommt der nächste Squall. Diesmal läuft das Radar, ich hätte ihn vorher sehen müssen. Ich sah ihn aber nicht, der Regen setzt erst später ein. Dann aber heftig, wie ich es aus Aruba kenne. Auch diesmal geht es auf 40 kn Wind hoch, ich sehe den Regen auf die Solarzellen prasseln. So viel Spaß wollte ich in der Nacht nicht haben.

Aus heiterem Himmel tut es einen heftigen Schlag, eine Welle trifft Sissi im achteren Bereich. 12 Tonnen Segelboot werden in Bruchteilen von Sekunden zur Seite geschleudert. Mein Kopf schlägt gegen das Cockpitdach. Das gibt eine Beule. Jens ruft aus der Achterkoje, dass Wasser durch das Seitenfenster eingedrungen ist. Zum Glück ist das Seitenfenster noch an Ort und Stelle. Die Regeln des Atlantik sind hart.

Nach genauer Prüfung der Wettervorhersage sollte der Spaß um ein Uhr früh vorbei sein. Um drei Uhr wird Jens mich ablösen. So bleibt der ganze Spaß bei mir. Danke. Jens zieht derweil ein frisches, trockenes Bettlaken auf sein Bett. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Am Morgen weckt mich ein Knall. Kurz darauf höre ich, dass der elektrische Autopilot seine Arbeit aufgenommen hat. Ich krieche aus dem Bett. Jens unterrichtet mich, eines der Steuerseile unseres Windpiloten ist mitsamt seinem Umlenkblock abgerissen. Mal wieder eine Reparatur am Morgen. Es ist frustrierend. Wir nähern uns Aruba nur zentimeterweise und jeder dieser kleinen Defekte wirft uns wieder meterweit zurück. Siebtes Etmal 71 Meilen. Noch 150 Meilen Luftlinie nach Aruba.

2 Antworten auf „Frustrierend“

  1. Tough, tough tough. Wir hayten diesen Turnier- Kuba -> ABC – auch ins Auge gefasst… Wir werden es nochmal überdenken. Danke für die Schilderung der Erlebnisse, die mir nahe geht.

  2. Ist schon okay, aber kein Ponyhof. Man muss mental und technisch vorbereitet sein. Waren wir nicht.

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