Sir Lancelot

Seit meinem letzten Blog sind einige Tage vergangen, Tage mit viel Eselzeit. Ich fahre fast jeden Tag ins Donkey Sanctuary, um den kleinen Chamito zu sehen. Bei meiner heutigen Ankunft steht ein großer Lastwagen mit einem Container Heu auf dem Parkplatz. Das ist gut, denn viel Heu liegt nicht mehr in der Scheune. Ich spaziere gemütlich zum Besucherzentrum und erfahre sogleich von Anneke, dass Desiree auf dem Weg zum Donkey Sanctuary ist. Sie wird eine Getränkelieferung vorbeibringen.

Aug’ in Aug’ mit Chamito

Nach einem kurzen Besuch bei Chamito setze ich mich im Besucherzentrum auf den Barhocker, von dem aus ich den Parkplatz beobachten kann. Es dauert gar nicht lange, bis ich Desirees Wagen sehe. Ich packe meine Sachen, verschwinde durch den Hintereingang und schaffe es hinter den Büschen ungesehen bis zur Scheune. Genauso wenig wie sie mich sehen möchte, möchte ich sie sehen oder ihre jammerig-nörgelnde Stimme hören wollen. Statt dessen beobachte ich, wie die LKW-Fahrer den Container abladen. Bisher habe ich das noch nicht gesehen, es ist jedoch vollkommen unspektakulär.

Frisches Heu ist angekommen

Es dauert keine fünf Minuten, bis der Container neben dem LKW steht und die beiden hart arbeitenden Menschen eine Pause brauchen. Auf der anderen Seite der Scheune habe ich das Besucherzentrum im Blick. Ich kann beobachten, wie Desirees Wagen abgeladen wird. Ihre Stimme ist laut genug, ich kann sie gut hören. Es ist nicht immer alles perfekt. Sie steigt in ihr Auto ein und steigt gleich wieder aus, ich muss also noch länger warten.

Blick von der Scheune zum Besucherzentrum

Warten. Ich warte auf den Dezember. Ich freue mich darauf, dann Aruba hoffentlich endgültig verlassen zu können. Bis dahin freue ich mich an dem, war ich hier habe. Ich kann mich mit Fug und Recht als glücklichen Menschen bezeichnen. Die Insel klebt nicht nur, sie färbt auch ab. “One Happy Island”

Egal ob es das Tierheim oder das Donkey Sanctuary handelt, es macht immer Spaß und ich habe das Gefühl, dass der Einsatz für eine gute Sache ist. Ich freue mich über die Menschen, die ich hier in den vergangenen eineinhalb Jahren kennengelernt habe. Die meisten hier sind entspannt und zufrieden. Ich freue mich über die entspannte Covid-19 Lage, das Thema spielt hier kaum noch eine Rolle. Lediglich die Maskenpflicht in den Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln ist noch sichtbar geblieben.

Hardgrooves Jazz Cafe

Am Samstagabend gehen wir als Gruppe von mehr als zehn Deutschen gemeinsam Essen. Michael hat sein Boot in Aruba verkauft und wird am Folgetag wieder nach Deutschland zurückfliegen. Meine Gefriertruhe war ursprünglich auf Michaels Boot. Er hat sie separat verkauft. Für mich bedeutet sie den puren Luxus.

Da gibt es schon sehr unterschiedliche Typen von Seglern. Manche lieben ihren Komfort und möchten nichts missen. Mit Waschmaschine, Klimaanlage, Generator, Eiswürfelmaschine und einem Kaffee-Vollautomaten ist das Leben süß. Leider neigen Geräte dazu, gelegentlich kaputt zu gehen. Dann muss man auf Ersatz warten und das Leben ist nicht mehr süß. Sie haben so viel und sind dennoch unglücklich, denn sie sind nicht dort, wo sie eigentlich gerne wären. Sie warten für ihren Luxus. Wäre es nicht der größte Luxus, das Warten zu beenden und mit einem nicht ganz perfekten Boot abzufahren?

Nach dem Abendessen gönne ich mir noch etwas Musik im Jazz Cafe. Die Band ist nicht schlecht. Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal Zugang zur Jazz Musik finden würde.

Wer freiwillig wartet ist glücklicher. Meine neuen Nachbarn kommen freudig jedes Wochenende mit ins Donkey Sanctuary. Wie soll ich ihnen sagen, dass das am kommenden Sonntag ausfallen wird? Das Tierheim macht einen Betriebsausflug. Auch dorthin kommen Maila und Samuel immer gerne mit. Ich frage am Donnerstag mal, ob auf der Jolly Pirates noch Platz für unsere neuen Volunteers ist.

Von links nach rechts: Samuel, Woods, Chamito, Maila und Michael

Bei manchen Menschen habe ich den Eindruck, dass sie unglücklich sein wollen. Wenn sie nicht unglücklich sind, sind sie nicht glücklich. Ein Widerspruch? Desiree weiß, dass ich gerne ins Donkey Sanctuary gehe, wenn sie nicht da ist. Sie mag meine Anwesenheit dort nicht, schaut aber regelmäßig auf die Videokameras und muss mich dann sehen. Das macht sie unglücklich. Warum tut sie es denn? Ich persönlich finde das Versteck spielen albern. Endlich bewegt sich ihr Wagen vom Besucherzentrum weg, ich kann wieder zurück.

Sir Lancelot (Steuerbordseite)

Der neueste Zugang im Donkey Sanctuary ist Sir Lancelot. Gestern ist er praktisch von alleine hinein gelaufen, er musste lediglich im Garten des Nachbarn abgeholt werden. Nun wartet er separat von den anderen auf seine Kastration. Es würde mich nicht wundern, wenn ihm irgendwann in den nächsten Tagen ein Ausbruch gelingt. Unter den vielen Eseldamen sind immer ein paar, die heiß sind. Der einige richtige Mann unter so vielen Frauen könnte sich perfekt vergnügen. Leider hinkt er ein wenig.

Cinnamon, Diva und Gipsy

Derweil stehen draußen die Mädels Diva und Gipsy. Sie sind neugierig, um was für einen Neuzugang es sich hier handelt. Begleitet werden sie von Cinnamon, der immer an Diva klebt. Er wurde schon vor einigen Monaten kastriert. Was alle drei nicht kapieren ist, dass Tim ihnen keine Karotte geben wird. Sie sind für den bildhübschen Sir Lancelot vorgesehen. Auch andere Esel kommen von Zeit zu Zeit vorbei, alle wollen den Neuen kennenlernen.

Sir Lancelot (Backbordseite)

Es klingt bescheuert, aber von Zeit zu Zeit habe ich Lust auf Dosenravioli. Lange Zeit glaubten Jens und ich, dass es keine Dosenravioli in Aruba zu kaufen gibt. Es gibt nicht die europäischen Marken zu kaufen, wie wir kennen. Geschmacklich sind die Ravioli aus den USA kaum von unseren zu unterscheiden. Die aus Frankreich schmeckten wesentlich besser. Doch die amerikanische Konservendose hat etwas, das ich auf einer europäischen Dose noch nie gesehen habe. Eine Bedienungsanleitung, wie man die Dose öffnen muss. Wow! Ich habe darüber noch nie nachgedacht, immer nur die Dosen aufgemacht.

Öffnungsanleitung

So schreibe ich diese Zeilen nach dem fragwürdigen Genuss aus der Dose. Ganz den bekannten Camping-Geschmack (oben kalt, unten angebrannt) hatte der Inhalt nicht. Statt die Dose direkt auf dem Herd zu erhitzen, landete der Inhalt in einem Topf. Ansonsten war der Geschmack okay.

Die gute Nachricht des Tages: Chamito hat heute zum ersten Mal eine Flasche mit Ziegenmilch leer getrunken!!! Also können wir ihn nun auch füttern, wenn seine Mutter keine oder nicht genug Milch für ihn hat.

Fluch der Karibik

Die Rückübersetzung des Beitragstitels ins englische durch Google ist witzig.

Wir waren auf dem Weg in das gelobte Land, nach Atlantis und sind in Aruba gelandet, das ja etwa in derselben Weltgegend liegt. Wir kamen Ende Januar und wollten nur wenige Wochen unsere Wunden lecken und zusätzlich die leckenden Fenster abdichten. Auf diesem Boot lastet der Fluch der Karibik.

Sissi schaut ganz erstaunt. Was passiert denn hier an Bord?

Episode 1: Der Propeller. Wir sind zuversichtlich. Noch ist die Chapo ebenfalls in Aruba und Charly hilft uns bei der Behandlung unseres Propellers, indem er seine Tauchausrüstung klar macht und die Demontage mitsamt fälliger Montage am folgenden Tag durchführt. Wir sind glücklich, sind wir doch unserem Ziel, so schnell wie möglich weiter zu kommen, ein Stück näher gekommen.

Der Vorrat an Kaffee muss dringend aufgestockt werden. Nach längerer Suche konnte ich eine Marke finden, die unseren Ansprüchen einigermaßen gerecht wird.

Episode 2: Die Dachluken. Sie wollen und wollen nicht dicht werden. Die Schrauben sind zum Teil ausgeleiert. Das alte Dichtungsband bröselt vor sich hin. Nach tagelangen Versuchen schaffen wir es dann endlich, die Luken dicht zu bekommen. Wir sind glücklich, haben wir doch einen dicken, fetten Punkt von unserer Todo-Liste streichen können. Wir kündigen unsere baldige Abreise an. Gemeinsam mit Freunden kommt schon einmal so etwas wie Letzter-gemeinsamer-Abend-Stimmung auf. Wir sind optimistisch, die verbleibenden Restarbeiten in kurzer Zeit erledigen zu können.

Anneke hat das Eis aus der Tiefkühltruhe herausgebrochen. Einige Esel schlecken gerne an den Eisbrocken. Solange ich in Aruba bin, ist für mich ein wöchentlicher Besuch bei den Eseln fast schon Pflicht.

Episode 3: Ölkatastrophe. Nach eineinhalb Wochen Behandlungszeit sehen wir die Farbe unseres Teppichs wieder. Der Fußboden klebt nicht mehr. Wir erfreuen uns am wieder schönen Anblick.

Episode 4: Die Umlenkrolle an der Mastspitze. Als wir von Kuba nach Aruba gesegelt sind, hatten wir einige Probleme, unser Großsegel wieder herunter nehmen zu können. Diese Probleme sind dann in unserem Gedächtnis verloren gegangen, weil wir anschließend ohne Antrieb nur unter Segeln und mit Hilfe eines Schleppers in den Einklarierungshafen kommen konnten (siehe auch Episode 1).

Es bildet sich einigermaßen Frustration heraus. Die Zeit beginnt sich zu dehnen. Um vielleicht doch noch um das Abnehmen des Masts herum zu kommen, warten wir auf den Rigger und seine Meinung. Natürlich muss der Mast runter. Wir warten. Warten auf einen Termin.

Unser Teddybär von den Tobermory Lifeboats schaut gemeinsam mit dem Backbord- und dem Steuerbordesel auf das, was wir so tun. Das ist manchmal auch sehr, sehr wenig.

Epsiode 5: Mast kranen und Kreditkarte bluten lassen. Für schlappe 800 US$ kommt ein Autokran in die Marina Varadero und steht uns für knapp vier Stunden zur Verfügung. In dieser Zeit versprühen wir Arbeitseifer ohne Ende, nach drei Stunden steht der Mast wieder auf dem Deck und ist provisorisch festgemacht. Die Reparatur der Umlenkrollen hat keine zehn Minuten gedauert. Das endgültige Trimmen des Masts soll der Rigger für uns erledigen.

Wir sind glücklich, denn ohne das Großsegel wäre eine Weiterfahrt unmöglich geworden. Wir kündigen unsere baldige Abreise an.

Rippsche mit Kraut und Kartoffelpüree. Frankfurter Nationalgericht. Noch haben wir ein paar Dosen Kraut an Bord. An das Kassler kommt man in Aruba sehr gut heran. Wenn die Seele leidet, kann man sie über den Magen ein wenig besänftigen.

Episode 6: Zahnschmerzen. Gibt es eigentlich den absolut besten Moment in der Woche, um Zahnschmerzen zu bekommen? Gibt es! Es ist der Freitagnmachmittag, wenn die Zahnarztpraxen alle schon geschlossen haben. Das garantiert ein fröhliches Wochenende und Top-Motivation, eventuell anfallende Arbeiten zu erledigen. Kochen macht auch keine Spaß. Essen erst recht nicht. Nach der Diagnose kommt erst einmal das Warten. Das Warten auf einen Behandlungstermin. Die zweistündige Behandlung. Das Warten auf Besserung. Eine weitere Behandlung. Und das Warten auf Besserung. Diese Episode ist immer noch nicht abgeschlossen. Ich wollte eigentlich vorgestern noch einmal in die Praxis gehen, doch die Zahnärztin hat Brückentag gemacht.

Ein toller Joke. Vorgestern war Freitag und der Donnerstag war Nationalfeiertag.

Diese Touristen posieren mit dem von ihnen geangelten Fisch. Das Leben kann süß sein in der Karibik. Das Wetter ist immer schön, überall befinden sich Menschen, die gerade einen glücklichen Urlaub verbringen.

Episode 7: Der Fuß. Auf dem Rückweg von einem Besuch bei Budget Marine vertrete ich mir den Fuß ziemlich gründlich. Heute, zwei Wochen nach dem Vorfall, kann ich wieder schmerzfrei gehen. Es ist aber noch nicht gänzlich vorbei. Mit diesem Fuß bin ich auf der Rückfahrt von Kuba schon einmal deftig umgeknickt. Auf jeden Fall ist jeder Tag Wartezeit vor der möglichen Abfahrt nun Gold für den Fuß. Wenn ich ihn so lange wie möglich schone, ist er so schnell wie möglich besser. Ich schone ihn ziemlich gut.

Der Fluch der Karibik, die Trägheit, sie gewinnt mehr und mehr Macht über mich. Oder über uns. Warum sollen wir unsere Abfahrt vorbereiten? Wir geben keine Abfahrtstermine mehr bekannt. Woher sollen wir wissen, wann es weiter geht? Den Fuß spüre ich zwar noch, ich habe aber beschlossen, dass er unsere Abreise nicht behindert.

Trägheit. Bei den Katzen ist es ganz natürlich. Bei den Menschen wird sie um so größer, je mehr frustrierende Erlebnisse zu verarbeiten sind. Zumindest bei den Menschen, die an Bord der Sissi leben.

Episode 8: Der Springbrunnen. Unser Motor ist klatschnass. Aus dem Motorraum läuft ein Rinnsal. What the fuck? Wo kommt das her. Eine erste Untersuchung mit den Augen und der Taschenlampe bringt kein Licht ins Dunkel. Ich wische alles trocken und gebe der Angelegenheit einen Tag. Am nächsten Tag ist es wieder nass. Es ist Süßwasser. Wo kommt das denn her? Aus dem Kühlwasserkreislauf ist es nicht, sämtliche Leitungen sind trocken und es tropft nirgendwo an den Verbindungsstellen. Wir finden ein T-Stück, das in der Seite ein Stecknadel großes Löchlein hat, aus dem eine muntere Fontäne sprudelt. Diese Episode läuft jetzt erst seit drei Stunden.

Jens will in den Baumarkt fahren, um ein Ersatzteil oder Reparaturmaterial zu besorgen. Der Baumarkt macht aber am Sonntag um 14 Uhr zu, das ist in etwa die Uhrzeit, zu der ich diese Worte schreibe.

Der Fluch der Karibik hält uns in den karibischen Niederlanden fest. Ich fühle mich ein wenig wie der fliegende Holländer – nur umgekehrt. Meinem Boot ist es verwehrt zu segeln.

Eine Hackfleischsauce mit frischem Lauchgemüse wird gerade geboren. Dazu wird es Nudeln geben. Ein einfaches Gericht, doch es ist immer wieder lecker. Pasta macht glücklich. Erst recht mit frisch geriebenem Parmesankäse. Schließlich heißt das Sprichwort “Liebe geht durch den Magen”.

Jedes Ding hat seinen Grund. Jede Handlung hat ihre Folgen. Unterlassungen können sich auch auswirken. Aufgrund einer Verkettung von unglücklichen Umständen, verschleppten Tätigkeiten, Trägheit und einer Menge Pech sind wir noch in Aruba. Mir gefällt es im Moment sehr. Auch Episode 9 hat erst vor kurzem begonnen. Hätten Episoden drei bis fünf nicht stattgefunden, wäre es auch mit der neunten nichts geworden.

Gestern Abend habe ich eine wirklich tolle, liebe Frau an Bord zu Besuch gehabt und für sie Abendessen gekocht. Unser zweites Date. Anschließend waren wir am Strand. Nicht irgendwo, wir sind bis zum California Lighthouse gefahren. Beendet wurde es von der Polizei, denn wir durften wegen der Corona-Regeln nicht gemeinsam auf einem Stein sitzen. Mehr schreibe ich nicht, doch Jens hat mich schon gefragt, ob meine Beziehung Auswirkungen auf unsere Abfahrt hätte.

Ich mache keine Aussagen mehr zu einer möglichen Abreise. Ich mache mich doch nicht lächerlich. Es macht aber Spaß, wie zwei Teenager am Strand zu sitzen.

Gestern hat außerdem unsere Eintracht gegen Union Berlin mit 5:2 gewonnen. Die Dame, die gestern an Bord war, unterstützt Bayern München.

Nostalgie

Ausnahmsweise haben wir alles richtig gemacht. Die Segel hätten wir zu keinem besseren Zeitpunkt runter nehmen können. Über Nacht hat der Wind ordentlich aufgefrischt und bei den Böen, die wir heute erleben, wäre die Genua immer noch an Ort und Stelle. Bravo!

Kreuzfahrtschiff im März 2020 in Bonaire

Morgen ist der 1. März. Genau vor einem Jahr waren wir in Bonaire und sahen jeden Tag ein Kreuzfahrtschiff am Anleger festmachen, an manchen Tagen auch zwei. Natürlich war irgendwo auf der anderen Seite des Planeten dieses chinesische Virus unterwegs, das hatte auf das Leben jedoch keinerlei Auswirkungen. Massenweise erstürmten die Kreuzfahrer am Morgen die Insel, am Abend verschwanden sie wieder und wir hatten an unserer Boje unsere Ruhe – bis zum nächsten Morgen.

Reisen war so unkompliziert. Und günstig. Wir wählten die gewünschte Insel aus, beim Ausklarieren bekamen wir die Dokumente für das Ziel und dann segelten wir los. Die Einreise im Zielland war unkompliziert, ich musste lediglich den mehr oder minder langen Marathon durch die unterschiedlichen Behörden erledigen. Das war dann in einem Zeitraum zwischen fünf Minuten (Martinique) bis zu zwei Stunden (St. Lucia) erledigt. In St. Lucia hat es deswegen so lange gedauert, weil die unterschiedlichen Behörden zu unterschiedlichen Zeiten ihre Mittagspause gemacht haben.

Die Behördengänge kosteten zwar mehr oder minder viel Geld, es war jedoch günstig im Vergleich zu den Kosten, die heute auf den Reisenden zukommen.

Karneval in Martinique, Februar 2020

Jetzt ist Reisen kompliziert. Und teuer. Wer heutzutage reisen möchte, muss den bürokratischen Teil fast besser vorbereiten als den seglerischen. Auf jeden Fall sollte man Zusatzvorräte für zwei Wochen an Bord haben, falls unerwartet am Zielort eine zweiwöchige Quarantäne angeordnet wird. Wir wollen uns von Aruba auf eine andere Insel bewegen. Okay, welche Alternativen haben wir denn?

Einkaufsstraße in Bridgetown, Barbados, im Januar 2020

Curacao. Die kürzest mögliche Strecke. Voraussetzung für die Einreise ist ein maximal 72 Stunden alter, negativer Covid-19 Test. Man meldet seine Reise über eine Webseite an. Man muss sogar die geschätzte Ankunftszeit vorher bekanntgeben. Das negative Testergebnis muss auf eine bestimmte Webseite hochgeladen werden. Für die Tests werden jeweils 125$ verlangt. Erreichbar ist Curacao in ca. 14 Motorstunden. Segeln ist ziemlich besch…., da der Wind direkt entgegen kommt. Man wählt als Tag der Überfahrt einen schwach windigen Tag. Die Zahl der Covid-19 Erkrankungen ist sehr gering.

Dominikanische Republik. Voraussetzung ist die Registrierung auf verschiedenen Webseiten. Einen Covid-Test verlangen sie nicht. Bei der Einreise wird die Temperatur gemessen und das war es dann auch im Prinzip. Unsere Freunde von der Chapo haben 260 Dollar Gebühren bezahlt. Darin enthalten ist der Dienstleister für den Behördendschungel. Segeln in die DR ist sehr gut möglich, der Wind weht nämlich immer aus der schönen Halbwindrichtung. Die Zahl der Neuinfektionen mit Covid ist einigermaßen hoch.

Puerto Rico. Fällt aus wegen fehlendem Krankenversicherungsschutz. Das gilt auch für die US Virgin Islands.

British Virgin Islands. Immer noch geschlossen. Gerade wurde die Öffnung auf Mitte April verschoben. Darauf können und wollen wir uns nicht verlassen.

Anguilla. Wenn man angemeldet ist, lassen sie einen rein. Auch hier gibt es Webseiten für die Anmeldung. Sie verlangen dort einen maximal fünf Tage alten, negativen Covid-19 Test. Das Problem ist hier schon einmal, dass Anguilla so weit östlich liegt, dass wir ziemlich kämpfen müssen, um dorthin zu kommen. Wir werden mehr als fünf Tage brauchen. Bei der Ankunft gibt es noch einen Covid-Test, es folgen 10 Tage Quarantäne und ein abschließender Covid-Test. Das ist ziemlich teuer, die normalen Gebühren kommen selbstverständlich noch oben drauf. Danach ist das Leben aber fein, denn es gibt keine Fälle mehr.

Party am Freitagabend in Gros Islet, St. Lucia, Februar 2020

Es gibt keine Garantien, dass sich die Regeln nicht von heute auf morgen wieder ändern. Länder können wieder schließen, wegen der Angst vor den Mutationen oder wegen – äh – keine Ahnung. Sie können schließen und sie tun es auch.

Grenada. Die absolut härteste Tour. 500 Meilen direkt gegen den Wind. 500 Meilen gegen eine Strömung von bis zu 2 kn. Noch viel härter, als von Kuba nach Aruba zu segeln. Aber unsere Freunde von der Milena Bonatti konnten dort ihre Covid-19-Impfung bekommen. Das wäre eine ziemliche Motivation für den Ritt. Quarantäne müssten wir bei einer veranschlagten Reisezeit von über 14 Tagen wohl nicht mehr machen. In Grenada wird das gute AstraZeneca benutzt.

Wenn unser Mast repariert ist, verlassen wir die Insel. Für meine Seele hätte ich gerne einen Abfahrtstermin vor dem 11. März. Am 11. März 2020 sind wir nämlich erstmals auf Aruba angekommen. Am 14 März wurden die Grenzen geschlossen. Ende des Monats auch noch der Flughafen stillgelegt. Aruba ging in den Tiefschlaf.

Lockdown. März 2020

Curacao erscheint mir unwirtschaftlich, da sich die Landschaft nur geringfügig von der Arubas unterscheidet. Die Dominikanische Republik ist eine sogenannte tief hängende Frucht, die leicht zu pflücken ist. Werden wir damit glücklich? Die ganzen Inseln im Osten sind schwer erreichbar. Sollen wir direkt nach Frankreich (Guadeloupe) fahren? Dort können wir wenigstens bevorraten, bevor es in ein paar Monaten über den Atlantik nach Europa zurück geht. Ich weiß es nicht.

Oder nehmen wir die Anstrengungen für Grenada auf uns? Die Chance auf eine Impfung und möglicherweise weniger Behördengänge und Covid-19-Tests in der Zukunft. Impfprivilegien würde ich gerne nutzen. Ich recherchiere noch.

In Jamaika gibt es immer noch keine Öffnungsperspektive. Jamaika wäre sehr leicht erreichbar. Dem Hörensagen nach wird Jamaika erst wieder die Häfen öffnen, wenn der Kreuzfahrttourismus wieder in Gang ist. Die paar Segelboote, die in der Karibik unterwegs sind, werden von den Behörden ignoriert.

Britannia im Januar 2020. Kommt uns zwischen Barbados und St. Lucia viel zu nah. Unsere Handys waren im Bordnetz. Ich kann auf die Dinger gerne verzichten.

Wir sind wahrscheinlich wieder in Europa, wenn die ersten Kreuzfahrer wieder die Karibik unsicher machen. Also wird das mit Jamaika in diesem Frühjahr nichts mehr. Schade, aber nicht zu ändern. Das Reisen war früher so einfach, so spontan. “Hey, der Wind sieht gut aus in den nächsten Tagen, lass’ uns losfahren.” Schnell zu den Behörden und anschließend frei sein. Man konnte unterwegs das Ziel ändern. Der Stopp auf Bonaire war spontan, wir hatten Papiere für Aruba dabei. Dabei bekomme ich nostalgische Gefühle, obwohl meine Karriere als Langfahrer bisher eher kurz ist.

Ich freue mich auf ein paar Segeltage, auch wenn diese anstrengend sind. Segeltage sind gut für den Geist.

Die Seele baumeln lassen. Januar 2020.