Santa Cruz – ich werde schwach…

Der erste Eindruck nach Verlassen der Marina ist heftig. Neben der Marina ist der Hafen, in welchem Fähren und Kreuzfahrtschiffe festmachen.

Hafenanlage vor Gebirgszug

Mein erster Gedanke über Santa Cruz war, dass diese Stadt unglaublich hässlich ist. Sie ist besonders hässlich, wenn sich hunderte Kreuzfahrt-Touristen durch die Innenstadt schieben. Gestern war es besonders krass, zwei deutsche Schiffe lagen hier im Hafen. Ein Paar aus Sachsen hat mich auf der Straße mit schwer sächsisch gefärbten Englisch-Brocken beworfen. „we – camera – click – picture – us“, dabei zeigten sie mir den Auslöser ihrer Kamera. Als ich versuchte, das mit breitestem Hessisch zu kontern „Isch verschdeh‘ kein Wortt!“, haben sie sich erbost umgedreht und sich gegenseitig fotografiert. Na gut, nicht mein Problem.

Innenstadt von Santa Cruz

Spaziert man dann mit offenen Augen durch die Stadt, breitet sie sich mit ihrem ganzen Charme aus. Ich musste zweimal hinsehen, dann hat sich mir die Schönheit im Chaos erschlossen. Neben den Wohnsilos, die an die Berghänge geklebt wurden, finden sich immer wieder kleine Gassen mit Restaurants und Läden. Die Restaurants riechen fast ausnahmslos gut, ich würde da sofort essen gehen.

Gässchen mit Restaurant an der Ecke

Für die Versorgung finden sich überall Lebensmittelläden, China-Shops (da gibt es wirklich alles!), Baumärkte und und und… DIe Baumärkte haben etwa Garagengröße und wenn sie das gewünschte Teil nicht vorrätig haben, schicken sie einen zum nächsten Baumarkt. Bei den Chinesen ist es übrigens nicht anders, die haben aber immer fast alles da.

Blick über Santa Cruz auf den Hafen

Das wichtigste Verkehrsmittel in Santa Cruz ist die Straßenbahn, dazu fahren hunderte Buslinien und viele, viele Autos verstopfen die steilen Straßen. Wir waren lange nicht in einer Großstadt. In Santa Cruz sitzt außerdem die Dorada Brauerei, die das meiner Meinung nach beste Bier der kanarischen Inseln herstellt. Unbedingt das „Dorada Especial“ (schwarze Dosen) kaufen, da ist richtig Geschmack drin. Die roten Dosen sind besser zu meiden.

Straßenbahn vor der Dorada Brauerei

Es werden auch Brauereiführungen angeboten, die habe ich mir aber erspart. Der Prozess der Herstellung des Gerstensafts ist mir hinlänglich bekannt.

Den Straßenkehrer musste ich aufnehmen. In Frankfurt liest man immer wieder mal in der Zeitung, dass sich die Straßenkehrer ihre Reisigbesen selbst binden (müssen), mit denen dann die Straße poliert wird. In Santa Cruz nimmt man einfach Palmwedel, die müssen nicht gebunden werden und erfüllen denselben Zweck.

Die Straße wird mit einem Palmwedel gefeudelt

Beim Stromern durch die Innenstadt stößt man dann immer mal wieder auf einen kleinen Platz mit großen Bäumen und einem historischen Gebäude. Oder es findet sich noch eine Gasse, in der Restaurants ihre Tische vor die Tür gestellt haben.

Das alles im Dezember. Winterliche Stimmung mag bei mir nicht mehr aufkommen. Auch die Telefonate in die Heimat sind nur schwer nachzuvollziehen, wenn von Schneeregen, Temperaturen um den Gefrierpunkt und dunklen Tagen berichtet wird. Wir tragen hier T-Shirts, kurze Hosen und laufen in Sandalen herum. Dabei sind es tagsüber angenehme 22°C, in der Nacht kaum weniger.

Kleiner Platz mit schönen Bäumen

Wie ich mich da so durch die Innenstadt treiben lasse, sehe ich plötzlich ein Gebäude, das aus der Masse heraus sticht. Das muss ich mir genauer ansehen. Was ist das? Warum ist da so viel los? Ich komme näher und sehe, es handelt sich um einen Markt.

Mercado de nuestra senora de africa

In Frankfurt bin ich regelmäßig auf Märkten unterwegs und kaufe dort fast alle meine Lebensmittel. Das war auf unserer Reise oft nicht möglich, die Märkte schließen in Portugal sehr früh und wir schlafen lange. In Großbritannien haben wir keine Märkte gesehen und z.B. auf Lanzarote gab es keine brauchbaren Märkte.

Obere Ebene

Es sieht auf dem Bild zwar nicht so aus, aber auf der oberen Ebene des Marktes tummeln sich sehr viele Touristen. Es werden Blumen und Handwerkskunst verkauft. Und Nippes. Und Weihnachtskram. Spannender finde ich die untere Ebene.

Untere Ebene des Marktes

Im Untergeschoss finde ich eine lange Reihe von Fischhändlern, Metzgereien, Obstständen, Gemüseläden, Käseverkäufern, und und und. Es erinnert mich sofort an die Kleinmarkthalle in Frankfurt. Es kommen Heimatgefühle auf.

Obststand

Ich werde schwach. Eine Fischhändlerin hält mir einen Thunfisch entgegen, sie darf sofort zwei schöne Thunfischsteaks für Jens und mich herunter schneiden. Der sieht soooo gut aus.

Wegbeschreibung

Wenige Minuten später fallen einige Mini-Paprika aus Teneriffa in meinen Rucksack, gefolgt von einer riesigen Süßkartoffel aus Lanzarote. Hier kann man richtig lokal einkaufen, so macht es Spaß. Ich schicke Jens, der mich bei meinem Straßenbahn-Fotospaziergang nicht begleiten wollte, eine Nachricht, dass das Abendessen gejagt ist.

Wir werden auf diesem Markt noch die frischen Waren besorgen, die wir für unsere Atlantiküberfahrt kaufen wollen.

Das Abendessen war ein voller Erfolg. Wir haben mal wieder geschlemmt, wie die Götter in Frankreich. Das Beste ist, dass der Markt nicht einmal einen Kilometer von der Marina entfernt ist. Ich sehe uns schon, wie wir unseren prall gefüllten Hackenporsche zurück zu Sissi fahren. Mir knurrt beim Schreiben dieser Zeilen schon wieder der Magen.

Santa Cruz ist nicht hässlich. Santa Cruz ist anders. Es erschließt sich einem nicht sofort, doch wenn es einen erwischt hat, macht es einfach nur Laune.